Irrationalismus (lat.): philosophische
Anschauung, die das wissenschaftliche Denken für unfähig hält, die
Gesetzmäßigkeiten, wesentlichen Eigenschaften und kausalen
Zusammenhängen der objektiven Realität zu erkennen, und diese Aufgabe
angeblich höheren Erkenntnisweisen, wie Intuition, Wesensschau, Erleben
usw., zuschreiben. Da diese Erkenntnisfunktionen nicht allen Menschen
zugänglich sein sollen, besitzen die irrationalistischen
Erkenntnistheorien einen aristokratischen Charakter; sie sind nicht nur
in wissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch ihrer sozialen Funktion
nach reaktionär.
Im gewissen Grade waren alle
vormarxistischen Weltanschauungen von Elementen des Irrationalismus
durchsetzt, weil sie annahmen, dass es Gebiete (Gott, Unsterblichkeit,
Freiheit) gebe, die der erkennenden Vernunft prinzipiell nicht
zugänglich seien, so die verschiedenen Richtungen des Idealismus, oder
weil sie nicht imstande waren, die Erscheinungen der Gesellschaft
rational zu erklären, wie der vormarxistische Materialismus.
Aber erst in
der spätbürgerlichen, besonders in der imperialistischen Philosophie und
Ideologie wurde der Irrationalismus zum bestimmenden Inhalt ganzer
Weltanschauungen, wie in der Philosophie S. A. Kierkegaards, A.
Schoppenhauer, F. W. Nietzsches und den von ihnen stark beeinflussten
Strömungen der Lebensphilosophie und des Neuhegelianismus. Ausgeprägt
irrationalistisch war die Ideologie des deutschen Faschismus. Auch in
der gegenwärtigen bürgerlichen Philosophie ist der Irrationalismus stark
verbreitet; er wirkt vor allem in solchen Strömungen wie Neuthomismus
und Existentialismus. Der Irrationalismus ist eine typische
Erscheinungsform des geistigen Verfalls im Imperialismus. Seine
Missachtung und Abwertung des wissenschaftlichen Denkens ist vor allem
darauf gerichtet, die Erkenntnisse der sozialen Entwicklungsgesetze zu
erschweren und auf diese Weise dem gesellschaftlichen und
wissenschaftlichen Fortschritt entgegenzuwirken. (Agnostizismus,
Skeptizismus)
Entnommen: „Wörterbuch Philosophie und Naturwissenschaften“ Dietz Verlag Berlin 1983, Seite 417.
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