Freiheit: Verhältnis des Menschen zur objektiven Gesetzmäßigkeit (Notwendigkeit) in Natur und Gesellschaft, insbesondere der Grad ihrer Erkenntnis und praktischen Beherrschung. Die Freiheit besteht in der Einsicht in die objektive Notwendigkeit und der darauf beruhenden Fähigkeit, die Gesetzmäßigkeiten der Natur und Gesellschaft mit Sachkenntnis bewusst anzuwenden und auszunutzen, um eine wachsende Herrschaft über sie zu erlangen. Die Freiheit schließt auch die ökonomischen, politischen, rechtlichen und ideologischen Bedingungen ein, die hierzu erforderlich sind, weshalb sie einem geschichtlichen Entwicklungsprozess unterliegt.
Der Kampf um die Freiheit in allen ihren Aspekten (ökonomische, politische, geistige, persönliche, nationale Freiheit), der sich durch die ganze Geschichte der Klassengesellschaft zieht, widerspiegelt sich in der Geschichte der Philosophie in den ideologisch-Theoretischen Auseinandersetzungen um den Inhalt des Freiheitsbegriffs.
ARISTOTELES unterscheidet im Verhalten des Menschen zwischen freiwillig und unfreiwillig. „Als unfreiwillig gilt also, was unter Zwang und auf Grund von Unwissenheit geschieht. Dementsprechend darf als freiwillig das gelten, dessen bewegendes Prinzip in dem Handelnden selbst liegt, wobei er ein volles Wissen von den Einzelumständen der Handlung hat“ (Nikomachische Ethik III, 3). Er bringt die freie Entscheidung richtig mit dem Wissen in Zusammenhang, aber in seiner Auffassung ist schon die Beschränkung auf das Problem der Willensfreiheit angelegt, die in der weiteren Entwicklung der Freiheitsproblematik vorwiegt.
In der Epoche des Feudalismus ist die herrschende Freiheitskonzeption die des THOMAS VON AQUIN, nach der alles Denken und Handeln der Menschen vorbestimmt, und zwar von Gott gewollt ist, doch da Gott frei ist, kommt der Vorherbestimmung des Menschen zugleich Freiheit zu (Summa Theologica II, 19, 10).
Die Freiheit im Katholizismus wird als rein geistige Freiheit, als Willensfreiheit aufgefasst, und das höchste Ziel, auf das sich die menschliche Freiheit bezieht, ist Gott. Die katholische Kirche als Bindeglied zwischen Mensch und Gott ist die Institution zur Verwirklichung der Freiheit.
LUTHER vertrat dagegen die Ansicht, dass Freiheit nicht im geistigen Prinzip des Menschen selbst (der Willensfreiheit) besteht, sondern in der Begnadigung, der Sündenvergebung durch Gott, woraus sich seine Polemik gegen die Willensfreiheit erklärt. Sowohl der katholischen wie der protestantische Freiheitsauffassung ist gemeinsam, dass die Freiheit nicht als gesellschaftliche Erscheinung behandelt wird. Die personalistische Freiheitskonzeption orientiert auf die Unterwerfung des Menschen unter die Obrigkeit Gottes und seiner irdischen Statthalter.
Im Zusammenhang mit dem Kampf der aufstrebenden Bourgeoisie gegen den Feudalismus wurde der Freiheitsbegriff durch die fortschrittlichen bürgerlichen Ideologen neu gefasst und weiterentwickelt. Freiheit als gesellschaftliche Forderung bedeutet für die fortschrittliche Bourgeoisie Beseitigung der feudalen Gesellschaftsordnung und Errichtung des kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln. Sie fand ihren philosophischen Ausdruck vorwiegend im mechanischen Determinismus, der jedoch die Behandlung des Freiheitsproblems einschloss. In der Philosophie SPINOTZAS (1632 – 1677) wird die Freiheit in ein dialektisches Verhältnis zur objektiven Notwendigkeit gesetzt: „Dass notwendige und frei zwei Gegensätze sind, scheint mir … unsinnig und vernunftwidrig … Ich nenne also ein Ding frei, wenn es nur aus der Notwendigkeit seiner Natur existiert und handelt; gezwungen aber, wenn es von einem andren Ding bestimmt wird, in einer gewissen bestimmten Weise zu existieren und zu handeln“ (Briefwechsel 228ff.). SPINOZA fasst den Freiheitsbegriff erstmalig als Einsicht in die objektive Notwendigkeit und lehnte die Verabsolutierung der Freiheit in Gott oder der menschlichen Willensfreiheit ab. Wille und Verstand sind ihm ein und dasselbe; die Freiheit wächst analog dem Wachstum der menschlichen Erkenntnis. Bei SPINOZA ist alles, einschließlich der Freiheit selbst, mechanisch determiniert, daher bleibt sein Freiheitsbegriff kontemplativ und schließt nicht die menschliche Praxis ein.
