In der SZ fand sich vor Tagen ein Beitrag, ein Gastbeitrag, auf welchen ich auf der Seite
Kritische Massen aufmerksam wurde. Dieser Beitrag ist überschrieben:
„Thesen gegen die Ausplünderung der Gesellschaft "Kapitalismus braucht keine Demokratie"“, letzteres ohne Satzzeichen. Ein Ausrufezeichen, oder auch Fragezeichen, zumindest einen Punkt hätte ich der Überschrift schon gewünscht. Braucht nun Kapitalismus Demokratie oder nicht? Zumindest wäre die Einordnung etwas leichter gewesen, gerade weil der Text eine Antwort diesbezüglich schuldig bleibt. Wäre die Überschrift mit einem Fragezeichen versehen, was durchaus berechtigt ist, könnte klar mit ja geantwortet werden, der Kapitalismus kommt auch ganz gut mit einer
Diktatur zurecht, was er oft genug bewiesen hat und von bestimmten Kräften des Kapitals gegenwärtig auch wieder angestrebt wird. Somit könnte eindeutig ein Ausrufungszeichen hinter der Überschrift stehen! Ja, Kapitalismus braucht keine Demokratie und schon gar nicht wenn nützlichere Alternativen erforderlich sind!
Wenn der Text nun gelesen wird, so kann festgestellt werden, dass es sich um eine Form seichter Kapitalismuskritik handelt, in welcher der tiefere Sinn anscheint darin besteht, die Knöchel nicht nass werden zu lassen und das, obwohl das Wasser schon lange keinen Stand auf festen Grund mehr zulässt. So wird dann auch in den Fluten seichter Kritik herumgerudert, kleeschehaft versucht Illusionen zu erhalten und zu nähren.
Bevor es zum eigentlichen Text geht, ist dann noch zu lesen: „Wahnsinn als Selbstverständlichkeit: Seit Jahren ist es offensichtlich, dass die Demokratie ruiniert wird und der Sozialstaat zerfällt. Privatisierte Gewinne und sozialisierte Verluste sind zur Selbstverständlichkeit verkommen. 13 Gründe, sich selbst wieder ernst zu nehmen.“ Und einmal davon abgesehen, ob wirklich 13 Gründe, mehr oder weniger gebraucht werden um sich ernst zu nehmen und oben noch von Thesen geschrieben wurde, wird hier eine Selbstverständlichkeit für das System des Kapitals relativiert, in dem es als Ausnahme, oder Spitze des Eisberges, als verkommen dargestellt wird.
Zu den Thesen, oder „Gründen, sich selbst wieder ernst zu nehmen“, sind mir einige Gedanken gekommen:
Herr Schulze ist so alt wie ich und wenn er in der DDR groß geworden, zur Schule gegangen und gelebt hat, dürfte er all das gelernt haben, über was er sich heute aufregt. Eines kann ihm zugute gehalten werden, was sicher seine Illusionen beförderte, es handelte sich um theoretisches Wissen, welches auf Grund mangelnder praktischer Erfahrungsmöglichkeiten, zum Glauben mutierte. Das ist aber ein anderes Problem und selbst wenn praktisches Leben zu denken gibt, Erinnerung an einst gelerntes muss nicht zwangsläufig aufkommen. Und so stand ein Glaube gegen einen anderen und dem anderen Glauben wurde nachgegeben, in der Hoffnung er könnte besser sein, als der ursprünglich vermittelte und Wissen werden. Der erste Glaube aus Wissen entstanden, der zweite hingegen ist Glaube geblieben!
Das Kapitalismuskritik heute durchaus Salonfähig ist, verwundert wenig und ist alles andere als neu, war in der Vergangenheit, gerade im Zuge großer Krisen, eigentlich immer der Fall und was liegt schon näher, wenn sich Widersprüche in der Gesellschaft zuspitzen, die Meinungsführerschaft auch unter den Kritikern zu übernehmen, bevor dieses andere tun und Einfluss auf Kritik verloren geht?
Zu den Thesen/Gründen:
1.) Dabei hat dieser Herr sicher in der DDR auch etwas über
Demokratie gelernt, gerade auch über deren Klassencharakter, anscheinend hindert dieses aber nicht daran, Demokratie in ihrer allgemeinen bürgerlichen Verklärtheit zu betrachten.
2.) Von der Erscheinung zum Wesen, auch etwas, was zumindest an den Schulen der DDR eine Rolle spielte, gelingt dem Herrn heute noch nicht! Oder nicht mehr? Von den Forderrungen an den Staat und was ist der
Staat (hat er auch gelernt)? Vergessen und verklärt werden Illusionen gepflegt, dabei hat der Staat nicht die Märkte zu beruhigen, sondern die Menschen, damit diese gegen die Willkür der Märkte nicht anfangen ernsthaft zu opponieren. Was und welche Interessen hinter den Märkten stehen, wird durch die Bewertung des Marktes erst einmal verschüttet.
3.) Weil Frau Merkel hier Recht hat und somit selbst das allgemeine Gefasel von Demokratie in die Ecke stellt! Aber anstatt dieses zu nutzen, wird die allgemein verklärte und angeblich unabhängige Demokratie eingefordert.
4.) Logisch, wenn Demokratie nicht als Herrschaftsinstrument gesehen, sondern als allgemein selig, über den gesellschaftlichen Verhältnissen stehende, nicht diesen entspringende Regierungsform betrachtet wird. Demokratie ist ein Instrument des Interessenausgleichs, nur wessen Interessen werden mittels Demokratie ausgeglichen, wenn nicht die Interessen innerhalb der herrschenden Klasse selbst. Verwundern sollte in diesem Zusammenhang aber nicht, dass die eine oder andere Fraktion des Kapitals durchaus danach strebt, die Macht ganz zu übernehmen. Bestrebungen dahingehend gibt es durchaus, am zunehmenden Abbau demokratischer Rechte ist dieses zu erkennen und das Ergebnis dieses Strebens nennt sich kurz und knapp
Diktatur!
5.) Nun wer Illusionen pflegt, dem
Irrationalismus Zucker gibt, bracht sich darüber eigentlich nicht zu wundern.
6.) Gut erkannt und nun?
Aber auch die beschriebenen Folgen, hätten einen Ostgeborenen und gelebten nicht unbekannt sein dürfen, zumindest hätte in Folge der Privatisierungsorgien nach 1989 Ernüchterung über die genannte Vorstellungen einkehren müssen. Naiv ist aber auch anzunehmen, dass die „neuen“ Herren etwas positiv betrachten würden, was nicht in ihrem eignem Interesse war, ist und sein wird?
7.) Das Dogma vom Wachstum im kapitalistischem System, auch darüber gab es etwas zu lernen, auch über das warum, wieso, weshalb. Gar von Gesetzmäßigkeit innerhalb gesellschaftlichen Seins war die Rede, aber auch von der Anarchie kapitalistischen Wirtschaftens und deren Folgen.
8.) Nun, da hat der Autor nicht einmal so unrecht, was die Sprache betrifft und die Folgen politischen Seins, allein die Hintergründe bleiben im Dunkel. Wobei auch in diesem Zusammenhang DDR und BRD nicht gleichgesetzt werden können, obwohl es im Zuge gesellschaftlichen Krisen durchaus Vorboten für Veränderung gibt und gerade Krisen ihren Niederschlag nicht nur in der Kunst finden. In jedem Fall gilt es die hinter dem Handeln verborgenen Interessen zu erkennen, was zwar in der DDR zu lernen war, aber beim Autor keine Rolle spielt, selbst wenn er geneigt ist Fragen zu stellen.
Aber zumindest nicht schlecht, wenn der Glaube an die
Politik ins wanken gerät, besser noch wenn dieses dazu führen würde über Politik nachzudenken, deren Ursache und Funktion zu ergründen, da könnte es durchaus interessant werden.
9.) Fragen, welche nicht gern gehört werden und auf denen auch nicht geantwortet werden soll, sind sicher „unfein“, was nur nicht daran hindern sollte sie trotzdem zu stellen. Aber nicht die erwähnten Fragen werden ernsthaft gestellt, sondern nur Folgen konstatiert, in erster Linie die klaffende Schere zwischen arm und reich. Dabei hilft konstatieren nicht unbedingt weiter, außer das gelegentlich das Denken der Menschen in eine andere Richtung gelenkt wird, nicht auf die Ursachen, sondern auf die Folgen. Das in diesem Zusammenhang Parolen des Kapitals aus der Vergangenheit, welche heute eh ihre Wirkung verloren haben, konstatiert werden, ist der Ablenkung sicher dienlich. Hier werden Erkenntnisse vermittelt, zu welchen die letzte „Dumpfbacke“ heute schon selbst gekommen sein müsste.
10.) Und Schuld sind die Volksvertreter, ein Begriff welcher in der DDR, im Gegensatz zur BRD, durchaus seine Berechtigung hatte. Aber sind diese Damen und Herren wirklich schuld und wessen Interesse haben sie zu vertreten? Ja, in wessen Interesse wurden die erwähnten Steuern geändert, wem nutzt es? Dem Geringverdiener oder prekär Beschäftigten sicher nicht, auch nicht jenen, welche Durchschnitt verdienen, oder etwas darüber.
Letztlich können Illusionen nichts Möglich machen, aber ablenken und verschleiern schon, wobei gerade an Schulen in der DDR gelehrt wurde, was Politik ist, welche Interessen mittels Politik verwirklicht werden und auch das Demokratie ein Form der Herrschaft ist und keine allselig machende Einrichtung.
