Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Dienstag, 14. Dezember 2021

Zitat des Tages. (Gedanken zur Pandemie?)

 

Alter Bauer:

Herr Doktor, das ist schön von Euch,

Daß Ihr uns heute nicht verschmäht

Und unter dieses Volksgedräng,

Als ein so Hochgelahrter, geht.

So nehmet auch den schönsten Krug,

Den wir mit frischen Trank gefüllt,

Ich bring ihn zu und wünsche laut,

Daß er nicht nur den Durst Euch stillt;

Die Zahl der Tropfen, die er hegt,

Sei Euren Tagen zugelegt.

Faust:

Ich nehme den Erquickungstrank,

Erwidr` euch allen Heil und Dank.

 

Das Volk sammelt sich im Kreis umher.

 

Alter Bauer:

Fürwahr, es ist sehr wohlgetan,

Daß Ihr am frohen Tag erscheint;

Habt Ihr es vormals doch mit uns

An bösen Tagen gut gemeint!

Gar mancher steht lebendig hier,

Den Euer Vater noch zuletzt

Der heißen Fieberwut entriß,

Als er der Seuche Ziel gesetzt.

Auch damals Ihr, ein junger Mann,

Ihr gingt in jedes Krankenhaus,

Gar manche Leiche trug man fort,

Ihr aber kamt gesund herraus,

Bestandet manch harte Proben;

Dem Helfer half der Helfer droben.

Alle:

Gesundheit dem bewährten Mann,

Daß er noch lange kelfen kann!

Faust:

Vor jenem droben steht gebückt,

Der helfen lehrt und Hülfe schickt.

 

Er geht mit Wagener weiter.

 

Wagener:

Welch ein Gefühl mußt du, o großer Mann,

Bei der Verehrung dieser Menge haben!

O glücklich,wer von seinen Gaben

Solch einen Vorteil ziehen kann!

Der Vater zeigt dich seinem Knaben,

Ein jeder fragt und drängt und eilt,

Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.

Du gehst, in Reihen stehen sie,

Die Mützen fligen in die Höh,

Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie,

Als käm das Venerabile.

Faust:

Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,

Hier wllen wir von unsrer Wanderung rasten.

Hier saß ich oft gedankenvoll allein

Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.

An Hoffnung reich, im Glauben fest,

Mit Tränen, Seufzen, Händeringen

Dacht ich das Ende jener Pest

Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.

Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.

O könntest du in meinem Inneren lesen,

Wie wenig Vater und Sohn

Solch eines Ruhmes wert gewesen!

Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,

Der über die Natur und ihre heil`gen Kreise,

In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,

Mit grillenhafter Mühe sann;

Der, in Gesellschaft von Adepten,

Sich in die schwarze Küche schloß

Und, nach unendlichen Rezepten,

Das Widrige zusammengoß.

Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,

Im lauen Bad der Lilie vermählt

Und beide dann mit offenen Flammenfeuer

Aus einem Brautgemach ins adere geqält.

Erschien darauf mit bunten Farben

Die junge Königin im Glas,

Hier war die Arznei, die Partienten starben,

Und niemand fragte: wer genas?

So haben wir mit höllischen Latwerdgen

In diesen Tälern, diesen Bergen

Weit schlimmer als die Pest getobt.

Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben,

Sie welkten hin, ich muß erleben,

Daß man die frechen Mörder lobt.

 

Goethe, Faust Der Tragödie erster Teil, Verlag Philipp Recklam jun. Leipzig, 1988, Seite: 35 -37.

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