In
der Jungen Welt fand sich ein Interview
zum Thema Reformationsjubiläum, auf dieses Interview wurde ich
mittels Facebook aufmerksam und war über die getroffenen Aussagen
etwas befremdet. Als objektiv historisch kann die Herangehensweise
des Interviewten nicht betrachtet werden, eher als populistisch,
reißerisch, verwerfend, verurteilend, nicht urteilend, die konkret
historische Situation zu Luthers Zeiten, die gesellschaftlichen
Verhältnisse, Entwicklungen, Erkenntnise usw. wsf. werden einfach
negiert. Dazu dann noch eine reichlich abwegige Forderung, welche
maximal dazu taugt etwas Aufmerksamkeit zu erhaschen, und das war es.
Schlussendlich gilt es Luther nicht entsprechend zu würdigen,
sondern in Bausch und Bogen zu verurteilen, begründet wird dieses
mittels oberflächlicher Betrachtungsweise, in dem einzelne Aussagen
Luthers in den Vordergrund gestellt werden, ohne diese im jeweiligen
Kontext zu betrachten. Auf die Frage am Ende, wer anstelle Luthers
gewürdigt werden solle, fallen nicht etwas Zeitgenossen desselben
ein, sondern es wird auf den italienischen Wissenschaftler Galilei
zurückgegriffen, mit dessen Leben sich Brecht trefflich
auseinandersetze und der kein Zeitgenosse Luthers war, sondern ca.
100 Jahre nach ihm lebte, in einem Italien, welches noch unter der
Knute des Katholizismus stöhnte!
Zum
Beitrag habe ich folgenden Leserbrief auf der entsprechenden Seite im
Internet hinterlassen und bin nun gespannt ob er zumindest zum
Beitrag veröffentlicht wird. (Luther war allerdings nicht der erste,
welcher der Papstkirche entgegentrat, neben einer ganzen Reihe
von Häretiker war der Bekannteste wohl Jan Hus, welcher 1415 für
seine Lehre auf dem Scheiterhaufen landete.)
Also
warum nicht den Platz der unbekannten Hexe!
Soviel
ahistorischen Müll habe ich selten gelesen, hier werden maximal
Klischees bedient, von kritischer Auseinandersetzung kann keine Rede
sein. Und so sei in diesem Zusammenhang Marx bemüht: „Selbst
historisch hat die theoretische Emanzipation eine spezifisch
praktische Bedeutung für Deutschland. Deutschlands revolutionäre
Vergangenheit ist nämlich theoretisch, es ist die Reformation. Wie
damals der Mönch, so ist es jetzt der Philosoph, in dessen Hirn die
Revolution beginnt.
Luther
hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion (Hingabe) besiegt, weil
er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er
hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität
des Glaubens restauriert hat. Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt,
weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von
der äußeren Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum
inneren Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette
emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt.“
Weiter
unten ist zu lesen: „Die Revolutionen bedürfen nämlich eines
passiven Elements, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in
einem Volk immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung
seiner Bedürfnisse ist.“
Aus:
„Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung“
MEW.
Band 1. Seiten 385/6.
Dieses
Vorwort ist interessant und jedem Atheisten ans Herz zu legen, allein
schon aus dem Grund, um nicht zu dem zu werden, was des Atheismus
eigentlicher und einziger Gegenstand ist und durch ihm bekämpft
wird! Und so sei ein weiteres Zitat aus obiger Quelle bemüht: „Der
Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene
Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.“
Anzumerken
wäre noch, dass der Kirche und den Staats-offiziellen dieses Feld
der Geschichte nicht überlassen werden sollte, allerdings hilf eine
Auseinandersetzung wie im Interview verkündet nicht weiter, ganz im
Gegenteil, sie ist Wasser auf die Mühlen der Geschichtsverklärer!
Es ist nicht uninteressant, in den letzten dreißig Jahren konnte ich beobachten, wie in der Erkenntnis immer weiter zurück gegangen wurde, speziell im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Entwicklung. Der dialektische und historische Materialismus wurde als erstes geopfert, allerding war er im Westen ohnehin verpönt, dort war der Hang zum Irrationalismus immer schon ausgeprägt. Dann ging es zurück hinter Erkenntnisse der Aufklärung, welche die französische Revolution beflügelt, dann kam Luther an die Reihe, also die Reformation, welche durchaus unterschiedlich daher gekommen, erinnert sei an die Ereignisse in Deutschland, aber auch in der Schweiz. Diese Errungenschaften mussten negiert werden und das Luther-Jubeljahr wurde auch dazu genutzt. Nun geht es weiter zurück und es werden sogar die klassischen, antiken Philosophen in Frage gestellt. Das Denken der Menschen wird auf a-historisch getrimmt und emotional bestimmt, es werden nicht nur Äpfel mit Birnen verglichen, wo durchaus etwas ähnlichkeit vorhanden, sondern Äpfel mit Blättern der Pfefferminze. Der Irrationalismus hat im westlichen Denken seinen Siegeszug angetreten und die Vernunft auf dem Opferstein ewiger Einfalt und religiösen Glaubens geopfert ...
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