Wir leben in einer Zeit sich zuspitzender Widersprüche, Krisen erschüttern in immer kürzeren Abständen, mit immer größerer Wucht unsere Gesellschaft.
Wir leben in einer Zeit, wo nicht nur mit dem Säbel gerasselt wird, sondern Kriege geführt und ausgeweitet werden.
Wir leben in einer Zeit, in welchen die Meinung hauptsächlich von weitestgehend gleich geschalteten Massenmedien diktiert wird.
Eine andere Welt ist nicht nur nötig, sie ist auch möglich!
Zitat:
Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.- Bertold Brecht, „Leben des Galilei“
Zitat:
„Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“-Tacitus (römischer Historiker)
Zitat:
Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist.August Bebel
Vorwort: Dieser Beitrag ist schon etwas älter
und die Ursache der Betrachtung liegt etwas zurück. Aus mir
entfallenden Gründen blieb folgender Beitrag ein Entwurf,
wahrscheinlich ist, dass ich noch etwas daran arbeiten wollte. Und
einmal davon abgesehen, dass es durchaus Sinn macht über Begriffe
und deren Inhalte nachzudenken, sind in diesem Text zwei
weltanschaulich verschieden Definitionen für Kultur enthalten,
welche in weiten Teilen Übereinstimmung erzielen. Auch hat sich in
den letzten Jahren in Quedlinburg etwas in der Frage Infrastruktur
verändert, der Tourismus als Wirtschaftsfaktor findet durchaus mehr
Beachtung. Auch nicht an Aktualität hat die Überschrift verloren,
gerade wenn Berücksichtigung findet, dass Irrationalismus sich
gegenwärtig immer weiter entfaltet, was an vielen Medien anschaulich
zu sehen ist. 09.03.2012
Fragen über Fragen, Sinn oder Unsinn?
In der Druckausgabe der MZ vom 30.07.2009,
Quedlinburger Harzbote, ist auf Seite 9, unter der Überschrift
„Fragen über Fragen zum Gildefest“, auch folgendes zu
lesen: „Die erste Frage ist bereits eingegangen. Sie lautet: Wie
viel Kultur verträgt Quedlinburg?“ Einmal davon abgesehen,
dass Leser ihre Meinung zu dieser Frage schon äußern und natürlich
weitere Fragen stellen können, welche zum Gilde-Talk, im Rahmen des
Gildefestes vom 8. bis 9.August, Regionalpolitikern gestellt werden
sollen, möchte ich hier meine Gedanken zur oben genannten Frage
äußern.
Dem Volksmund zufolge gibt es keine dummen Fragen,
sondern nur dumme Antworten, welches sicher auch für diese Frage zu
trifft. Aus diesem Grund erachte ich es nicht nur als wichtig sich
inhaltlich mit der Frage auseinanderzusetzen, sondern auch zu
versuchen den Hintergrund für diese Frage zu ergründen.
Ja, wie viel Kultur verträgt Quedlinburg? Um nun zu
ergründen, wie viel man von einer Sache verträgt, oder wie viel von
einer Sache verträglich ist, ist es angebracht sich mit der Sache
selbst zu beschäftigen. Was ist eigentlich Kultur und was wird
darunter verstanden, ja, was könnte mit Kultur gemeint sein, wenn
sie im oben genanten Kontext verwand wird. Eines ist sicher, genauso
wie diese Frage ein Eigenkonstrukt des Veranstalters, oder der
Moderatoren ist, ist diese aus bestimmten Erwägungen platziert
worden und somit Kultur mit einem, diesen Erwägungen entsprechenden
Inhalt versehen worden.
Aber was ist nun Kultur?
