Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Dienstag, 13. Februar 2018

Eine Negativ-Hitliste für Quedlinburg gefunden!



Bildschirmfoto 2018-02-13 14:40 Uhr
Es ist interessant, gelegentlich die Seiten des Bürgerforums Quedlinburg zu besuchen, leider ist die Kommentarfunktion zur Zeit deaktiviert. Interessant ist es trotzdem, wird sich dort doch mit Problemen der Stadt etwas anders auseinandergesetzt, als ansonsten im politischen Treiben dieser Stadt üblich. Da werden Vorhaben durchaus kritisch durchleuchtet und das Interesse der Bürger besser widergespiegelt. Es wird nicht verklärt und gelegentlich auch erklärt. Und als vor Jahren die Privatisierung der Stadtwerke verhindert werden musste, waren die Mitglieder des Bürgerforums Initiator und treibende Kraft.
Nun gibt es einen neuen Beitrag, eine Negativ-Hitliste, also eine Liste in welcher aufgezählt wird, was in Quedlinburg nach Veränderung schreit. Das diese Liste nicht vollzählig ist, kann sich sicher jeder vorstellen, trotzdem ist es nicht wenig interessant. Der Liste voraus ist ein Aufruf zu lesen, allerdings einige der dort Angesprochenen können durchaus als Mitverursacher der Probleme in Betracht gezogen werden. Also den Bock zum Gärtner machen? Sollte es wirklich möglich sein, so manchen „Bock“ davon zu überzeugen, dass es wenig Sinnvoll ist, alle Pflanzen zu fressen, um beim Bild zu bleiben, da die zurückbleibende Öde nicht gerade zum Verweisen einlädt?
Als erster Missstand wird der Bahnhof von Quedlinburg angesprochen, „der Gesamtzustand ist völlig inakzeptabel“, wird festgestellt. Dem ist durchaus beizupflichten, allerdings befindet sich der Bahnhof in Privatbesitz, die Stadt hat es vor Jahren versäumt den Bahnhof zu erwerben, als die zu großen Teilen privatisierte Bundesbahn die meisten ihrer Bahnhöfe veräußerte. Andere Städte haben das getan und dort sehen die Bahnhöfe heute anders aus. Aber der Bahnhof von Quedlinburg landet in einem Paket von Bahnhöfen bei einen so genannten Investor, der wartet die Spekulationsfrist ab, nimmt das Paket auseinander und fängt an die Bahnhöfe zu verkaufen. Mehr durch Zufall und unglückliche Umstände findet der Bahnhof von Quedlinburg (das Gebäude, denn die Gleisanlagen und Bahnsteige gehören weiterhin der Bahn) eine Käufer, dieser übernimmt das Objekt und so steht es heute weitestgehend noch da. Die Bahn, ebenfalls privatisiert, wird mehrfach angesprochen und verspricht die Bahnanlagen zu sanieren, allerdings ist dieses Vorhaben unter Angabe der verschiedensten Gründe nun schon mehrfach verschoben worden.
Als ein zweiter Punkt wird die Brühlgaststätte angesprochen, sie ist „einfach ein Schandfleck“ und eigentlich kaum noch vorhanden. Das Gebäude ist weitestgehend zusammengebrochen, hat zwar seit einiger Zeit einen neuen Eigentümer, aber grundsätzlich passiert da nichts. Überhaupt sieht es mit Ausflugslokalen um Quedlinburg schlecht aus, es gab einmal eine ganze Reihe, allerdings die meisten existieren heute nicht mehr. Für die Brühlgaststätte gab es nach 1990 einen Anspruch auf Rückübertragung und der alte, neue Eigentümer hatte nichts anderes zu tun, als das Objekt leerstehen und zerfallen zu lassen. Eigentum verpflichtet, allerdings zu was es verpflichtet entscheidet der Eigentümer!
Der dritte Punkt hat es in sich, einst ein Meisterwerk regionaler Wirtschaftsförderung, hat der Rat der Stadt es vor Jahren genutzt um im großen Rahmen Arbeitsplätze und öffentliches Eigentum zu vernichten! Es geht um das ehemalige Kurzentrum im Ortsteil Bad Suderode. Einst gebaut um die regionale Wirtschaft zu fördern, war es nicht gewinnbringend zu bewirtschaften, da auf ein Bettenhaus verzichtet und damit Investitionen in solche gefördert. In Bad Suderode entstanden eine Reihe von Quartieren, welche auf eine gute Auslastung verweisen konnten, solange das Kurzentrum bewirtschaftet wurde. Die Stadt sah sich allerdings genötigt das Objekt zu privatisieren, zu diesem Zweck wurde es geschlossen und das ist es bis heute. Der neue Eigentümer orakelte jüngst, dass es dieses Jahr losgehen soll, allerdings derlei Orakelsprüche waren in der Vergangenheit schon öfter zu hören. Den Einfluss, welchen die Stadt nehmen kann ist gering, am besten wäre es den Verkauf rückabzuwickeln, das Land Sachsen-Anhalt wieder mit in die Verantwortung zu nehmen und das Objekt öffentlich zu betreiben. Mit den Verlustausgleich für die Privatisierung des Kurzentrum, welchen die Stadt Quedlinburg vom Land Sachsen-Anhalt erhalten hat, hätte der damals beklagte Reparaturstau behoben und das Zentrum weiter betrieben werden können.