Für ROUSSEAU ist Freiheit das Attribut des menschlichen Naturzustandes und kommt nur dem Individuum zu. Diese Auffassung findet in der Französischen Revolution ihren Niederschlag in Artikel 4 der Erklärung der Menschenrechte von 1791: „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was keinem anderen schadet.“ Die Proklamierung der Freiheit der Persönlichkeit schließt die Freiheit, voll und uneingeschränkt über sein Privateigentum (an den Produktionsmitteln) zu verfügen, ein.
Die französischen Materialisten des 18. Jahrhunderts konkretisierten auf der Basis der Mechanik die Vorstellung von der objektiven Notwendigkeit, überwanden die Trennung von Materie und Bewegung (aufgefasst als rein mechanische Bewegung), verblieben aber bei der Auffassung einer mechanischen Determiniertheit alles Geschehens einschließlich der menschlichen Erkenntnis, was in der Konsequenz zum Fatalismus führen musste. Der mechanische Determinismus fand seine Krönung in der Hypothese von LAPLCE, nach der ein „Dämon“, der die Geschwindigkeit und den Ort eines jeden Teilchens im Universum zu einem gegebenen Zeitpunkt kennt, alle Ereignisse der unendlichen Bewegung voraussagen kann (Essai Philosophique sur les probabiliès 1,3).
Der metaphysische Charakter des mechanischen Determinismus wurde in der klassischen deutschen Philosophie einer Kritik unterzogen. KANT versuchte, mit seiner Auffassung der Freiheit den Fatalismus des mechanischen Determinismus zu durchbrechen. Allerdings gelang ihm das nur, indem er den Menschen gewissermaßen als Bürger zweiter Welten betrachtete, der natürlichen Welt der Erscheinungen und der intelligiblen Welt der Dinge an sich. Da in der natürlichen Welt der Erscheinungen durchgängige Kausalität herrscht, ist das Handeln des Menschen als Naturwesen kausal bestimmt, als Vernunftwesen (sittliches Wesen) hat der Mensch jedoch auch an der übersinnlichen intelligiblen Welt und damit auch an der Freiheit teil, die sich im Sittengesetz verkörpert /KdpV I, 1,3).
Bei FICHTE ist die Freiheit die schöpferische Aktivität des „Ich“, was zur Verabsolutierung der Freiheit führt. Da bei FICHTE das „Ich“ und das „Nicht-Ich“ identifiziert werden, erlangt die Freiheit das Primat über jede Notwendigkeit und wird zur absoluten Willensfreiheit.
Das Verdienst HEGELS in der Geschichte des Freiheitsbegriffs besteht darin, dass er die Freiheit als historische Kategorie fasst. Wie auch SPINOZA setzt HEGEL die Freiheit in eine dialektische Beziehung zur Notwendigkeit: „Eine Freiheit, die keine Notwendigkeit in sich hätte, und eine bloße Notwendigkeit ohne Freiheit, dies sind abstrakte und somit unwahre Bestimmungen. Die Freiheit ist wesentlich konkret, auf ewige Weise in sich bestimmt und somit zugleich notwendig“ (Werke 8,110f.). Bei HEGEL ist die Freiheit ein Attribut des „absoluten Geistes“. Sie kommt in der Entwicklung des menschlichen Geistes in zunehmendem Maße zum Bewusstsein ihrer selbst. „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ (Philosophie der Weltgeschichte, Einl).
