Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Mittwoch, 30. Mai 2018

Quarmbeck


Deckblatt der mir zugespielten Unterlagen
Heute hatte ich Besuch von einem Bekannten, er erzählte mir, dass ihm in Quarmbeck auf seiner morgendlichen Radtour eine Reihe hochgerüsteter Polizisten über den Weg gelaufen sind. Von der Polizeischule in Aschersleben, welche in letzter Zeit mit Drogendelikten und zumindest einem Einbrecher in ihren Reihen für Schlagzeilen gesorgt hat, sollen sie sein, welche wahrscheinlich zum Training in dieses leer-zuziehende Wohngebiet eingerückt sind. Das in den verschiedensten Häusern noch Menschen wohnen, scheint keine Rolle zu spielen, der Krieg gegen das eigene Volk muss geübt werden und der Repressionsapparat des Staates gestärkt. Da kommt so ein Abrissgebiet gerade recht, es kann unter Umständen Wilde Sau gespielt werden, Türen eingetreten, Fenster zerbrochen, mit Platzpatronen geschossen usw., kommt nicht drauf an, wird eh abgerissen!
Im Nebeneffekt werden die Bewohner terrorisiert und so zum schnelleren Umzug motiviert. Allerdings ist es nicht so einfach, eine vergleichbare Wohnung zu finden. Zum einen wohnt ein Teil der Bewohner schon sehr lange in diesem Viertel, verfügt also noch über alte Mitverträge aus Zeiten der DDR, welche wesentlich humaner abgefasst sind, als aktuelle Verträge. Und wenn ein Bewohner z. B. auf Hartz IV angewiesen ist, oder mit einer niedrigen Rente zurecht kommen muss, wird es sicher nicht leicht fallen eine geforderte Kaution zusätzlich aufzubringen. Dazu kommen die Räumlichkeiten selbst und lassen sich die alten Möbel in der neuen Wohnung alle unterbringen. Alles Fragen die diejenigen nicht interessieren, welche für den Leerzug und den darauf folgenden Beschluss des Abrisses des Wohnungsbestandes der städtischen Wohnungsgesellschaft in Quarmbeck verantwortlich zeichnen. Der Geschäftsführer der städtischen Wohnungsgesellschaft hatte im Jahr 2016 schon sinngemäß verkündet, dass das alles „mit den Menschen nichts zu tun hat“, der Mensch spielt keine Rolle, er ist nur Spielball machtpolitischer Interessen. Und so nun auch Spielball polizeilicher Übungen, was ebenfalls mit dergleichen Interessen zu tun hat, denn wo kämen wir hin, wenn das Volk hierzulande mitbekommt, wie seine Möglichkeiten immer weiter beschnitten werden, die Menschen Spielball politischen Seins, als Ausdruck spezifischer ökonomischer Interessen sind.
Dabei wäre es sicher auch anders gegangen, Quedlinburg gehört zum Welterbe, da müssten sich doch Möglichkeiten finden, auch für ein Wohngebiet wie Quarmbeck. So könnten die Wohnungen international angeboten und preiswert an Künstler vermietet werden, denn wo ist soviel kulturelles Erbe so geballt zu finden, wie in Quedlinburg? Architektonische Spuren finden sich z. B. aus der Zeit der Präromanik bis in die Gegenwart. Von der daran festzumachenden Geschichte ganz zu schweigen, Welterbe eben! Da wären Arbeit, künstlerisch kultureller Austausch und vieles mehr möglich, allerdings möchte davon die in Quedlinburg regierende Einfallt nichts wissen, Hauptsache das Schützenhaus in Quarmbeck, als Ausdruck der Hochkultur kleinbürgerlichen Seins, bleibt erhalten.
Allerdings hat es einmal anders ausgesehen, als um das Jahr 2000 herum nach Alternativen und Entwicklungsmöglichkeiten für diesen Ortsteil gesucht wurde. Da gab es sogar ein Struktur- und Entwicklungskonzept für diesen Ortsteil, es wurde beraten, die Bewohner des Ortsteils mit einbezogen und Vorschläge erarbeitet. Von diesem Projekt hatte ich bis dato nur gehört und einige Seiten der damals erstellten Unterlagen gesehen. Allerdings fand ich vor einiger Zeit einen prall gefüllten Briefumschlag im Briefkasten, welcher diese Unterlagen enthielt und einen interessanten Einblick in die damaligen Bestrebungen gewährten. Als dann allerdings der Geschäftsführer der städtischen Wohnungsgesellschaft in den Ruhestand ging und von der Stadt ein neuer bestellt wurde, wurde dieses Vorhaben aufgegeben und kurze Zeit später ein Zuzugsstopp verhängt. Es wurde begonnen das Viertel zu Endvölkern und für den Abriss vorzubereiten. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass große Teile der Wohnungen in den 1990iger Jahren noch Teil- oder Komplettsaniert wurden. Auch ist die Entwicklung der Bevölkerung des Ortsteils interessant, im erwähnten Entwicklungskonzept finden sich auf Seite 6 entsprechende Aussagen. Es werden die Zahlen der Stadt Quedlinburg und des Ortsteils genannt. Diese unterlagen im Laufe der Zeit erheblichen Schwankungen, allerdings ist für die Stadt seit 1990 ein kontinuierlicher Rückgang der Bevölkerung zu verzeichnen, in Quarmbeck verhält es sich bis 2000 etwas anders, 1990 hatte die Stadt 27.870 Einwohner, in Quarmbeck waren es 569, im Jahr 2000 hatte die Stadt noch 24.057 Einwohner und davon lebten in Quarmbeck 784, 1997 waren es sogar 920. Zwar hatte der Ortsteil wieder Einwohner verloren, allerdings entsprach das in etwa dem städtischen Durchschnitt. Aus diesem Grund wurde auch ein umfassendes Konzept in Angriff genommen, was allerdings wieder eingestampft wurde. Das nach Verhängung des Zuzugstopp die Einwohnerentwicklung rückläufig sein wird, dürfte den Verantwortlichen klar gewesen sein, dieser Ortsteil sollte nun nicht mehr aufgewertet, sondern für den Abriss vorbereitet werden. 
Quedlinburg hat allerdings weiter Einwohner verloren heute wohnen in der Kernstadt um die 21.000 Menschen, mit Gernrode und Bad Suderode hatte Quedlinburg 2016 24.411 Einwohner, also setzt sich dieser Abwärtstrend fort, was auch mit der Politik in dieser Stadt zu tun hat. Zwar fabuliert der eine und andere Politiker von einem Industriegebiet, welches zu planen ist und die Karawane der Investoren anlocken soll, allerdings sind dieses Wunschträume, wenn allgemein wirtschaftliche Entwicklung betrachtet wird. Das Fund mit dem Quedlinburg allerdings wuchern kann, wird von diesen Politikern eher stiefmütterlich behandelt und mit kulturellen und sozialen Kahlschlag in dieser Stadt bedacht. Allgemeine neoliberale Heilslehren werden gepredigt und den Vorgaben wirtschaftlicher Egozentrik gefolgt. Dabei wird auch nicht davor zurückgeschreckt Arbeitsplätze weiterhin zu vernichten, wie es vor einigen Jahren mit der Schließung des Kurzentrums in Bad Suderode geschehen ist. Nach einigem hin und her wurde dieses privatisiert, wobei seit dem auch nichts weiter passiert ist, außer das gelegentlich verkündet wurde, dass etwas passieren soll. Also anstelle auf Tourismus, Kultur, Natur und Gesundheit zu setzen, werden alte Rezepte aus gebuddelt, mit neuem Lack versehen und den Menschen als erstrebenswerte Alternative gepriesen. Dazu werden Gutachten erstellt, Projekte entwickelt, Landschaft versiegelt, kulturelle Einrichtungen geschleift und öffentliche Mittel mit vollen Händen zum Fester raus geschmissen. Dabei wird allerdings genau darauf geachtet, wer vor dem Fester steht und seine Hände aufhält! Die Menschen in dieser Stadt spielen dabei keine Rolle, sie haben zu dienen und sich dem politischen Gebaren zu fügen. Sie sind Spielball verschiedener Interessen, leider erkennen die meisten Menschen erst, dass ihnen die Hose längst runter gezogen wurde, wenn ihnen die rosarote Brülle von der Nase gerutscht ist.
Eine Meisterleistung bürgerlicher Ideologie ist es, den Menschen, welche die Arschkarte gezogen haben, einzureden das es der Joker sei, welchen sie auf der Hand haben. So werden die meisten erst wach, wenn es längst zu spät ist!

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