Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Sonntag, 22. Februar 2009

Zitat zu Bürgerliche Revolutionen

Friedrich Engels „Einleitung [zur englischen Ausgabe (1892) „Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“]“ MEW Band 19, Seite 533 -534 und Seite 537. Aber auch hier nachzulesen, etwa in der Mitte des Textes.
Der große Kampf des europäischen Bürgertums gegen den Feudalismus kulminierte in drei großen Entscheidungsschlachten.
Die erste war das, was wir die Reformation in Deutschland nennen. Dem Ruf Luthers zur Rebellion gegen die Kirche antworteten zwei politische Aufstände: zuerst der des niedern Adels unter Franz von Sickingen 1523, dann der große Bauernkrieg 1525. Beide wurden erdrückt, hauptsächlich infolge der Unentschlossenheit der meistbeteiligten Partei, der Städtebürger- eine Unentschlossenheit, deren Ursachen wir hier nicht untersuchen können. Von dem Augenblick an entartete der Kampf in einen Krakeel zwischen den Einzelfürsten und der kaiserlichen Zentralgewalt und hatte zur Folge, daß Deutschland für 200 Jahre aus der Reihe der politisch tätigen Nationen Europas gestrichen wurde. Die lutherische Reformation brachte es allerdings zu einer neuen Religion – und zwar zu einer solchen, wie die absolute Monarchie sie grade brauchte. Kaum hatten die nordostdeutschen Bauern das Luthertum angenommen, so wurden sie auch von freien Männern zu Leibeignen degradiert.
Aber wo Luther fehlschlug, da siegte Calvin. Sein Dogma war den kühnsten der damaligen Bürger angepaßt. Seine Gnadenwahl war der religiöse Ausdruck der Tatsache, daß in der Handelswelt der Konkurrenz Erfolg oder Bankrott nicht abhängt von der Tätigkeit oder dem Geschick des einzelnen, sondern von Umständen, die von ihm unabhängig sind. “So liegt es nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern am Erbarmen” überlegner, aber unbekannter ökonomischer Mächte. Und dies war ganz besonders wahr zu einer Zeit ökonomischer Umwälzung, wo alle alten Handelswege und Handelszentren durch neue verdrängt, wo Amerika und Indien der Welt eröffnet wurden und wo selbst die altehrwürdigsten ökonomischen Glaubensartikel – die Werte des Goldes und Silbers – ins Wanken und Krachen gerieten. Dazu war Calvins Kirchenverfassung durchweg demokratisch und republikanisch; wo aber das Reich Gottes republikanisiert war, konnten da die Reiche dieser Welt Königen, Bischöfen und Feudalherrn Untertan bleiben? Wurde das deutsche Luthertum ein gefügiges Werkzeug in den Händen deutscher Kleinfürsten, so gründete der Calvinismus eine Republik in Holland und starke republikanische Parteien in England und namentlich in Schottland.
Im Calvinismus fand die zweite große Erhebung des Bürgertums ihre Kampftheorie fertig vor. Diese Erhebung fand statt in England. Das Bürgertum der Städte setzte sie in Gang, und die Mittelbauern (yeomanry) der Landdistrikte erkämpften den Sieg. Es ist sonderbar genug: In allen den drei großen bürgerlichen Revolutionen liefern die Bauern die Armee zum Schlagen, und die Bauern sind grade die Klasse, die nach erfochtnem Sieg durch die ökonomischen Folgen dieses Siegs am sichersten ruiniert wird.
Die große französische Revolution war die dritte Erhebung der Bourgeoisie, aber die erste, die den religiösen Mantel gänzlich abgeworfen hatte und auf unverhüllt politischem Boden ausgekämpft wurde. Sie war aber auch die erste, die wirklich ausgekämpft wurde bis zur Vernichtung des einen Kombattanten, der Aristokratie, und zum vollständigen Sieg des andern, der Bourgeoisie. In England fanden die ununterbrochene Kontinuität der vorrevolutionären und nachrevolutionären Institutionen und der Kompromiß zwischen Großgrundbesitzern und Kapitalisten ihren Ausdruck in der Kontinuität der gerichtlichen Präzedenzfälle wie in der respektvollen Beibehaltung der feudalen Gesetzesformen. In Frankreich machte die Revolution einen vollständigen Bruch mit den Traditionen der Vergangenheit, fegte die letzten Spuren des Feudalismus weg und schuf im Code civil eine meisterhafte Anpassung, an modern kapitalistische Verhältnisse, des alten römischen Rechts – jenes fast vollkommenen Ausdrucks der juristischen Beziehungen, die aus der von Marx als “Warenproduktion” bezeichneten ökonomischen Entwicklungsstufe entspringen; so meisterhaft, daß dies revolutionäre französische Gesetzbuch noch heute in allen andern Ländern – England nicht ausgenommen – als Muster dient bei Reformen des Eigentumsrechts.

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