Die Auffassung der Bourgeoisie über die Freiheit in der Epoche ihres Kampfes gegen den Feudalismus war progressiv, wenn auch belastet durch die Grenzen, die sich aus der Position der Bourgeoisie als Ausbeuterklasse notwendig ergaben. Mit der Entfaltung der ökonomischen und politischen Macht des Kapitalismus werden die Freiheitskonzeptionen der Ideologen des Bürgertums reaktionär. Die heutigen bürgerlichen Freiheitsauffassungen gehen ausdrücklich oder stillschweigend von einer Leugnung der objektiven Gesetzmäßigkeit in der Natur, der Gesellschaft und dem Bewusstsein aus. Sie sind in ihrer Konzeption durchweg idealistischen, vorwiegend subjektivistisch und in ihrer politischen Aussage mehr oder minder stark gegen den Marxismus-Leninismus gerichtet.
Die Ideologien der imperialistischen Bourgeoisie versucht, den Freiheitsbegriff seines konkreten historischen Inhalts zu entleeren, mit deren Hilfe die Illusionen über das imperialistische Gesellschaftssystem erzeugen und zugleich die sich entwickelnde reale Freiheit in der sozialistischen Gesellschaft verunglimpften. Eine kleinbürgerliche, pseudorevolutionäre Freiheitsutopie vertritt der Anarchismus, der in Wirtschaft und Politik die absolute Freiheit des Individuums durch die Abschaffung eines jeden Zwangs, vor allem des Staates, fordert.
Der marxistisch-leninistische Freiheitsbegriff bezieht sich auf das Verhältnis der Menschen zu der objektiven Notwendigkeit (objektive Gesetzmäßigkeit) in Natur und Gesellschaft. Er faßt das Verhältnis von Notwendigkeit und Freiheit als eine dialektische Relation auf und bestimmt die Freiheit als Erkenntnis der objektiven Notwendigkeit und bewusste Anwendung und Ausnutzung der erkannten Notwendigkeit in der gesellschaftlichen Praxis mit dem Ziel einer wachsenden Beherrschung der natürlichen und gesellschaftlichen Existenzbedingungen der Menschen. Wirkt die Notwendigkeit in allen Bereichen der objektiven Realität, so ist Freiheit eine speziell gesellschaftliche Kategorie und auf andere Bereiche nicht ausdehnbar. Als gesellschaftlich Kategorie schließt der Freiheitsbegriff das Problem der individuellen Freiheit in sich ein. Die persönliche Freiheit besteht jedoch nicht in der Unabhängigkeit von der Gesellschaft und deren gesetzmäßige Entwicklung, sondern in der realen Möglichkeit, die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten in und mit der Gesellschaft zu entfalten und zu bestätigen. Freiheit ist zugleich eine konkret-historische Kategorie; eine absolute, ewige Freiheit gibt es nicht. „Freiheit besteht also in der, auf Erkenntnis der Naturnotwendigkeiten gegründeten Herrschaft über uns selbst und über die äußere Natur; sie ist damit notwendig ein Produkt der geschichtlichen Entwicklung. Die ersten, sich vom Tierreich sondernden Menschen waren in allem Wesentlichen so unfrei wie die Tiere selbst; aber jeder Fortschritt in der Kultur war ein Schritt zur Freiheit“ (Marx/Engels 20, 106).
Der marxistische Freiheitsbegriff faßt die verschiedenen Aspekte der Kategorie Freiheit (ökonomische, politische, moralische, künstlerische u.a. Freiheit) in der philosophischen Definition zusammen und lehnt jede inhaltliche Aufspaltung des Freiheitsbegriffes in verschiedene getrennte Bereiche ab. In der dialektischen Relation zwischen Notwendigkeit und Freiheit ist die Notwendigkeit stets die Voraussetzung der Freiheit, da sie absolut wirkt. Solange sie durch die Menschen nicht erkannt ist, setzt sie sich ihnen gegenüber blind durch. Indem wir die Notwendigkeit erkennen und zweckvoll benutzen, indem wir das objektiv Notwendige wollen und entsprechend handeln, hört die Notwendigkeit auf, blind zu wirken, ist sie in der Freiheit aufgehoben, aufbewahrt und verwandelt sich in diesem Sinne in Freiheit, ohne indessen aufzuhören Notwendigkeit zu bleiben. „Die Notwendigkeit verschwindet nicht, indem sie Freiheit wird“ Lenin 38, 153). „Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen“ Marx/Engels 20, 106).
