
höchste
Form der theoretischen Tätigkeit der Menschen und zugleich deren
Resultat in Gestalt des Systems von Erkenntnissen über die Gesetze
der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. Dieses geht aus dem
gesellschaftlichen Erkenntnisprozess auf der Grundlage der Praxis
hervor und wird in Begriffen, Aussagen, Maßbestimmungen und Theorien
fixiert. Ihrer sozialen Funktion nach ermöglicht die Wissenschaft
als Produktivkraft der Gesellschaft und als Grundlage der Leitung
gesellschaftlicher Prozesse eine wachsende Beherrschung der
natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt. Die Wissenschaft ist
sowohl als Form der gesellschaftlichen Tätigkeit der Menschen, als
soziale Institution wie auch als System des Wissens über die
objektive Realität in den materiellen Lebensprozess der Gesellschaft
einbezogen. Sie wird in ihren Existenzbedingungen, ihrer Entwicklung
und ihrer Anwendung durch die Produktivkräfte und
Produktionsverhältnisse der jeweiligen ökonomischen
Gesellschaftsformation bestimmt und geprägt. In diesem Sinne gibt es
in der Gegenwart eine sozialistische und eine kapitalistische
Wissenschaft, die sich wesentlich voneinander unterscheiden, weil sie
Elemente entgegengesetzter ökonomischer Gesellschaftsformationen
sind. Das bezieht sich jedoch nicht auf den objektiven Inhalt der
Erkenntnisse, die eine relativ adäquate Widerspiegelung der
Eigenschaften, Strukturen und Gesetzmäßigkeiten bestimmter
Objektbereiche sind. In diesem Sinne gibt es zwar eine sozialistische
und eine kapitalistische Wissenschaft als Ganzes, aber keine
sozialistische oder kapitalistische Physik, Biologie, Chemie,
Kybernetik usw. Die theoretische Tätigkeit ist ein Bestandteil der
geistigen Aneignung der Welt durch die Menschen. Sie ist darauf
gerichtet, objektives Wissen über Natur und Gesellschaft zu
produzieren, das als Grundlage zweckmäßigen Handelns der Menschen
dienen kann. Sie ist eine Form der Entfaltung und Bewährung der
subjektiven Wesenskräfte der Menschen, die zur Erhöhung der
allgemeinen Produktivkraft der Menschheit führt. „Die Entwicklung
der Wissenschaft, dieses ideellen und zugleich praktischen Reichtums,
ist aber nur eine Seite, eine Form, worin die Entwicklung der
menschlichen Produktivkräfte i. e. des Reichtums erscheint.“
(Marx, Grundrisse, S. 439) Die wichtigste Besonderheit der
theoretischen Tätigkeit besteht darin, dass sie allgemeine Arbeit
ist, zum Unterschied von den vielen besonderen Arbeiten. „Allgemeine
Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle
Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden,
teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer.“ (Marx, MEW, 25,
S.114) Sie ist auf die Produktion, Reproduktion, Vermittlung und
Anwendung von Kenntnissen über die objektive Realität gerichtet,
wären die besonderen Arbeiten darauf gerichtet sind, konkrete
gesellschaftliche Bedürfnisse durch die Produktion materieller
Gegenstände zu befriedigen. Die theoretische Tätigkeit summiert
durch die Produktion von Wissen zugleich auch die Erfahrungen der
Menschheit, daher ist die Wissenschaft „das Produkt der allgemeinen
geschichtlichen Entwicklung in ihrer abstrakten Quintessenz“.
(Marx, MEW, 26. 1, S. 367) Die Wissenschaft existiert zugleich als
ein sich entwickelndes System von Kenntnisse. Dieses ist in
bestimmter Weise organisiert und bildet eine relativ adäquate
Widerspiegelung von Eigenschaften, Strukturen und Gesetzmäßigkeiten
der objektiven Realität. In dieser Beziehung ist die Wissenschaft
ein Bestandteil des geistigen Lebens der Gesellschaft und bildet eine
besondere gesellschaftliche Bewusstseinsform. Wissenschaft ist
methodisch gewonnenes uns systematisch geordnetes Wissen. Es gibt
nicht nur eine Beschreibung von Objekten, Prozessen usw., sondern
eine auf der Kenntnis von Gesetzmäßigkeiten beruhende Erklärung,
welche wissenschaftliche Voraussagen ermöglicht. Jede entwickelte
Wissenschaft enthält im wesentlichen vier miteinander verbundene
Elemente: 1. Empirische Kenntnisse, d. h. durch Erfahrung,
Beobachtung und Experiment ermittelte Tatsachen und ihre
Beschreibung; 2. theoretisches Wissen über den betreffenden
Objektbereich in Form von Gesetzesaussagen und weiteren theoretischen
Aussagen (Theorie) sowie Hypothesen; 3. Methoden und Verfahren, die
von den Elementen der allgemeinen dialektischen Methode vieler
Wissenschaften bis zu den spezifischen Methoden der einzelne
Wissenschaften reichen; 4. Philosophische Voraussetzungen und
Schlussfolgerungen. Alle Wissenschaften sind mehr oder weniger von
der Weltanschauung und Ideologie der in der jeweiligen Gesellschaft
herrschenden Klasse beeinflußt oder durchdrungen. Während in den
Gesellschaftswissenschaften die Ideologie der Klassen bereits in der
Sammlung und Erklärung der Tatsachen zum Ausdruck kommt, weil diese
Wissenschaften die Klasseninteressen unmittelbar berühren, sind die
Naturwissenschaften und die technischen Wissenschaften vor allem
durch ihre philosophischen Grundlagen und Schlussfolgerungen mit der
Ideologie verbunden. Infolge ihrer engen Verbindung mit den
Klasseninteressen haben die Gesellschaftswissenschaften
Klassencharakter, während der theoretische und empirische Inhalt der
Naturwissenschaften und der technischen Wissenschaften, mit Ausnahme
der philosophischen Elemente, keinen Klassencharakter besitzen.