Im folgenden ein Text von Ernst Wimmer, welchen ich mit Vorwort von Sepp
Aigner von dessen Seite übernehme. Meines Erachtens enthält der Text
wesentlich mehr, als „nur“ der Überschrift zum Vorwort und Text zu
entnehmen ist. Grundsätzlich werden wichtige Punkte kommunistischer
Bewegtheit angesprochen. Gerade die Aussagen zu Hegemonie, zur führenden
Rolle der Partei der Arbeiterklasse und zum dritten Weg sind
beachtenswert und hochaktuell. Er zeigt auch, wie komplex Klassenkampf
ist und bei aller objektiven Bedingtheit es auf das bewusste,
zielorientierte Handeln der Menschen ankommt. Hier nun der Text mit Vorwort von Sepp Aigner und entsprechenden Quellenverweisen:
Gramsci und die Revolution
Von Ernst Wimmer
Je
tiefer die Krise des Kapitalismus, je erbitterter und komplizierter der
ideologische Kampf, je stärker Versuchungen zu „dritten Wegen”, Umwegen
und Ausflüchten, desto häufiger werden — ganz verlässlich — auch
Versuche, hervorragende Revolutionäre irgendwie noch als „Zeugen” gegen
ihre revolutionäre Sache zu zitieren. Freilich meist, indem man sie
lediglich mit ein paar Sätzen zu Wort kommen lässt, diese gegen ein
Lebenswerk kehrt und alles andere, dabei Störende, nach Kräften
unterschlägt oder entstellt. Schon klassisches Beispiel dafür ist die
Legende um Rosa Luxemburg. Erbitterte Gegner jeder sozialistischen
Umwälzung, die ihren Vorteil in den Kittelfalten des Kapitals suchen und
anderen davon Geborgenheit versprechen, sind heute erst recht bemüht,
Rosa als Skeptikerin gegenüber der Arbeitermacht hinzustellen, obgleich
sie vor 60 Jahren gerade deshalb ermordet wurde, weil sie ohne Schwanken
zielstrebig für die Errichtung der Arbeitermacht eintrat, den Kampf,
die dafür nötige Partei organisierte. Ähnliches wird nun, wenn auch aus
verschiedenen Motiven, mit verschiedenen Mitteln schon seit geraumer
Zeit mit Antonio Gramsci versucht. Mit jenem Gramsci, dessen Leben in
den Kerkern des Mussolini-Faschismus vorsätzlich zerstört wurde, weil
man seine Unbeugsamkeit als Revolutionär kannte und fürchtete. („Wir
müssen dieses Hirn 20 Jahre am Denken hindern”, sagte der faschistische
Staatsanwalt unverblümt vor dem Gericht, das gehorsam Gramsci zu 20
Jahren Kerker verurteilte.)
Die
Flut von Büchern, Monographien und Artikeln, die in den letzten Jahren
über Gramsci erschien, hat Österreich nur mit Ausläufern erreicht. Mit
der „Tendenzwende” auch in unserem Land, mit einer verstärkten Suche
nach einer gesellschaftspolitischen Alternative, welche die absolute
SP-Mehrheit nicht gebracht hat, wird sich auch dies ändern. Denn die
Mehrzahl dieser Publikationen wurde weniger mit der Absicht verfasst,
Probleme wiederzugeben, zeitbezogen zu untersuchen, die Gramsci
beschäftigt hatten, als mit dem Vorsatz, ihn einmal für dieses, ein
andermal für jenes, oft völlig Unvereinbares zu reklamieren.
Gramscis „Gefängnisschriften”
Dem
strapazierten Leser wollen wir eine Aufzählung all dessen ersparen,
wofür Gramsci schon bemüht worden ist. Aber eine kurze Skizze sind wir
schuldig. Einmal wird er zum „letzten großen Repräsentanten der
radikal-demokratischen Tradition Italiens” verharmlost, ein andermal in
die Nachbarschaft des Vaters des Revisionismus, Bernstein, gerückt, ja
gar als dessen „Systematisierer” gelobt, um desto besser verleumden zu
können. Einmal will man bei ihm eine Geistesverwandtschaft mit „dem”
Austromarxismus entdecken (als ob es je einen einheitlichen gegeben
hätte), ein andermal die „Vaterschaft des Eurokommunismus”, eines
„völlig neuen dritten Weges”. Ob man ihn — den unbändigen, weil
nüchternen revolutionären Optimisten, den Verkünder der
Unentbehrlichkeit der Kultur für die Revolution — mit dem
Kulturpessimismus Adornos oder Marcuses zusammenpendeln will oder als
hochbegabten, aber zufällig in die Politik verschlagenen Philologen oder
Philosophen präsentiert: All das hat ungeachtet der Unterschiedlichkeit
der Motive letztlich den nämlichen Zweck: den Leninisten Gramsci in
Gegensatz zum Leninismus, zur Kommunistischen Internationale zu bringen,
zu deren markantesten Vertretern er zählte.