„Der Kulturbegriffs als Zusammenfassung der
sprachlichen und lebensstilbezogenen Eigenheiten, der intellektuellen
(sowohl technischen wie religiösen und künstlerischen) Praktiken
des Wert- und Normgefüges, generell also der kommunikativen und
instrumentellen Kompetenzen einer Gesellschaft oder Gruppe.“*
oder Kultur:
Entwicklung der Menschen und ihrer Lebensweise in der Geschichte, im
Prozess ihrer Arbeit zur Aneignung und Umgestaltung der Natur und
ihrer Tätigkeit zur Entwicklung und Veränderung der
gesellschaftlichen Verhältnisse. Die dadurch entstehenden
materiellen und ideellen Lebensbedingungen der Individuen, ihre
historische Qualität sowie die sozialen Bedingungen ihrer Nutzung
entscheiden über die historisch konkreten und sozial bestimmten
Möglichkeiten und Formen der Persönlichkeitsentwicklung der
Individuen und ihrer Lebensweise. Zugleich entsteht durch die
>>vergegenständlichte Wesenskräfte des Menschen<<
(Marx, MEW, Ergänzungsband 1. S. 543) in materiellen und geistigen
Leistungen, sozialen Erfahrungen, kulturellen Traditionen und
subjektiven Fähigkeiten die Möglichkeit einer ständigen
Höherentwicklung der Gesellschaft und der Menschen, es vollzieht
sich ein universalgeschichtlicher Prozess der >>Entwicklung der
menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte, die der sogenannten
Natur sowohl, wie seiner eigenen Natur<< (Marx, Grundrisse, S.
387).
Und die erstgenannten kommunikativen und
instrumentellen Kompetenzen einer Gesellschaft oder Gruppe sind nun
Gegenstand der Frage? Was gibt es da mehr oder weniger nicht zu
vertragen? Etwa weg mit den Wert- und Normgefügen, fort mit den
Kompetenzen?
„Kultur(von lat. colere) ist im
weitesten Sinne alles, was der Mensch
selbst gestaltend
hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und
nicht veränderten Natur.
Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen
Materials, wie in der Technik,
der Bildenden
Kunst, aber auch geistiger Gebilde wie etwa im Recht,
in der Moral, der
Religion, der
Wirtschaft und
der Wissenschaft.
Der Begriff der Kultur
ist im Laufe der Geschichte immer wieder von unterschiedlichsten
Seiten einer Bestimmung unterzogen worden.[1].
Je nach dem drückt sich in ihm das jeweils lebendige
Selbstverständnis und der Zeitgeist
einer Epoche
aus, der Herrschaftsstatus oder -anspruch bestimmter Klassen oder
auch wissenschaftliche und philosophisch-anthropologische
Anschauungen. Die Bandbreite seiner Bedeutung ist dementsprechend
groß: Sie reicht von einer rein beschreibenden (deskriptiven)
Verwendung („Die Kultur jener Zeit.“) hin zu vorschreibenden
(normativen),
wenn bei letzterem mit dem Begriff der Kultur zu erfüllende
Ansprüche verbunden werden.
Der Begriff kann sich auf eine enge Gruppe von
Menschen beziehen, denen allein Kultur zugesprochen wird, oder er
bezeichnet das, was allen Menschen als Menschen zukommt, insofern es
sie beispielsweise vom Tier unterscheidet. Während die engere
Bestimmung des Begriffs meist mit einem Gebrauch im Singular
(„die Kultur“) verbunden ist, kann ein weiter gefasster Begriff
auch von „den Kulturen“ im Plural sprechen.“
(Der Begriff Kultur ist also das eine, seine
Anwendung etwas anderes und gelegentlich ist der Inhalt noch etwas
drittes, allein was zählen sollte, ist die Anwendung in ihrer
allgemeinsten Art, als Spur menschlichen Seins.)
Wie dem immer auch sein möge, Kultur ist nicht
handelbar! Und schon allein der Definition entsprechend, ist oben
gestellte Frage völliger Humbug! „Wie viel Kultur verträgt
Quedlinburg?“, ja wie viel wird es schon vertragen, bis zur
Kulturlosigkeit? Zurück zur Natur, das Bewusstsein an den Nagel
gehängt und auf die Bäume ihr Affen?
Ich frage mich ernsthaft, wird über Aussagen, wie
im Fall dieser Frage, deren Inhalt und Sinn überhaupt noch
nachgedacht? Irgendwann habe ich einmal gelesen, dass es heute auch
darauf ankommt den Kampf um Begriffe zu führen. Der Kulturbegriff
ist ein solcher, welcher mit allem Möglichen, wie auch unmöglichem
belegt wird, seinem Ursprung damit entfremdet und so für völlig
Abwegiges missbraucht werden kann. In der Regel dazu, bestimmte
Vorstellungen von Kultur als allgemeingültig und vereinnahmend
dazustellen.
