Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Die Welten der Unterordnung – Gedanken zu einer Ausstellung – zwei

2.)        In der Blasiikirche in Quedlinburg findet sich eine Ausstellung von Josefh Delleg, sie ist Überschrieben mit „Unter Ordnung“! Die Blasiikirche, eigentlich geprägt von schlichten norddeutschen Barock, insbesondere durch das Kirchengestühl aus dem beginnenden 18 Jahrhundert, wird nun auch noch geprägt von schlichtem neuzeitlichen und von Vorurteilen geprägten, Kleesches bedienenden Denken!
Lautsprecher sollen Unterordnung unter das gesprochene Wort symbolisieren, Zettel die Unterordnung unter das geschriebene Wort und wortwörtlich wird die Gegenwart in diesem, unserem Land ausgeklammert, ... nein sie findet sich zum Teil zwischen den Exponaten. Das eine Medium findet sich maximal auf Augenhöhe, bei näherer Betrachtung im Bereich der Füße, das andere Medium über den Häuptern der Besucher, sofern diese nicht die Emporen erklimmen. Das Wort soll stehen für Unterordnung, nur wird der Mensch, wenn er denn geordnet, wenn er untergeordnet wird, dem Worte untergeordnet? Nein, das Wort ist Mittel zum Zweck, die Sprache ist Instrument zur Verständigung, sie ist ein verbindendes Glied, welches dem Austausch dient.
Die Ausstellung wird diesem allerdings nicht gerecht, die Vielschichtigkeit und Einsatzmöglichkeiten von Sprache werden beschränkt auf das Unterordnen von Menschen unter Menschen. Dabei hat sie zu jeder Zeit nicht nur unterordnende Bedeutung, sondern in erster Linie ordnende Bedeutung. Die Sprache ein Instrument der Ordnung und Verständigung! Um aber auch diesem Ansatz gerecht zu werden, bleibt zu fragen, in wessen Interesse geordnet wird? Denn letztlich stehen hinter jeder Ordnung, auch unterordnende Bestrebungen gehören dazu, praktische menschliche Interessen und keine ideell motivierten, wie oft suggeriert. Es sind nicht irgendwelche „Weltdeutungsmodelle“ -(diesen Begriff habe ich der Schrift „zur Eröffnung der Ausstellung“ entnommen)- welche animieren zur Tat, sondern es ist die Tat, menschlichem Interesse geschuldet, welche sich „Weltdeutungsmodelle“ schafft um sich selbst zu legitimieren. Gesellschaftliche Veränderungen werden nicht mittels „Weltdeutungsmodellen“ gezeugt, sondern mittels der praktischen, die Gesellschaft verändernden Tat, „Weltdeutungsmodelle“ taugen maximal dem Erhalt bestehender Verhältnisse, sie sind dem Glauben näher, als dem Wissen und so schwebt der in Schrift manifestierte Glaube in der Ausstellung über den Köpfen der Menschen.
Sich nun „alte“ Kommunikationsmittel zu nehmen, diese in einen Raum zu platzieren, ist letztlich nur der hilflose Versuch ein Thema zu greifen, welches selbst in seiner Einfachheit wesentlich komplexer ist, als in der Ausstellung gegenübergestellt. Dabei ist die Anordnung durchaus bezeichnend, sind die Lautsprecher doch konkret und in Funktion auf Augenhöhe und in greifbarer Nähe des Menschen, findet sich die Schrift in einem Abstand zu diesem, welcher es unmöglich macht sie zu lesen. So hat der Künstler, unterstellter Weise unbewusst, für unterschiedliche Lebensnähe gesorgt. Mit dem einen kann umgegangen, dass andere praktischerweise aber nicht genutzt werden. Was ist Menschen wohl näher? Das eine, in der Ferne, abgehoben, dem Zugriff des Menschen entrückt, den Blick auf das darüber befindliche verschleiernd und so Illusionen nährend, dass andere allgegenwärtig und greifbar! Zwischen diesen beiden Polen findet sich der Mensch des jetzt und heute, die Vergangenheit entrückt, nicht greifbar, nicht lesbar, eine andere Vergangenheit, greifbar, hörbar, der Modernität nicht entsprechend,  verfremdet, entstellt, ursächlich aber in die Zukunft weisend, weil dem Menschen nicht entrückt.
Unterordnung, Manipulation, wie sieht es heute damit aus? Und hatten diese alten Lautsprecher nicht schon in der DDR ausgedient, so dienten sie nicht der Verkündigung, aber der Information, der Nachrichtenverbreitung, wobei die Adressaten Lesen und Schreiben konnten, ja ihnen sogar ein beispielhaftes Bildungssystem zur Verfügung stand! Und wie verhält es sich mit der Schrift, mussten die Menschen nicht erst lesen können, was eine bestimmte Bildung voraussetzte, um sich ihren Inhalt zu erschließen? Wurde diese Schrift nicht gepredigt, von Menschen und warum und das lange gegenüber Menschen, welche nicht selbst lesen und schreiben konnten?

Sprachrohre waren und sind unterschiedlich in der Zeit, sie entsprechen aber immer der Produktivkraftentwicklung ihrer Zeit, so war es lange der Mensch, welcher selbst und direkt vermittelt und so ist es heute immer noch der Mensch, welcher vermittelt, nur oft nicht mehr direkt, sondern mit Hilfe der ihm zur Verfügung stehenden Technik. Heute ist es nicht mehr der Priester von der Kanzel, heute sind es nicht mehr die Lautsprecher an Strom- und anderen Masten in den Städten und Dörfern, heute sind es Zeitungen, Fernseher, Radios, welche dem selben Zweck zu dienen haben wie einst die Predigt und das Beschallen ganzer Ortschaften. Nicht zu vergessen das Internet, mit seinen vielschichtigen Nutzungsmöglichkeiten.
Ja Kunst und Ideologie, Kunst ist Ideologie und so tritt sie in dieser Ausstellung auch den Menschen gegenüber. Denn was sagt die Installation dem Besucher, die Beschreibung nicht negierend, hier geht es um Manipulation, mit den Texten aus der Bibel wurden Menschen manipuliert und auch die Lautsprecher aus längst vergangenen Tagen hatten in der DDR ihren Zweck zu erfüllen, das böse Mittelalter, die böse DDR und die schöne heile Welt des freiheitlichen, manipulationsfreien Leben der Menschen hier und heute, denn jeder kann ja selbst entscheiden, ob er sich manipulieren lässt oder nicht! Oder?  

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