Die Entwicklung der Freiheit der Menschen ist ein geschichtlicher Prozeß, der nicht nur vom Grad der Erkenntnis der objektiven Gesetzmäßigkeiten in Natur und Gesellschaft, sondern ebenso von den gesellschaftlichen Verhältnissen, insbesondere vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse abhängt. In allen antagonistischen Klassengesellschaften kann sich die Freiheit nur in engen Schranken entwickeln. Der Hauptgrund hierfür ist, daß die gesellschaftliche Notwendigkeit sich als „bewusstlose und willenlos wirkende Macht“ (Engels) durchsetzt, weil die Menschen keine umfassende Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der Gesellschaft besitzen und ihre Entwicklung folglich nicht bewußt und planmäßig gestalten können. Da die gesellschaftliche Notwendigkeit sich blind, unerkannt durchsetzt, sind die Menschen im Hinblick auf ihre gesamtgesellschaftliche Entwicklung unfrei: Das Maß der individuellen Freiheit ist in der antagonistischen Klassengesellschaft für die Angehörigen der verschiedenen Klassen durchaus unterschiedlich, denn die Freiheit hat hier zugleich Klassencharakter. Die bürgerliche Freiheit ist vor allem die Freiheit der Bourgeoisie, der besitzenden und herrschenden Klasse, die Arbeiterklasse und andere Werktätige auszubeuten, zu beherrschen und ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zu befriedigen, während die Arbeiterklasse und die werktätigen Massen nur durch den ständigen organisierten Klassenkampf bestimmte bürgerliche Freiheiten erzwingen und bewahren können.
Erst mit dem Übergang zum Sozialismus als der ersten Entwicklungsphase der kommunistischen Gesellschaftsformation gewinnen die Menschen in wachsendem Maße die Möglichkeit, ihren gesamten gesellschaftlichen Lebensprozeß auf der Grundlage der erkannten und bewußt ausgenutzten Gesetzmäßigkeiten nach einem Gesamtplan und Gesamtwillen zu leisten und zu beherrschen. Die Voraussetzung hierfür ist nicht nur die Einsicht in die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern auch die Errichtung der politischen Macht der Arbeiterklasse, die Überführung der Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum, die Überwindung der früheren Klassenantagonismen und der planmäßigen Aufbau der sozialistischen Gesellschaft unter er Führung der marxistisch-leninistischen Partei. Damit gewinnt die Freiheit der Menschen eine neue Qualität und sprengt die engen Schranken, die ihr in der antagonistischen Klassengesellschaft gesetzt waren. „Die eigne Vergesellschaftung der Menschen, die ihnen bisher als von Natur und Gesellschaft oktroyiert gegenüberstand, wird jetzt ihre eigene freie Tat. Die objektiven, fremden Mächte, die bisher die Geschichte beherrschten, treten unter die Kontrolle der Menschen selbst. Erst von da an werden die Menschen ihre Geschichte mit Bewußtsein selbst machen, erst von da an werden die von ihnen in Bewegung gesetzten gesellschaftlichen Ursachen vorwiegend und in stets steigendem Maße auch die von ihnen gewollten Wirkungen haben. Es ist der Sprung aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit“ (Marx/Engels 20, 264).
Der Übergang zum Sozialismus schafft die Bedingungen für die weitere Entwicklung und Vertiefung der Freiheit der gesamten Gesellschaft wie auch der individuellen Freiheit aller Mitglieder der Gesellschaft. Das ist jedoch ein geschichtlicher Prozeß, der in dem Maße voranschreitet, wie die sozialistische Gesellschaft die realen Bedingungen für die Vertiefung der Freiheit durch ihre Arbeit in der Produktion, der Wissenschaft, der Kultur usw. schafft und erweitert. Da die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung mit den grundlegenden Interessen der Arbeiterklasse, der Klasse der Genossenschaftsbauern und der Intelligenz übereinstimmen, wird die erkannte und in programmatischen Zielsetzungen formulierte Notwendigkeit zur Grundlage des Gesamtwillens der sozialistischen Gesellschaft, die ihre eigene Entwicklung unter Führung der Partei der Arbeiterklasse bewußt und damit in Freiheit gestaltet. In diesem Prozeß erweitert und vertieft sich zugleich auch die individuelle Freiheit der Menschen. Die bewußte, aktive Teilnahme an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens in der sozialistischen Gesellschaft ist die wichtigste Triebkraft für die möglichst allseitige Entwicklung der sozialistischen Persönlichkeit und schafft ihr wachsende Möglichkeiten, ihre Interessen, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Neigungen in Übereinstimmung mit der Gesellschaft auszuprägen, zu betätigen und zu verwirklichen.
