Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Montag, 30. September 2019

Umgang mit Faschismus und Faschismustheorie!


Bildschirmfoto 2019-09-30 13:31 Uhr
Es wird sicher Menschen in diesem Lande geben, welche mit den Begriff Faschismus nicht viel anfangen können, da in den Hauptstrommedien in der Regel von Nazis, oder Nationalsozialismus zu lesen und zu hören ist. Das damit die von den deutschen Faschisten selbst gewählte Verschleierung weiter genutzt wird, ist vielen nicht bewusst. Anders verhielt es sich in der DDR, dort wurde von Faschismus gesprochen, es gab auch eine Definition desselben und die Besonderheiten des Hitlerfaschismus, oder des deutschen Faschismus wurden herausgearbeitet und benannt. Die Auseinandersetzung mit dem Faschismus geht weiter, sie ist notwendiger den je, eine klare Positionierung ist wichtig, diese sollte allerdings auch theoretisch fundiert sein.
In folgendem ein übernommener Text, zu diesem aktuellem Thema:
Die westdeutschen Marxisten wurden unter anderem, was die Theorien über den Faschismus betrifft, sehr geprägt durch Reinhard Kühnl. Das war ein seiner Zeit, vor der Konterrevolution, bemerkenswert fortschrittlicher Historiker in der BRD. Er musste, bis er die Professur in Marburg innehatte, übelste Intrigen und Anfeindungen aus seiner überwiegend reaktionär aufgestellten Zunft über sich ergehen lassen, so zum Beispiel von dem „Kollegen“ Ernst Nolte, einem Apologeten der Monopolherrschaft und zu jeder Diffamierung bereiten Antikommunisten.
Kühnl war auch Autor des Zweibänders „Formen bürgerlicher Herrschaft“, in dem schon der Titel genau das Wesen des Faschismus benennt – bereits das eine mutige Herausforderung an die „Zunft“.
Allein – die Faschismustheorie blieb auf halbem Wege zum Marxismus-Leninismus stecken. Solange die sozialistischen Staaten existierten, war das progressiv, und konnte korrigiert werden durch die Autoren, etwa aus der DDR, die eine konsequente Analyse des Klasseninhalts des Faschismus, sowie der Problematik seiner Massenbasis, korrigierend beitrugen.
Nach der Konterrevolution sieht die Sache anders aus: Der überwiegende Teil westdeutscher Marxisten, auch der organisierten, ist ebenfalls irgendwo auf halbem Wege zum Marxismus-Leninismus stecken geblieben. Das ist aber kein Ort, den man einnehmen kann, ohne zurückzufallen. Nach der Konterrevoution muß das bedeuten: nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein und erneut ernsthaft jeden bürgerlichen Abhub als „Faschismustheorie“ zu diskutieren, der längst als überwunden galt. Ich selber habe erlebt, als ich noch in Berlin Funktionär einer marxistischen Organisation war, wie es dort eine „Antifa-AG“ gab, in der die DDR-Genossinnen, die dort die Wiederaneignung von Dimitroff erhofften, von den überzähligen West-Genossen schlicht und einfach niedergelabert und dazu verdonnert wurden, erst einmal ihre Schulaufgaben zu machen, indem sie Kühnl lesen.
Was ist nun an dem verdienstvollen Mann so unbrauchbar, dass es nach der Konterrevolution zur Desorientierung über den Faschismus beitragen kann? Ein Punkt ist meines Erachtens: Die Fetischisierung der Massenbasis.
Gerade heute läßt sich bei denen, die der Tendenz der Faschisierung analytisch nicht mehr gewachsen sind, ob sie sich Marxisten nennen oder anders, eine doppelte Fetischisierung von „Bewegungen“ konstatieren. Einerseits die positive Fetischisierung, die derzeit, gerade auch westdeutsche Marxisten, zu der himmelschreienden Desorientierung einer gewogenen Einstellung gegenüber, unter anderem, „Fridays for Future“ verleitete; andererseits eine negative Fetischisierung von „Bewegung“, die sich alles, was sie sich nicht zum „spontanen anikapitalistischen Protest“ zurechtfantasieren kann, zur „nationalen faschistischen Reserve“ erklärt – z.B. „Pegida“ und ad libitum fast alles, was auf dem Territorium der DDR sich „bewegt“. Ein Fehler, den wir natürlich nicht unter umgekehrten Vorzeichen wiederholen dürfen. Diese Überschätzung der nationalen Massenbasis scheint auch mir einer der hervorstechenden Fehler unserer Beinahe-Marxisten zu sein. Es wird verkannt, dass der Faschismus – gerade auch der Hitlerfaschismus, der stets als Muster verwandt wird – immer die Speerspitze der INTERNATIONALEN Konterrevolution ist. Es wird unterschätzt, dass auch ohne nationale Massenbasis der Faschismus durch die internationalen Militärbündnisse des Imperialismus befördert wird und eingesetzt werden kann – insbesondere durch die NATO. Und dass etwa die Einsetzung des Obristenregimes 1967 in Griechenland – ohne „Massenbewegung“ - durch die NATO keineswegs eine Anomalie für die heutige Faschismustheorie darstellt.