Wenn es genau betrachtet wird, wurde das Kurzentrum für den berühmten Apfel und das Ei verkauft, in diesem Zuge des Verkaufs wurden in der Region mehrere hundert Arbeitsplätze vernichtet und das Steuereinkommen, welches mit dem Betrieb des Kurzentrum verbunden war, negiert! Alles in allen eine Erfolgsgeschichte kapitalistischen Seins. Ein privatwirtschaftliches Unternehmen erhält ein Millionenobjekt, es werden Arbeitskräfte vernichtet und Steuereinnahmen negiert! Privatisierung koste es was es wolle, oder auch um jeden Preis!
Ein weiterer Punkt ist das Welterbzentrum, welches es in dieser Stadt laut Planung geben sollte, bis heute aber nicht existiert. Ein dafür gut geeignete Objekt am Markt wurde veräußert, eine neues Objekt sollte entstehen, ob es entsteht kann ich nicht sagen, aber die Stadt ist gelegentlich für Überraschungen gut!
Der letzte aufgeführte Punkt sind die Industrie- und Gewerbebrachen im Stadtgebiet, die bieten sicher keinen guten Anblickt, dürften allerdings weitestgehend kein städtischen Eigentum sein. Somit sind auch hier die Einflussmöglichkeiten gering, die Eigentümer lassen die darauf befindlichen Gebäude nicht ohne Grund verfallen, Eigentum verpflichtet eben und die Stadt hat nur wenig Möglichkeiten, z. B. bei Gefahr im Verzug, die Eigentümer zu verpflichten.
Somit gibt es einige Probleme in dieser Stadt, allerdings die aufgeführten liegen weitestgehend außerhalb des Einflusses der Stadt.
Was allerdings im Einfluss der Stadt liegt, ist der Abriss städtischer Wohnungen in Quarmbeck, dort wird kontinuierlich preiswerter Wohnraum abgerissen, als Begründung der selbst zu verantwortende Leerstand angeführt und damit Wohnungsüberschuss in Quedlinburg propagiert, aber gleichzeitig werden privatwirtschaftliche Wohnprojekte gefördert. Selbst die städtische Wohnungsgesellschaft baut neu!
Im Zusammenhang mit den Wohnungen in Quarbeck wurden nicht einmal Alternative geprüft, es wird abgerissen, ohne Rücksicht auf Verluste. In manchem Objekt finden sich nur noch sehr wenige Mieter, welche allerdings zum Teil um ihre Sicherheit besorgt sind, da in den Objekten schon geplündert wird. In einer Stadt wie Quedlinburg, mit ihrem Welterbetitel, gäbe es durchaus andere Möglichkeiten mit diesen Objekten umzugehen. Wieso werden keine Künstler angelockt, mit preiswerten Wohnungen z. B., oder keine alternativen Wohnprojekte entwickelt? Ein Hostel wäre auch eine Möglichkeit, die Stadt hat viel zu bieten, mit ihren kulturellen Spuren aus über 1000 Jahren!
Oder ein Punkt könnte das, einmal schon abgelehnte, nun neu zu planende, Industriegebiet sein, welches alles andere, aber für die Stadt nicht notwendig ist, wenn das Umland betrachtet wird und die dort schon länger erschlossenen und leerstehenden Industriegebiete berücksichtigt werden. Ein Blick nach Aschersleben, nach Halberstadt oder auch Thale könnte für ernüchterung sorgen. Quedlinburg ist mit seiner Infrastruktur eine gute Stadt zum wohnen, aber auch für Wirtschaftszweige, welche auf große Industriegebiete verzichten können. Ohnehin konzentrieren sich große Unternehmen mit ihren Industrieanlagen vorrangig in Ballungsräumen, dort gibt es die benötigte Infrastruktur und den Anforderungen entsprechende Arbeitskräfte im umfassendem Maß. Die Mittel, welche allein die Planung und Vorbereitung eines solchen Industriegebietes verschlingen, könnten gespart und anderen Zwecken zugeführt werden. Das Bürgerforum hat sich auch mit dieser Problematik auseinandergesetzt, was dessen Seite nachzulesen ist.
Noch ein Punkt wäre die „ungezügelte“ Feierlaune der Stadtoberhäupter, oder jener, welche sich dafür halten und ihren Einfluss entsprechend durchdrücken. Der Sachsen-Anhalt-Tag im nächsten Jahr wäre nun wirklich nicht nötig gewesen, insbesondere da ohnehin schon drei Jubiläen begangen werden sollen und es auch noch eine Reihe traditioneller Veranstaltungen in der Stadt gibt. Gerade der Sachsen-Anhalt-Tag wird nicht ohne Folgen für die Stadt daherkommen, wobei diese nicht unbedingt positiv zu werten sind. Zum einen ist die Vorbereitung mit erheblichen Kosten verbunden, der Werbeeffekt ist dagegen eher gering, unter Umständen werden sogar die touristischen Besucher der Stadt verprellt. Nicht ohne Grund wird es immer schwerer Städte zu finden, welche ein solches Spektakel veranstalten. Aufwand und Nutzen stehen in einem schlechten Verhältnis! Und sicher wird an dieser Veranstaltungen auch verdient, die Stadt hat allerdings die Kosten zu tragen und für die Bürger wird es bestimmt nicht angenehm, da mit noch mehr Besucher als an den Adventswochenenden zum Advent in den Höfen gerechnet wird. Die Einschränkungen für die Bewohner der Innenstadt werden nicht unerheblich sein.
Quedlinburg hat ein reiches kulturelles Erbe und viele Menschen sind in dieser Stadt künstlerisch und kulturell unterwegs. Diese so entstandene Vielfalt sollte nicht der Einfalt geopfert, sondern zukunftsweisend genutzt werden.

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