Die gestellte Frage assoziiert Kultur als einen
Kostenfaktor, wie so vieles wird hier versucht Kultur, speziell
verschiedene Erscheinungsformen in die Warenform zu pressen, um sie
handelbar zu machen und den Bedürfnissen des Marktes anzupassen.
Wobei selbst dieses ist Kultur! Kultur ist wesentlich mehr und ob
sich Entwicklung in ein Korsett pressen lässt ist berechtigter Weise
zu bezweifeln. Kultur ist Ursprünglich die Aneignung und pflegende
Veredlung der rohen, äußeren Natur; analog auch Bändigung und
Höherentwicklung der inneren Natur. Zur Kultur einer Gesellschaft
gehören die Gesamtheit der objektiven und subjektiven Ergebnisse
menschlicher Tätigkeit, in denen sich die Entwicklung der Menschen
ausdrückt; das jeweils historisch-konkrete Ensemble der
Lebensbedingungen der Individuen, das die tatsächlich genutzten
Ergebnisse menschlicher Tätigkeit und deren Weiterentwicklung
umfasst; die Art und Weise, wie und mit welchen Ergebnissen die
Individuen an der Produktion, der Verteilung, dem Austausch und der
Nutzung des gesellschaftlichen Reichtums teilnehmen; die sich in der
praktischen und geistigen Lebenstätigkeit herausbildenden sozial
determinierten Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse und
Produktivkräfte der Individuen; die Formen des sozialen Verkehrs und
der geistigen Kommunikation in der Gesellschaft (einschließlich der
dafür ausgebildeten Instrumentarien, Techniken und Zeichen); die die
sozialen Beziehungen und das persönliche Verhalten der Individuen
regelnden Erfahrungen, Gewohnheiten, Normen, Rechtsvorschriften,
Traditionen und Wertorientierungen; die Bräuche, Kulte und Riten in
der jeweiligen Lebensweise, die Formen der Geselligkeit, des Spiels
und der Unterhaltung; die ideologischen Interpretationen und
Reflexionen des Verhältnisses der Menschen zur Natur und seiner
gesellschaftlichen Stellung und Perspektive in Kunst und
Weltanschauung und deren Einwirkungen auf die gesellschaftlichen
Verhältnisse und individuellen Verhaltensweisen; die Organisationen
und Institutionen des Überbaus, die von historischen Gesellschaften,
ethnischen bzw. lokalen Gemeinschaften, sozialen Klassen und
Schichten geschaffen werden, um kulturelle Ziele zu verwirklichen
(Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, Kommunikationsmittel,
Kultstätten, künstlerische Einrichtungen, religiöse Institutionen,
wissenschaftliche Lehr- und Forschungsstätten, Organisationsformen
von Geselligkeit, Unterhaltung, Erholung und Vergnügen).
Allgemeiner ausgedrückt, wird sie vom
Menschen, von gesellschaftlichen Verhältnisse hervorgebracht, prägt
und verändert, sie ist keine Frage des Vertragens, sondern eine
Frage der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse. Darum geht es in
der Frage aber nicht, in der Frage geht es um den so genannten
Kulturbetrieb. Quedlinburg gehört zum Weltkulturerbe, es sind die
sichtbaren Spuren von Kultur, von kultureller Entwicklung, welche
Quedlinburg für Besucher interessant machen. Diese Spuren zu
erhalten ist durchaus mit einigem Aufwand verbunden, nur wenn dieses
nicht getan wird, werden letztendlich diese Spuren verwischt.
Andererseits ist aber gerade dieses kulturelle Erbe unter den
gegebenen Verhältnissen ein entscheidender Wirtschaftsfaktor.
Den Fragestellern geht es um bestimmte Formen, in
welche sich Kultur gelegentlich ausdrückt und um die Verteilung der
geringen Mittel der Stadt.
