Wissenschaft von der
Bevölkerungsentwicklung. Sie untersucht die demographischen Verhältnisse
und Prozesse der menschlichen Gesellschaft im Zusammenhang mit den
ökonomischen und sozialen Verhältnissen der verschiedenen
Gesellschaftsformationen: die Reproduktion, das Wachstum, die Dichte,
die territoriale Verteilung, die Struktur, die Bewegung und alle
weiteren wesentlichen Veränderungen in der Bevölkerung. Unter
Bevölkerungsentwicklung versteht die Demographie die quantitativen und
qualitativen Veränderungen in der Bevölkerung, die ihrerseits durch
gesellschaftliche Veränderungen auf der Grundlage der Entwicklung der
Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse bedingt sind. Dazu gehören:
zahlenmäßiges Wachstum der Bevölkerung, Veränderungen der
Altersstruktur, der Klassenstruktur, des Verhältnisses von Stadt- und
Landbevölkerung, der Berufsstruktur, des Qualifikationsniveaus usw. Die
Bevölkerungsentwicklung ist ein sozialer Prozess, der durch die
jeweiligen ökonomischen Gesellschaftsformation bestimmt ist, aber auch
eine biologische Grundlage in der natürlichen Fruchtbarkeit, der
Geburtenhäufigkeit und der Sterblichkeit der Menschen besitzt.
Demographische Prozesse sind eine komplexe sozialhistorische
Erscheinung, in der natürliche und gesellschaftliche Faktoren in
Wechselwirkung miteinander stehen. In letzter Instanz bestimmend für die
demographischen Verhältnisse und Prozesse einer Gesellschaft sind die
Produktionsweise, die hieraus hervorgehende ökonomische Lage und die
ökonomischen Interessen der Menschen.
Daher
ist jede ökonomische Gesellschaftsformation durch spezifische
demographische Verhältnisse und Prozesse charakterisiert, obwohl sich
die biologischen Grundlagen dieser Prozesse im Prinzip nicht ändern. Aus
diesem Grund kann es kein allgemeines, biologisch bestimmtes
Bevölkerungsgesetz für alle ökonomischen Gesellschaftsformationen geben.
Vielmehr gilt, dass „jede besondere historische Produktionsweise ihre
besonderen, historisch gültigen Populationsgesetze hat. Ein abstraktes
Populationsgesetz existiert nur für Pflanze und Tier, soweit der Mensch
nicht geschichtlich eingreift“. (Marx, MEW, Bd. 23, Seite 660) Der
historische Materialismus klärt den spezifischen Stellenwert der
demographischen Verhältnisse und Prozesse im Geschichtsprozess, indem er
die Wechselwirkung der demographischen Faktoren mit der ökonomischen
und der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung untersucht. Dabei weist er
besonders auf den historischen und spezifischen Charakter des
Bevölkerungsgesetzes jeder Gesellschaftsformation hin und wendet sich
gegen eine ahistorische Biologisierung der demographischen Prozesse. Das
Ziel der demographischen Forschung besteht darin, die gesetzmäßigen
Zusammenhänge der Bevölkerungsbewegung und -entwicklung in der
Gesellschaft detailliert zu erkennen und das spezifische
Bevölkerungsgesetz der Gesellschaftsformation präzise zu formulieren.
Angelehnt an: Kleines Politisches Wörterbuch, sechste Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1986, Seiten 164/65.
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