Mit der entwickelten sozialistischen Gesellschaft entsteht erstmals in der Geschichte der Menschheit eine Gemeinschaft, welche die freie Entfaltung der Persönlichkeit aller Menschen real ermöglicht und zugleich zur Voraussetzung ihrer Höherentwicklung zur kommunistischen Gesellschaft macht. Auch im Sozialismus besteht die individuelle Freiheit nicht in einer illusorischen Unabhängigkeit von der Gesellschaft, sondern kann sich nur in der aktiven und bewussten Teilnahme an der Entwicklung der Gesellschaft entfalten, denn die objektive Notwendigkeit bleibt immer die Basis der Freiheit. Freiheit der Persönlichkeit ist immer eingebettet in die Freiheit der Gemeinschaft. „Erst in der Gemeinschaft (mit Anderen hat jedes) Individuum die Mittel, seine Anlagen nach allen Seiten hin auszubilden; erst in der Gemeinschaft wird also die persönliche Freiheit möglich. In den bisherigen Surrogaten der Gemeinschaft, im Staat usw. existiert die persönliche Freiheit nur für die in den Verhältnissen der herrschenden Klasse entwickelten Individuen und nur, insofern sie Individuen dieser Klasse waren. Die scheinbare Gemeinschaft, zu der sich bisher die Individuen vereinigten, verselbstständigte sich stets ihnen gegenüber und war zugleich, da sie eine Vereinigung einer Klasse gegenüber einer anderen war, für die beherrschte Klasse nicht nur eine ganz illusorische Gemeinschaft, sondern auch eine neue Fessel. In der wirklichen Gemeinschaft erlangen die Individuen in und durch ihre Assoziation zugleich ihre Freiheit“ (Marx/Engels 3, 74).
Um die neue Qualität, die geschichtliche Dimension und die unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten der Freiheit unter den Bedingungen der kommunistischen Gesellschaftsformation zu charakterisieren, können wir den Sozialismus und Kommunismus gegenüber der bisherigen Menschheitsgeschichte als das Reich der Freiheit bezeichnen. Aber auch hier bleibt die Freiheit ein geschichtlicher Prozeß der Erweiterung und Vertiefung der Realen Herrschaft der Menschen über ihre Existenzbedingungen, in dessen Verlauf auch die persönliche Freiheit der Individuen wächst, ein Prozeß, in dem die erkannte geschichtliche Notwendigkeit immer mehr zur Basis wachsender Freiheit wird. Doch die Notwendigkeit bleibt immer bestehen, auch in der voll entfalteten kommunistischen Gesellschaft, und sie zwingt die Menschen zur Produktion materieller Güter, um ihre wachsenden Bedürfnisse zu befriedigen.
