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2018-02-13 14:40 Uhr
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Es
ist interessant, gelegentlich die Seiten des Bürgerforums
Quedlinburg zu besuchen, leider ist die Kommentarfunktion zur Zeit
deaktiviert. Interessant ist es trotzdem, wird sich dort doch mit
Problemen der Stadt etwas anders auseinandergesetzt, als ansonsten im
politischen Treiben dieser Stadt üblich. Da werden Vorhaben durchaus
kritisch durchleuchtet und das Interesse der Bürger besser
widergespiegelt. Es wird nicht verklärt und
gelegentlich auch erklärt. Und als vor Jahren die Privatisierung der
Stadtwerke verhindert werden musste, waren die Mitglieder des
Bürgerforums Initiator und treibende Kraft.
Nun
gibt es einen neuen Beitrag, eine Negativ-Hitliste,
also eine Liste in welcher aufgezählt wird, was in Quedlinburg nach
Veränderung schreit. Das diese Liste nicht vollzählig ist, kann
sich sicher jeder vorstellen, trotzdem ist es
nicht wenig interessant. Der Liste voraus ist ein Aufruf zu lesen,
allerdings einige der dort
Angesprochenen können durchaus als
Mitverursacher
der Probleme in Betracht gezogen werden. Also den Bock zum Gärtner
machen? Sollte es wirklich möglich
sein, so manchen „Bock“ davon zu überzeugen, dass es wenig
Sinnvoll ist, alle Pflanzen zu fressen, um beim Bild zu bleiben, da
die zurückbleibende Öde nicht gerade zum Verweisen einlädt?
Als
erster Missstand wird der Bahnhof von
Quedlinburg angesprochen, „der
Gesamtzustand ist völlig inakzeptabel“, wird festgestellt. Dem ist
durchaus beizupflichten, allerdings
befindet sich der Bahnhof in Privatbesitz, die Stadt hat es vor
Jahren versäumt den Bahnhof zu erwerben, als die zu großen Teilen
privatisierte Bundesbahn die meisten ihrer Bahnhöfe veräußerte.
Andere Städte haben das getan und dort sehen die Bahnhöfe heute
anders aus. Aber der Bahnhof von
Quedlinburg landet in einem Paket von Bahnhöfen bei einen
so genannten Investor,
der wartet die Spekulationsfrist ab, nimmt das Paket auseinander und
fängt an die Bahnhöfe zu verkaufen. Mehr durch Zufall und
unglückliche Umstände findet der Bahnhof
von Quedlinburg (das Gebäude, denn
die Gleisanlagen und Bahnsteige gehören weiterhin der Bahn) eine
Käufer, dieser übernimmt das Objekt und so steht es heute
weitestgehend noch da. Die Bahn, ebenfalls privatisiert, wird
mehrfach angesprochen und verspricht die Bahnanlagen zu sanieren,
allerdings ist dieses Vorhaben unter Angabe der verschiedensten
Gründe nun schon mehrfach verschoben worden.
Als
ein zweiter Punkt wird die Brühlgaststätte angesprochen, sie ist
„einfach ein Schandfleck“ und eigentlich kaum noch vorhanden. Das
Gebäude ist weitestgehend zusammengebrochen, hat zwar seit einiger
Zeit einen neuen Eigentümer, aber grundsätzlich passiert da nichts.
Überhaupt sieht es mit Ausflugslokalen um Quedlinburg schlecht aus,
es gab einmal eine ganze Reihe, allerdings die meisten existieren
heute nicht mehr. Für die Brühlgaststätte gab es nach 1990 einen
Anspruch auf Rückübertragung und der alte, neue Eigentümer hatte
nichts anderes zu tun, als das Objekt leerstehen und zerfallen zu
lassen. Eigentum verpflichtet, allerdings zu was es verpflichtet
entscheidet der Eigentümer!
Der
dritte Punkt hat es in sich, einst ein Meisterwerk regionaler
Wirtschaftsförderung, hat der Rat der Stadt es vor Jahren genutzt um
im großen Rahmen Arbeitsplätze und öffentliches Eigentum zu
vernichten! Es geht um das ehemalige Kurzentrum im Ortsteil Bad
Suderode. Einst gebaut um die regionale Wirtschaft zu fördern, war
es nicht gewinnbringend zu bewirtschaften, da auf ein Bettenhaus
verzichtet
und damit Investitionen in solche gefördert. In Bad Suderode
entstanden eine Reihe von Quartieren, welche auf eine gute Auslastung
verweisen konnten, solange das Kurzentrum bewirtschaftet wurde. Die
Stadt sah sich allerdings genötigt das Objekt zu privatisieren, zu
diesem Zweck wurde es geschlossen und das ist es bis heute. Der neue Eigentümer orakelte jüngst,
dass es dieses Jahr losgehen soll, allerdings derlei Orakelsprüche
waren in der Vergangenheit schon öfter zu hören. Den Einfluss,
welchen die Stadt nehmen kann ist gering, am besten wäre es den
Verkauf rückabzuwickeln, das Land Sachsen-Anhalt wieder mit in die
Verantwortung zu nehmen und das Objekt öffentlich zu betreiben. Mit
den Verlustausgleich
für die Privatisierung des Kurzentrum, welchen die Stadt Quedlinburg
vom Land Sachsen-Anhalt erhalten hat, hätte der damals beklagte
Reparaturstau behoben und das Zentrum weiter betrieben werden können.
