Zwei
Versuche sich mit einer Ausstellung auseinanderzusetzen. Der erste Versuch
wurde gestern geschrieben, der zweite heute:
1.) Die
Welten der Unterordnung, beschränkt und altbacken kommt sie daher, in einer
Ausstellung, welche sich zurzeit in der
Blasiikirche in Quedlinburg findet und
unter dem Titel „Unter Ordnung“ zu sehen ist. Die
MZ
wartet mit einem Bericht auf und die Reaktionen im Gästebuch der Kirche zeugen
von einem gespaltenen Verhältnis der Besucher zur Ausstellung. Letzteres ist
nicht schlecht, sorgt diese Ausstellung doch für Pollarisierung, wobei die
Gründe des für und wieder sehr verschieden sein können und es auch sind. In der
Kirche liegen einige Materialien zur Ausstellung aus, wobei diese Ausstellung
durchaus erklärungsbedürftig ist.
Über dem Kirchengestühl hängen an Leinen Seiten
aus der Bibel, festgeklammert mit Wäscheklammern und im Chorraum vor dem Altar
stehen alte Trichterlautsprecher aus der DDR, aus welchen Marschschritte und
ein Lied zu hören sind. Flieg Maikäfer flieg, was schon allein aus dem Grund
nicht angebracht ist, weil die DDR der bis jetzt einzige Stadt auf deutschem
Boden war, welcher keinen Krieg geführt hat, keine anderen Völker überfallen
und eine offensive Friedenspolitik betrieb.
Zur Ausstellung findet sich eine Schrift, vier
DinA4 Seiten, überschrieben mit „
Zur
Eröffnung der Ausstellung“, welche mitgenommen werden kann, letztlich sich
aber als ein Werk ausgeprägten
Irrationalismus entpuppt. Schwarz und Weiß,
Gut und Böse als die Antipoden nicht nur vergangenen Seins wird hofiert und führen
zu mittelalterlichen Denkansätzen zurück. Der Hexenhammer wird zwar nicht
zitiert, dafür aber der Fernseh- und Modephilosoph Sloderdijk. Der Anspruch
wird hoch gedeutet und so ist zu lesen:
„Die
Doppelinstallation formuliert also nichts Geringeres als eine Metapher auf die allgemeine
Existenzbedingung – sind doch auch wir (das Ausstellungspublikum) gleichfalls
eingespannt zwischen Oben und Unten, zwischen Himmel und Hölle, zwischen die
konkurrierenden Weltdeutungsmodelle und sonstige Versprechungen von Politik und
Religion.“ Wo allerdings das praktische Leben der Menschen zwischen den
verschiedensten „
Weltdeutungsmodellen“
bleibt, bleibt offen und so ziehe ich dann doch Marx mit seiner 11
Feuerbachthese
„Die Philosophen haben die
Welt nur verschieden interpretiert;
es kommt aber darauf an, sie zu verändern,
“ vor.
Ja die Lautsprecher als Verkündungsorgan, die
festgeklammerten Blätter an der Decke kommen da schon etwas ruhiger daher,
setzen aber die Fähigkeit des Lesens voraus, ohne allerdings gelesen werden zu
können, suggerieren Bildung als Gegenpol zum beschalt werden. Illusionen
verinnerlichend, wird die Gegenwart ausgeklammert, der Schein erweckt, dass
Massenmanipulation der Vergangenheit angehört und es diese nur in der vor- und
nachbürgerlichen Gesellschaft gab. Aber nicht nur hier werden die eigentlichen
Verhältnisse auf den Kopf gestellt, in dem den Adressaten der Bibeltexte
unterstellt wird, der Schriftsprache mächtig zu sein und den Beschalten in der
DDR diese Fähigkeit indirekt abgesprochen wird, obwohl bekannt sein dürfte,
dass die DDR über ein beispielhaftes Bildungssystem verfügte und die Menschen
auf eine hohe Allgemeinbildung zurückgreifen konnten. Die Texte der Bibel
hingegen wurden in erster Linie gepredigt, wobei die Zuhörer im ausgehenden
Mittelalter und zum Beginn der Neuzeit meistens Analphabeten waren.
Dem Schreiber des Textes stört, dass die
Erinnerung an die DDR bei vielen Menschen wach ist, unterstellt dieses aber
einem Sein unter Manipulation und nicht den realen Lebensbedingungen der
Menschen, den Erfahrungen welche gemacht und den Erkenntnissen welche im
Nachhinein gewonnen wurden. Selbst Brecht wird bemüht, versucht gegen Brecht
zu verwenden und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert.
Und doch hat diese Ausstellung
etwas bewegendes, wenn sie in Raum und Zeit betrachtet wird, im Raum der
Ausstellung, mit seinen Barocken Priechen und Ständen und in der Zeit, in
welcher sie stattfindet, wo die Massenmanipulation allgegenwärtig ist und nicht
nur altbackene Lautsprecher, oder beschriebenes Papier dieser dienen, sondern
auch Rundfunk, Fernsehen, Internet und wo die Macht der Medien als die vierte
Gewallt gefeiert wird. Aber der Manipulation hat auch die Kunst zu dienen, denn
auch Kunst ist Ideologie, besonders gefördert wen sie zur Verklärung von
Geschichte und zur Mythenbildung dienlich ist! Letztlich ist das Kunstwerk, wie
auch erwähnte begleitende Schrift eine Kopfgeburt, welche die Beschäftigung mit
dem Leben der Menschen vorgibt, an ihm angelehnt, aber ihm in keinem Falle
gerecht wird.
Nun ja, diese Ausstellung in der Blasiikiche hat
doch etwas Bezeichnendes, eher ungewollt, der Einrichtung geschuldet. Die
Stände im unterem Bereich, entsprechend der Ständeordnung des Mittelalters,
werden von den Blättern überdeckt, ihnen stehen die Lautsprecher frontal
gegenüber, die Stände oberhalb, schauen auf diese hinab, sie sind über der
Installation, diese als Mittel zum Zweck gebrauchend, die darunter sich
befindlichen beherrschend, unter Umständen auch weil ihnen die Worte auf den
Zetteln nicht zugänglich sind.
Noch ein Zitat aus dem begleitenden Text: „Das Wort – so oder so übermittelt –
transformiert also die Adressaten zum Bestandteil des jeweiligen Systems, das
einen Warnaufdruck nötig hat: Wer hinhört, hat verloren, wer liest, wird
eingewickelt, wer sich auf das System einlässt, wird von ihm absorbiert. Hören
- und nicht glauben, lesen – und besser nicht handeln, wären somit eine
denkbare Maxime, eine mögliche Folgerung aus dem hier dargelegten
künstlerischen Tatbestand.“ Also leget die Hände in den Schoss, verblödet,
setzt euch nicht auseinander und verzichtet auf die verändernde Tat!
Das Wort übrigens transformiert nicht, mit dem
Wort lässt sich höchstens Transformation ausdrücken, dabei sind die Adressaten
in jedem Fall Bestandteil des jeweiligen Systems, es wird ihnen kaum möglich
sein außerhalb des Systems zu stehen. Es lohnt auch über den vermeidlichen „Warnaufdruck“ nachzudenken, welcher
letztlich zu Ignoranz, Analphabetentum und Leugnung bestehender Verhältnisse
animiert. Denn nur wenn ich höre, erfahre ich, denn nur wenn ich lese, lerne
ich, denn nur wenn ich mir der Umstände bewusst bin in denen ich lebe, kann ich
erkennen und verändern.
Aber was ist schon Kunst?
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