Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Mittwoch, 27. Juli 2022

Wissenschaft:

höchste Form der theoretischen Tätigkeit der Menschen und zugleich deren Resultat in Gestalt des Systems von Erkenntnissen über die Gesetze der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. Dieses geht aus dem gesellschaftlichen Erkenntnisprozess auf der Grundlage der Praxis hervor und wird in Begriffen, Aussagen, Maßbestimmungen und Theorien fixiert. Ihrer sozialen Funktion nach ermöglicht die Wissenschaft als Produktivkraft der Gesellschaft und als Grundlage der Leitung gesellschaftlicher Prozesse eine wachsende Beherrschung der natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt. Die Wissenschaft ist sowohl als Form der gesellschaftlichen Tätigkeit der Menschen, als soziale Institution wie auch als System des Wissens über die objektive Realität in den materiellen Lebensprozess der Gesellschaft einbezogen. Sie wird in ihren Existenzbedingungen, ihrer Entwicklung und ihrer Anwendung durch die Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse der jeweiligen ökonomischen Gesellschaftsformation bestimmt und geprägt. In diesem Sinne gibt es in der Gegenwart eine sozialistische und eine kapitalistische Wissenschaft, die sich wesentlich voneinander unterscheiden, weil sie Elemente entgegengesetzter ökonomischer Gesellschaftsformationen sind. Das bezieht sich jedoch nicht auf den objektiven Inhalt der Erkenntnisse, die eine relativ adäquate Widerspiegelung der Eigenschaften, Strukturen und Gesetzmäßigkeiten bestimmter Objektbereiche sind. In diesem Sinne gibt es zwar eine sozialistische und eine kapitalistische Wissenschaft als Ganzes, aber keine sozialistische oder kapitalistische Physik, Biologie, Chemie, Kybernetik usw. Die theoretische Tätigkeit ist ein Bestandteil der geistigen Aneignung der Welt durch die Menschen. Sie ist darauf gerichtet, objektives Wissen über Natur und Gesellschaft zu produzieren, das als Grundlage zweckmäßigen Handelns der Menschen dienen kann. Sie ist eine Form der Entfaltung und Bewährung der subjektiven Wesenskräfte der Menschen, die zur Erhöhung der allgemeinen Produktivkraft der Menschheit führt. „Die Entwicklung der Wissenschaft, dieses ideellen und zugleich praktischen Reichtums, ist aber nur eine Seite, eine Form, worin die Entwicklung der menschlichen Produktivkräfte i. e. des Reichtums erscheint.“ (Marx, Grundrisse, S. 439) Die wichtigste Besonderheit der theoretischen Tätigkeit besteht darin, dass sie allgemeine Arbeit ist, zum Unterschied von den vielen besonderen Arbeiten. „Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer.“ (Marx, MEW, 25, S.114) Sie ist auf die Produktion, Reproduktion, Vermittlung und Anwendung von Kenntnissen über die objektive Realität gerichtet, wären die besonderen Arbeiten darauf gerichtet sind, konkrete gesellschaftliche Bedürfnisse durch die Produktion materieller Gegenstände zu befriedigen. Die theoretische Tätigkeit summiert durch die Produktion von Wissen zugleich auch die Erfahrungen der Menschheit, daher ist die Wissenschaft „das Produkt der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung in ihrer abstrakten Quintessenz“. (Marx, MEW, 26. 1, S. 367) Die Wissenschaft existiert zugleich als ein sich entwickelndes System von Kenntnisse. Dieses ist in bestimmter Weise organisiert und bildet eine relativ adäquate Widerspiegelung von Eigenschaften, Strukturen und Gesetzmäßigkeiten der objektiven Realität. In dieser Beziehung ist die Wissenschaft ein Bestandteil des geistigen Lebens der Gesellschaft und bildet eine besondere gesellschaftliche Bewusstseinsform. Wissenschaft ist methodisch gewonnenes uns systematisch geordnetes Wissen. Es gibt nicht nur eine Beschreibung von Objekten, Prozessen usw., sondern eine auf der Kenntnis von Gesetzmäßigkeiten beruhende Erklärung, welche wissenschaftliche Voraussagen ermöglicht. Jede entwickelte Wissenschaft enthält im wesentlichen vier miteinander verbundene Elemente: 1. Empirische Kenntnisse, d. h. durch Erfahrung, Beobachtung und Experiment ermittelte Tatsachen und ihre Beschreibung; 2. theoretisches Wissen über den betreffenden Objektbereich in Form von Gesetzesaussagen und weiteren theoretischen Aussagen (Theorie) sowie Hypothesen; 3. Methoden und Verfahren, die von den Elementen der allgemeinen dialektischen Methode vieler Wissenschaften bis zu den spezifischen Methoden der einzelne Wissenschaften reichen; 4. Philosophische Voraussetzungen und Schlussfolgerungen. Alle Wissenschaften sind mehr oder weniger von der Weltanschauung und Ideologie der in der jeweiligen Gesellschaft herrschenden Klasse beeinflußt oder durchdrungen. Während in den Gesellschaftswissenschaften die Ideologie der Klassen bereits in der Sammlung und Erklärung der Tatsachen zum Ausdruck kommt, weil diese Wissenschaften die Klasseninteressen unmittelbar berühren, sind die Naturwissenschaften und die technischen Wissenschaften vor allem durch ihre philosophischen Grundlagen und Schlussfolgerungen mit der Ideologie verbunden. Infolge ihrer engen Verbindung mit den Klasseninteressen haben die Gesellschaftswissenschaften Klassencharakter, während der theoretische und empirische Inhalt der Naturwissenschaften und der technischen Wissenschaften, mit Ausnahme der philosophischen Elemente, keinen Klassencharakter besitzen.