Um zu umreißen, welcher Zusammenhang gemeint ist, hier ein längeres Zitat von Kurt Gossweiler:
... es waren nicht die 'Oberklassen', die sich das Programm der NSDAP zu eigen gemacht haben, sondern es war die Naziführung, die sich der Monopolbourgeoisie als Vollstrecker von DEREN innen- und außenpolitischem Programm angeboten hatte!
Zu der ERSTEN Behauptung, derzufolge die Naziführung der Oberklasse die Massenbasis zur Verfügung gestellt habe, ist zu sagen: das trifft nur für die Zeit vor1933 zu. Für die Jahre danach muß man eher davon sprechen, daß es die 'Oberklassen' – und zwar nicht nur die deutschen! - waren, die der Naziführung dazu verhalfen, ihre Massenbasis zu erhalten und sogar zu erweitern, indem sie die Naziregierung Jahr für Jahr vor wirtschaftlichen und politischen Mißerfolgen bewahrten und ihr stattdessen einen unerwarteten Erfolg nach dem anderen zuspielten, während zur gleichen Zeit z.B. die französische 'Oberklasse' demonstrierte, wie man durch Wirtschaftssabotage, Kapitalflucht und Obstruktion eine unliebsame Regierung – die Volksfrontregierung – von Mißerfolg zu Mißerfolg stolpern lassen und damit schließlich um die Massenbasis bringen kann. Man kann ohne jeder Übertreibung sagen, daß damals keine Regierung auf der ganzen Welt mehr auf Erfolg angewiesen und empfindlicher gegen Mißerfolge war, als die Naziregierung. Und gerade weil das so war, wurde sie von den 'Oberklassen' der imperialistischen Hauptländer vor Mißerfolgen bewahrt!
Wenn das aber so ist – was bleibt dann von der Behauptung eines 'Bündnisses' gleichwertiger – und das heißt ja auch immer: gleich mächtiger – Partner übrig?
Ein weiterer Punkt, in dem die Differenz der Auffassungen Kühnls zur marxistischen Faschismustheorie deutlich wird, ist seine Einschätzung der Bedeutung der Massenbasis für die Begriffsbestimmung des Faschismus. Nach Kühnls Ansicht besteht „das ERSTE Spezifikum … (der faschistischen Herrschaft) … darin, daß das faschistische System die politische Machtergreifung MIT HILFE und gestützt auf eine faschistische Massenbewegung erzielt. Das heißt, daß es mit einer solchen MASSENBEWEGUNG an die Macht kommt ...“.
Für Kühnl ist demnach jede offene, terroristische Diktatur, die nicht durch eine faschistische Massenbewegung ans Ruder kam oder kommt, kein Faschismus: deshalb sind für ihn weder Franco-Spanien noch Portugal noch das Griechenland der Obristen bzw. der Generale faschistische Staaten.
Auch das ist letzten Endes eine Konsequenz der Bündnistheorie. Denn diese Theorie geht davon aus, daß zunächst einmal der Faschismus spontan und unabhängig von der herrschenden Klasse bis zu einer bestimmten Größe, nämlich zur Bündnisfähigkeit, heranwächst, bevor sich die 'Oberklassen' für ihn interessieren und ihn in ihr politisches Kalkül aufnehmen. Bis dahin ist er eine weitgehend autonome Bewegung des Kleinbürgertums. Im Hinblick darauf muß Kühnls Faschismustheorie zumindest partiell als eine – wenn auch besonders progressive und ihre eigenen Grenzen sprengende – Variante der bürgerlichen Mittelstandstheorie betrachtet werden; über diese äußerte sich Arthur Rosenberg schon 1934 mit beißendem Sarkasmus wie folgt: „Die Dilettanten der Soziologie fanden meistens, daß die Kleinbürger jene geheimnisvolle Klasse wären, mit deren Hilfe Hitler und Musssolini ihre Siege erfochten haben. Der Gemüsehändler Fritz Schultze wuchs empor zu dämonischer Größe. Mit der einen Hand hält er das Proletariat nieder und mit der anderen den Kapitalismus. … Daß die Kleinbürger, als Klasse, Deutschland, Italien, Polen, Österreich und ein halbes Dutzend anderer Länder erobert haben sollen, und daß die übrige Welt gleichfalls in Gefahr schwebt, 'kleinbürgerlich' zu werden ist etwas wunderlich.“ Rosenberg führt weiter aus, daß in Wirklichkeit der Faschismus nicht die Macht des Kleinbürgertums sei, sondern eine „moderne, volkstümlich maskierte Form der bürgerlich-kapitalistischen Gegenrevolution.“
Kühnls Position in dieser Frage verengt den Blick für die faschistische Gefahr, indem sie ihn nur auf die von einer faschistischen MASSENBEWEGUNG drohende Gefahr lenkt.“
Kurt Gossweiler, Aufsätze zum Faschismus, DDR 1986.
Persönliche Nachbemerkung: Dieses Buch hat mir der Genosse Topas geschenkt, wofür ich ihm, wie für vieles andere, sehr dankbar bin.“
Autor Klaus Linder


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