Gegenüber dieser Sphäre notwendiger Betätigung der Menschen, die auf die Befriedigung der Bedürfnisse gerichtet ist, gegenüber diesem „Reich der Notwendigkeit“ hat Marx die Sphäre freier Betätigung der Individuen, die auf den Menschen als Selbstzweck gerichtet ist, das „wahre Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rational regeln, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstages ist die Grundbedingung“ (Marx/Engels 25, 828). Die materielle Produktion, und damit das „Reich der Notwendigkeit“ bleibt auch in der kommunistischen Gesellschaft die Existenzbedingung des menschlichen Lebens. In diesem Reich der Notwendigkeit können die Menschen eine wachsende reale Freiheit gewinnen, indem sie die Produktion unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen und rationell regeln, d. h. indem sie ihre natürlichen und sozialen Existenzbedingungen immer umfassender beherrschen. Nur diese Erweiterung der Freiheit innerhalb des „Reichs der Notwendigkeit“ schafft die Bedingungen dafür, daß die Menschen die Grenzen dieses Reiches der Notwendigkeit überschreiten können, nämlich durch die Verkürzung der Arbeitszeit, die Erweiterung der Freizeit und die Vermehrung der Mittel für die Betätigung der Menschen als „Selbstzweck“. Die freie Betätigung der universell entwickelten Individuen außerhalb der Produktion, auf die Vervollkommnung des Menschen als Selbstzweck gerichtet, ist das wahre Reich der Freiheit, da hier die schöpferische Tätigkeit der Menschen nicht der Notwendigkeit unterliegt. Aber diese beiden Sphäre gesellschaftlicher Tätigkeit der Menschen in der kommunistischen Gesellschaft können nicht voneinander getrennt werden, denn die Produktion, das „Reich der Notwendigkeit“ bestimmt durch die Entwicklung der Produktivkräfte, wieviel freie Zeit die Individuen haben, welche materiellen Mittel dem „Reich der Freiheit“ zur Verfügung stehen und welche Möglichkeiten freier Selbstbetätigung zur Vervollkommnung der Menschen als Selbstzweck besteht.
Die Grundbedingungen für diese Entwicklung der Freiheit jenseits der Notwendigkeit ist eine bedeutende Verkürzung der Arbeitszeit, was ihrerseits eine enorme Entfaltung der Produktivkräfte voraussetzt. Der Sozialismus als erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation leitet diese Entwicklung ein und schafft mit der Erweiterung und Vertiefung der Freiheit auf der Basis der Notwendigkeit, mit der raschen Entwicklung der Produktivkräfte und der Entfaltung der sozialistischen Persönlichkeit der Werktätigen wesentliche Voraussetzungen für diese künftige, höhere Form der Freiheit.
Der moderne Revisionismus versucht diese MARXschen Anschauungen für seine Angriffe auf den real existierenden Sozialismus auszunutzen. Er kann das allerdings nur, indem er sie verfälscht, das „Reich der Freiheit“ der materiellen Produktion entgegensetzt und die illusorische Freiheit propagiert, die angeblich nicht auf der Entfaltung der Produktivkräfte der Gesellschaft beruht.
Das Problem der Willensfreiheit ist ein spezieller erkenntnistheoretischer Aspekt des marxistisch-leninistischen Freiheitsbegriffs. Der dialektische Materialismus geht davon aus, daß alle Erscheinungen, Dinge, Prozesse der Welt einschließlich des Bewusstseins als Funktion der höchstentwickelten Materie, des Gehirns, determiniert sind, lehnt jedoch die mechanische Fassung der Determiniertheit ab. Der Wille als Erscheinung des Bewusstseins fällt aus der universellen Determiniertheit nicht heraus. „Freiheit des Willens heißt daher nichts anderes als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können. Je freier also das Urteil eines Menschen in Beziehung auf einen bestimmten Fragepunkt ist, mit desto größerer Notwendigkeit wird der Inhalt dieses Urteils bestimmt sein; während die auf Unkenntnis beruhende Unsicherheit, die zwischen vielen verschiedenen und widersprechenden Entscheidungsmöglichkeiten scheinbar willkürlich zählt, eben dadurch ihre Unfreiheit beweist, ihr Beherrschtsein von dem Gegenstande, den sie gerade beherrschen soll“ (Marx/Engels 20, 106).
In der bürgerlichen Philosophie wird die Willensfreiheit als Erscheinungsform für prinzipiell mehrere, verschiedene, oft abstrakt verstandene Möglichkeiten gefaßt. Die Freiheit des Willens wird erkenntnistheoretisch aus der angeblichen Indeterminiertheit des Willens begründet. Zugleich wird von dieser Grundlage her in der gegenwärtigen bürgerlichen Ideologie versucht, das ganze Problem der Freiheit auf die Willensfreiheit zu reduzieren, d. h. auf die abstrakte Möglichkeit, zwischen verschiedenen Zufälligkeiten zu wählen.
Philosophisches Wörterbuch 1.
VEB Bibliographisches Institut – Leipzig – 1975 Seite 422 - 427
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