Das Gesamtgebiet des menschlichen Wissens untergliedert sich in zahlreiche Wissenschaften, die nach ihren Gegenständen zu große Gruppen zusammengefasst werden. Die Naturwissenschaft umfasst alle Wissenschaften von der anorganischen und organischen Natur einschließlich des Menschen als Naturwesen. Dazu gehören Astronomie, Physik, Chemie, Geologie, Biologie, Physiologie, naturwissenschaftlich-medizinische Anthropologie, die sich ihrerseits in zahlreiche speziellere Wissenschaften ausgliedern. Die Gesellschaftswissenschaften umfassen alle Wissenschaften von der Entwicklung der Gesellschaft, ihrer einzelnen Lebensbedrohliche und vom Menschen als gesellschaftlichem Wesen. Die Gesellschaftswissenschaften konnten sich erst auf dem Fundament des Marxismus umfassend als Gesellschaftswissenschaften entwickeln. Die materialistische Gesellschafts- und Geschichtstheorie (die zugleich ein Bestandteil der marxistisch-leninistischen Philosophie ist) untersucht die Gesamtentwicklung der Gesellschaft und dient daher als theoretisches und methodisches Fundament aller spezielleren Gesellschaftswissenschaften. Die politische Ökonomie, die Staats- und Rechtstheorie, die Soziologie, die Sozialpsychologie,die Sprachwissenschaft, die Ethnologie u. a. untersuchen bestimmte gesellschaftliche Lebensbereiche. Die Geschichtswissenschaft erforscht den Gesamtverlauf der menschlichen Geschichte (Universalgeschichte) und in ihren zahlreichen Spezialgebieten, wie z. B. Geschichte der Arbeiterbewegung, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte usw., einzelne Seiten der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit. Die Erkenntnisse der Gesellschaftswissenschaften dienen der marxistisch-leninistischen Partei als theoretische Grundlage für die Ausarbeitung ihrer Politik beim Kampf um die Eroberung der politischen Macht und beim Aufbau des Sozialismus und Kommunismus. Die technischen Wissenschaften erforschen die Gesetzmäßigkeiten der Technik und der Technologie, die Möglichkeiten der technischen Anwendung von Naturkräften und natürlichen Wirkprinzipien in der Produktion und entwickeln die theoretischen Grundlagen für die Konstruktion der modernen Technik. Die technischen Wissenschaften vereinen naturwissenschaftliche und gesellschaftswissenschaftliche Aspekte in einer durch ihren Zweck bestimmten Weise zu einer neuen Qualität. Das Gesamtsystem des Wissens befindet sich in ständiger Entwicklung. Es erfolgt eine Differenzierung des Wissens, die zugleich eine Einheit mit Integration bildet.

Die soziale Funktion der Wissenschaft besteht darin, den Menschen durch die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit (Gesetz) der objektiven Realität das entscheidende Mittel zur wachsenden Beherrschung ihrer natürlichen und gesellschaftlichen Existenzgrundlagen zu geben. Damit ermöglicht sie die bewusste und rationale Gestaltung des gesellschaftlichen Lebensprozesses. Erst im Sozialismus kann die Wissenschaft ihre soziale Funktion voll entfalten. 1. wird sie zu einer unmittelbaren Produktivkraft der Gesellschaft; 2. wird sie zum theoretischen Instrument der bewussten Leitung und Planung des Gesellschaftsprozesses; 3. wird sie zu einem Mittel der Bildung und Erziehung allseitig entwickelter Individuen. In der Einheit dieser Funktion wird die Wissenschaft immer mehr zu einer entscheidenden Grundlage der künftigen gesellschaftlichen Entwicklung. Die Wissenschaft verbindet sich immer enger mit der Produktion. Die Produktion wird technologisch angewandtes Wissen, und die Wissenschaft wird zur „Mutter der Produktion“. Dabei wirkt sie auf dreifache Weise als Produktivkraft. 1. vergegenständlicht sich das Wissen in den Produktionsmitteln, Produktionsverfahren und Technologien. 2. wird die Wissenschaft dadurch zur Produktivkraft, dass sie sich in den bewusst gestalteten sozialistischen Produktionsverhältnissen, in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und Arbeitsorganisation vergegenständlicht. Die Verwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft betrifft daher die Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften und technischen Wissenschaften als Einheit. 3. wird die Wissenschaft zur Produktivkraft, indem sich das Wissen in den Fähigkeiten der Produzenten verkörpert und ihre allgemeine Produktivkraft steigert. Die Verwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare Produktivkraft beginnt bereits im Kapitalismus, aber sie kann sich erst im Sozialismus und noch mehr im Kommunismus voll entfalten, weil „die arbeitende Gesellschaft sich wissenschaftlich zu dem Prozess ihrer fortschreitenden Reproduktion … in stets größerer Fülle verhält“. (Marx, Grundrisse, S. 231) …

Quelle: Angelehnt an „Kleines politisches Wörterbuch“ Dietz Verlag Berlin 1986, Seite 1075 -1078.

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