Wenn
es genau betrachtet wird, wurde das Kurzentrum für den berühmten
Apfel und das Ei verkauft,
in diesem Zuge des Verkaufs wurden in der Region mehrere hundert
Arbeitsplätze vernichtet und das Steuereinkommen, welches mit dem
Betrieb des Kurzentrum verbunden war, negiert! Alles in allen eine
Erfolgsgeschichte kapitalistischen Seins. Ein privatwirtschaftliches
Unternehmen erhält ein Millionenobjekt, es werden Arbeitskräfte
vernichtet und Steuereinnahmen negiert! Privatisierung koste es was
es wolle, oder auch um jeden Preis!
Ein
weiterer Punkt ist das Welterbzentrum, welches es in dieser Stadt
laut Planung geben sollte, bis heute aber nicht existiert. Ein dafür
gut geeignete Objekt am Markt wurde veräußert, eine neues Objekt
sollte entstehen, ob es entsteht kann ich nicht sagen, aber die Stadt
ist gelegentlich für Überraschungen gut!
Der
letzte aufgeführte Punkt sind die Industrie- und Gewerbebrachen im
Stadtgebiet, die bieten sicher keinen guten Anblickt, dürften
allerdings weitestgehend kein städtischen Eigentum sein. Somit sind
auch hier die Einflussmöglichkeiten gering, die Eigentümer lassen
die darauf befindlichen Gebäude nicht ohne Grund verfallen, Eigentum
verpflichtet eben und die Stadt hat nur wenig Möglichkeiten, z. B.
bei Gefahr im Verzug, die Eigentümer zu verpflichten.
Somit
gibt es einige Probleme in dieser Stadt, allerdings die aufgeführten
liegen weitestgehend außerhalb des Einflusses der Stadt.
Was
allerdings im Einfluss der Stadt liegt, ist der Abriss städtischer
Wohnungen in Quarmbeck, dort wird kontinuierlich preiswerter Wohnraum
abgerissen, als Begründung der selbst zu verantwortende Leerstand
angeführt und damit Wohnungsüberschuss in Quedlinburg propagiert,
aber gleichzeitig werden privatwirtschaftliche Wohnprojekte
gefördert. Selbst die städtische Wohnungsgesellschaft baut neu!
Im
Zusammenhang mit den Wohnungen in Quarbeck wurden nicht einmal
Alternative geprüft, es wird abgerissen, ohne Rücksicht auf
Verluste. In manchem Objekt finden sich nur noch sehr wenige Mieter,
welche allerdings zum Teil um ihre Sicherheit besorgt sind, da in den
Objekten schon geplündert wird. In einer Stadt wie Quedlinburg, mit
ihrem Welterbetitel, gäbe es durchaus andere Möglichkeiten mit
diesen Objekten umzugehen. Wieso werden keine Künstler angelockt,
mit preiswerten Wohnungen z. B., oder keine alternativen Wohnprojekte
entwickelt? Ein Hostel wäre auch eine Möglichkeit, die Stadt hat
viel zu bieten, mit ihren kulturellen Spuren aus über 1000 Jahren!
Oder
ein Punkt könnte das, einmal schon abgelehnte, nun neu zu planende,
Industriegebiet sein, welches alles andere, aber für die Stadt nicht
notwendig ist, wenn das Umland betrachtet wird und die dort schon
länger erschlossenen und leerstehenden Industriegebiete
berücksichtigt werden. Ein Blick nach Aschersleben, nach Halberstadt
oder auch Thale könnte für ernüchterung sorgen. Quedlinburg ist
mit seiner Infrastruktur eine gute Stadt zum wohnen, aber auch für
Wirtschaftszweige, welche auf große Industriegebiete verzichten
können. Ohnehin konzentrieren sich große Unternehmen mit ihren
Industrieanlagen vorrangig in Ballungsräumen, dort gibt es die
benötigte Infrastruktur und den Anforderungen entsprechende
Arbeitskräfte im umfassendem Maß. Die Mittel, welche allein die
Planung und Vorbereitung eines solchen Industriegebietes
verschlingen, könnten gespart und anderen Zwecken zugeführt werden.
Das Bürgerforum hat sich auch mit dieser Problematik
auseinandergesetzt, was dessen Seite nachzulesen ist.
Noch
ein Punkt wäre die „ungezügelte“ Feierlaune der
Stadtoberhäupter, oder jener, welche sich dafür halten und ihren
Einfluss entsprechend durchdrücken. Der Sachsen-Anhalt-Tag im
nächsten Jahr wäre nun wirklich nicht nötig gewesen, insbesondere
da ohnehin schon drei Jubiläen begangen werden sollen und es auch
noch eine Reihe traditioneller Veranstaltungen in der Stadt gibt.
Gerade der Sachsen-Anhalt-Tag wird nicht ohne Folgen für die Stadt
daherkommen, wobei diese nicht unbedingt positiv zu werten sind. Zum
einen ist die Vorbereitung mit erheblichen Kosten verbunden, der
Werbeeffekt ist dagegen eher gering, unter Umständen werden sogar
die touristischen Besucher der Stadt verprellt. Nicht ohne Grund wird
es immer schwerer Städte zu finden, welche ein solches Spektakel
veranstalten. Aufwand und Nutzen stehen in einem schlechten
Verhältnis! Und sicher wird an dieser Veranstaltungen auch verdient,
die Stadt hat allerdings die Kosten zu tragen und für die Bürger
wird es bestimmt nicht angenehm, da mit noch mehr Besucher als an den
Adventswochenenden zum Advent in den Höfen gerechnet wird. Die
Einschränkungen für die Bewohner der Innenstadt werden nicht
unerheblich sein.
Quedlinburg
hat ein reiches kulturelles Erbe und viele Menschen sind in dieser
Stadt künstlerisch und kulturell unterwegs. Diese so entstandene
Vielfalt sollte nicht der Einfalt geopfert, sondern zukunftsweisend
genutzt werden.
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