Nun ja, zumindest wird ein Schuldiger präsentiert und das ohne die eigentlichen Ursachen zu benennen. Die Abgeordneten sind schuld, sie haben beschlossen, sicherlich ihrem Gutdünken folgend. Wie schön kann doch das Leben sein, es müsste doch eigentlich nur anders beschlossen werden und die Welt würde sich zum besseren wenden, da alles was Politiker beschließen auch ohne Probleme durchgesetzt werden kann! Welch Illusionist!
11.) Und so lebe der Illusionismus, den einen wird genommen um den anderen zu geben, das dabei der Teufel auf den größten Haufen scheißt, ist eine altbekannte Wahrheit, aber nur wenn an den Teufel geglaubt wird! Und der Glaube ist bekanntlich des Menschen Himmelreich, soll sogar Berge versetzen können, aber nur vermittels menschlicher Tat, diese spielt aber anscheint nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig der Glaube ist stark genug, dem kann sogar ehemals errungenes Wissen geopfert werden! Und auch der zitierte Altvater berücksichtigt nicht, das der Umverteilung, immer die Verteilung voraus geht, taugt nicht einmal als Autoritätsbeweis!
12.) Ja, der Gegensatz zwischen Ost und West, wurde dem Autor sicher nicht verkauft, das Bildungssystem in der DDR war kostenfrei, er musste nicht dafür zahlen, aber seiner Logik entsprechend ist anscheint nichts wert, was nichts kostet! Aus diesem Grund hat er nicht mitbekommen, worin der Unterschied zwischen Ost und West bestanden hat und wo heute der Unterschied zwischen einzelnen Staaten liegt. Der Gegensatz zwischen Ost und West war der zwischen zwei verschiedenen, sich feindlich gegenüberstehenden gesellschaftlichen Systemen, dem Sozialismus und dem Kapitalismus, der Gegensatz zwischen Staaten in Europa heute, ist der zwischen kapitalistischen Staaten. Wobei gerade die Bundesrepublik daran arbeitet ihre hegemoniale Stellung in Europa zu verfestigen und auszubauen und andere Staaten darunter zu leiden haben.
Die Erfahrung des Autors ist dabei durchaus bezeichnet, den Völkern wird wieder einmal eingeredet, dass sie gegen andere Völker stehen und das in ihrem Interesse sei, ohne die den eigentlichen Widerspruch begründenden Kapitalinteressen überhaupt in Erwägung zu ziehen, sonder nur ein Oben und Unten zu konstatieren. Nur wer ist oben und wer ist unten und vor allem warum?
13.) Und was ist nun Demokratie? Wie schon geschrieben, über eine allgemein eingeschränkte, umfassend verklärende Vorstellungen und Illusionen kommt der Autor nicht hinaus. Und was ist der Staat, ist der Staat gleich Demokratie, ist der Staat überhaupt demokratisch? Eine durchaus berechtigte Frage, welche hier aber zu weit führen würde. Dabei wird der Staat durchaus bei Bedarf in die Mechanismen eingreifen, immerhin ist er dafür da, welche als Ursachen, als Mängel, Defizite etc. erkannt werden, manchmal zwar nur zum Schein und zur Beruhigung der Massen, aber auch real, mit entsprechenden, aber durchaus beschränkten Folgen für die betreffenden Kräfte des Kapitals, um letztlich zu versuchen das System vermeidlicher Weise zu retten, aber immer konsequent und restriktiv gegen die Interessen der Mehrheit.
Gelegentlich passier so etwas schon, das Kapitalinteressen, Kapitalinteressen geopfert werden, wenn keine anderen Möglichkeiten mehr gesehen werden und das auch ohne Fragen zu stellen. Letztlich sind aber immer die Interessen entscheidend, welche hinter politischen Entscheidungen stehen und die Kräfte des Kapitals sind alles andere, aber keine homogene Masse. Dem Kapitalismus kann ein Vorwurf nicht gemacht werden, dass er Kapitalismus ist und entsprechend, auch wenn nicht erkannt und unbewusst, objektiver Gesetzmäßigkeiten agiert, ja agieren muss. Ob der Autor sich noch daran erinnert, dass es solche objektiven Gesetzmäßigkeiten gibt, ist fraglich und der Text lässt nicht darauf schließen. In den Schulen der DDR war davon zu erfahren, aber das war ja „nur“ ideologisch und so wird, ideologisch, wie auch sonst, die Illusion von einer allselig machenden Demokratie genährt und das Märchen von der Reformierbarkeit des kapitalistischen Systems erzählt. Dabei soll es allein schon Reformierbar sein, weil es Kritik ausgesetzt wird und diese sogar verträgt!
An dieser Stelle sein nun Schluss, weil einmal Schluss sein muss, das Ende ist hingegen noch lange nicht erreicht!
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