Da wären zum Beispiel das Theater, die Museen,
Jugendeinrichtungen, eine für den Tourismus notwendige Infrastruktur
und nicht zu vergessen der gesamte Verwaltungsaufwand für dieses
Erbe, was zu finanzieren ist. Kosten welche aufgebracht werden müssen
und deren sich bestimmte Kräfte gerne entledigen würde, wenn es
möglich wäre.
So müsste es in der Frage nicht darum gehen wie
viel Kultur Quedlinburg verträgt, denn da ist sicher noch mehr
möglich als jetzt, sondern darum, welche Kosten in Zeiten immer
knapperer Kassen zu sparen sind. Wie kurzsichtig solche Fragen sind,
zeigt ein Blick hinter die Kulissen. Was vordergründig als Last
gesehen wird, nämlich die Ausgaben für das Weltkulturerbe, ist
eigentlich die entscheidende wirtschaftliche Infrastruktur der Stadt
Quedlinburg. Kein Wirtschaftszweig beschäftigt in dieser Stadt mehr
Menschen, kein Wirtschaftszweig bindet mehr Geld in der Stadt, als
der Tourismus.
Da das kulturelle Erbe aber nicht in seiner
wirtschaftlichen Bedeutung für diese Stadt gesehen wird und da eine
völlig falsche Vorstellung von Kultur propagiert wird, kommt es eben
zu der irrwitzigen Vorstellung, dass an diesem Posten der Stadt ohne
wirtschaftliche Folgen gekürzt werden könnte.
Wenn sich diese Stadt bestimmte Einrichtungen nicht
mehr leisten sollte, wie Theater, Museen, Jugendeinrichtungen etc. so
wird dieses sicher auch Einfluss auf die kulturelle Entwicklung der
Stadt haben, die Kultur wird sich verändern, wie sie sich in den
letzten Jahren, Jahrzehnten verändert hat, aber nicht zum Vorteil
der Menschen. Kultur ist das menschliche Leben selbst, menschliches
Leben bringt sie hervor und wandelt sie, sie ist keine Frage des
Vertragens, oder des Wollens, sie ist einfach da und mit unseren
Taten beeinflussen wir ihre Entwicklung und auch hier gilt:
„Die Zwecke der Handlungen sind gewollt, aber die Resultate, die
wirklich aus den Handlungen folgen, sind nicht gewollt, oder soweit
sie dem gewollten Zweck zunächst doch zu entsprechen scheinen, haben
sie schließlich ganz andere als die gewollten Folgen.“
Ja, wie viel Kultur verträgt Quedlinburg?
Vielleicht zurück in die Steinzeit, da war die Kultur noch eine ganz
andere? Vielleicht aber auch über die Verteilung der Kosten
nachgedacht und jene mehr an diese beteiligen, welche von den
kulturellen Errungenschaften, dem kulturellem Erbe wirtschaftlich am
meisten profitieren.
Übrigens wäre folgende Frage angebrachter, weil
treffender: Wie viel ungenutztes Gewerbegebiet verträgt
Quedlinburg? Wenn schon wirtschaftliche Infrastruktur hinterfragt
wird, dann doch bitte ausgewogen। Aber
wer möchte dieses schon, da wird doch lieber der Kulturbegriff
vorgeschoben, selbst wenn dieser seines Inhalts beraubt werden muss.
Also auf zum Gildefest, aber bitte kulturvoll!
Anmerkung: Wenn die Frage nach Kultur
gestellt wird, dann sollte diese nicht Quantitativ formuliert werden
sondern Qualitativ. Zum Beispiel, welche Kultur verträgt
Quedlinburg? Nur selbst unter Berücksichtigung der gegebenen
Verhältnisse wird die Antwort rein spekulativ sein, oder aber ganz
einfach, jene welche vorzufinden ist!
Wie viel, ist Kultur mengenmäßig zu messen?
Vielleicht ja, 100%, oder 80%, vielleicht auch nur 50% Kultur?
Solange es Menschen gibt, welche durch ihr bewusstes Leben gestaltend
tätig sind, werden es immer 100% Kultur sein, nicht mehr aber auch
nicht weniger. Kultur ist Kultur, was nichts daran ändert, dass ihre
Erscheinungsform sehr verschieden sein kann und immer der jeweiligen
Entwicklungstuffe der Gesellschaft entspricht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen