Sicher hat diese
Erscheinung auch Folgen, sie werden oft zur Genüge erläutert, die
Ursachen hingegen weniger, oder nur oberflächlich! Dabei liegen die
Ursachen nicht im Bildungssystem, sondern im gesellschaftlichen System
begründet. Dieses bringt in der Bundesrepublik nicht nur ein
mittelmäßiges und veraltetes Bildungssystem hervor, sondern drängt auch
ansonsten immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft. Und wozu
müssen die an den Rand gedrängten lesen und schreiben können? Wer lesen
und schreiben kann, dem stehen ganz andere Bildungsmöglichkeiten zur
Verfügung, welche unter Umständen Erkenntnisse mit sich bringen, die
nicht erwünscht sind! Nein, diese geistige Armut ist gewollt und aus
diesem Grund auch die schlechten Möglichkeiten der Misere des
Analphabetentums zu entrinnen, auf welche in einen
Bericht der FAZ verwiesen wird.
Aufmerksam wurde ich auf diesem Beitrag
hier, wobei sich dort die Diskussion in eine etwas andere Richtung entwickelte.
Aber wie schon
geschrieben, die eigentlichen gesellschaftlichen Ursachen des
Analphabetismus spielen im FAZ-Artikel keine Rolle, nur die Auswirkungen
und Maßnahmen welche ergriffen, oder eben nicht ergriffen werden. Dabei
ist „Bildungsarmut“ nicht neu, schon in den 1980iger Jahren wurde von
der Neuen Armut in der BRD gesprochen, welche sich im Gegensatz zur
klassischen Armut nicht durch Hunger auszeichnete, sondern durch
mangelnde Bildung. Bezeichnend für den Umgang mit dieser Art von Armut
ist folgende Aussage: „Ihre rudimentären Kenntnisse im Lesen,
Schreiben und meist auch im Rechnen werden weiter verkümmern, weil sie
zwar von einem gut ausgestatteten sozialen Netz aufgefangen werden, das
sich jedoch nur sehr selten um diese grundlegenden Fähigkeiten kümmert.“ Die Zielrichtung dieser Aussage tritt ziemlich offen zu Tage, es geht weniger um die „rudimentären Kenntnisse“ als vielmehr um das „gut ausgestattete soziale Netz“, von dem die betroffenen aufgefangen werden und welches sich „nur sehr selten um diese grundlegenden Fähigkeiten kümmert.“
Nicht nur das eine ernsthafte Änderung nicht gewollt ist, wären wir
auch bei der Hängemattentheorie angekommen, welche davon ausgeht: wenn
die sozialen Leistungen nicht so „umfassend“ wären, würden die Menschen
gezwungen sein, sich mehr zu bemühen. Einmal davon abgesehen, dass das
soziale Netzt alles andere als gut ausgestattet ist, soll nun noch diese
Ausstattung mit in die Verantwortung genommen werden. Soziale
Sicherheit macht träge, auch wenn der „faule, fette Bauch“ nur am
Hungertuche nagt. Auf die Analphabeten gemünzt könnte es bedeuten, dass
es besser wäre ihnen Unterricht zu bezahlen, als Grundversorgen! Was
letztlich dazu führen könnte, dass Problem relativ schnell in den Griff
zu bekommen, wenn z. B. an die Folgen mangelnder Ernährung gedacht wird.
Damit diese Theorie aber aufgeht und von den eigentlichen Ursachen
abgelenkt werden kann, werden Schuldige präsentiert. So ist zu lesen: „Seit
Jahrzehnten wird die Verantwortung für Analphabeten zwischen
Berufsbildung und Schulsystem hin und her gereicht und irgendwo
dazwischen begraben.“ Und wenn es gelingt die Verantwortung
zwischen diesen beiden Bestandteilen des Bildungssystems zu begraben,
wird kaum noch jemand nach den eigentlichen Ursachen fragen. Dass damit
nebenbei noch von den Ursachen des miserablen bundesdeutschen
Bildungssystems abgelenkt wird, braucht nicht gesondert erwähnt zu
werden.
Mit
dem zivilisatorisch erschreckenden Ausmaß, welches dieses Problem im
Laufe der Jahre angenommen hat, konfrontiert folgende Aussage: „Frau
Grotlüschens Studie konfrontierte uns mit der Tatsache, das
siebeneinhalb Millionen Menschen, im Alter zwischen achtzehn und
vierundsechzig Jahren, funktionale Analphabeten sind. Eine konservative
Schätzung, betont die Professorin, zumal noch einmal mehr als dreizehn
Millionen Menschen hinzukommen, die auch gebräuchliche
Wörter nur fehlerhaft schreiben und einfache Texte kaum verstehen. Alle
haben die deutsche Schule durchlaufen, weit mehr als die Hälfte der
Analphabeten sind deutsche Muttersprachler.“ Dabei ist beachtenswert, das „jeder zweite … einen Hauptschulabschluss“ besitzt, „einem Fünftel wurde gar die mittlere Reife attestiert - für Fähigkeiten, die sie nie hatten“.
Viele dieser Menschen haben sogar Arbeit und „diese
Arbeiten, mögen sie noch so einfach sein, unauffällig und richtig zu
erledigen erfordert von Analphabeten eine unglaubliche Kreativität. Sie
sind fleißig, angepasst, erfinden komplizierte, zuweilen hochoriginelle
Lügen. Denn alles ist darauf ausgerichtet, nicht aufzufallen, sich ein
Netz von verschwiegenen Helfern zu weben - was Abhängigkeiten schafft,
selten Erlösung.“ Also sind Analphabeten hervorragend zu
gebrauchende Arbeitskräfte, welcher man sich bei Bedarf relativ schnell
entledigen kann. Und wenn sie keine Arbeit haben, so stören sie nicht
unbedingt, sondern lassen sich unter Umständen viel leichter als
gebildete Menschen gegen ihre eigenen Interessen missbrauchen. Sie
erhalten ihre Informationen vorrangig aus den Medien, welchen sie Folgen
können und verstehen, dabei scheint ein Großteil der Medien gerade auf
dieses Publikum ausgerichtet zu sein, besonders wenn das Niveau der
verschiedensten Sendungen Berücksichtigung findet.
Richtigerweise
wird im Beitrag von „vergeudeter Intelligenz“ geschrieben, da es den
meisten durchaus gelingt sich im Leben trotz ihres gesellschaftlich
verursachten Handikaps zurechtzufinden und ihren Platz einzunehmen.
Klassisch würde so etwas und die Reaktionen darauf, als
Produktivkraftvernichtung in Folge der
allgemeinen Krise des Kapitalismus
bezeichnet werden, in einer Zeit, wo die meisten Ideologien vom
Irrationalismus geprägt werden, ist davon weniger die Rede und die
Verantwortung wird an der Oberfläche hin und her geschoben. Da wundert
auch nicht, das „d
as Verhältnis vorhandener Plätze in
Alphabetisierungskursen - etwa zwanzigtausend - zum Bedarf, geht man
davon aus, dass die meisten Betroffenen zu überzeugen wären, … grotesk“ ist.
Letztlich gibt es im Kapitalverwertungsprozess ohnehin schon nicht
genügend Arbeitsplätze und die Produktivkraftentwicklung wird deren Zahl
in Zukunft noch weiter schrumpfen lassen. Auffällig wird das Problem
des Analphabetismus, da gegenwärtig ein Klagelied über den zu
erwartenden Mangel an Fachkräften angestimmt wird. Da mit eigenen
Mitteln, eine Lösung dieses Problems nicht möglich scheint, müssen
andere Wege gesucht werden, die Industrie mit ausreichend Fachkräften zu
versorgen. Lösungen sind auch nicht fern, immerhin gibt es über 7
Milliarden Menschen auf der Welt, da werden sich schon die gebrauchten
Qualifikationen finden lassen.
So ist an einer
ernsthaften Lösung des Problems hierzulande nicht zu denken, einzig
Bewegung wird hineingebracht, zur Ablenkung viel Papier beschrieben und
Absichtserklärungen verkündet. Dass dabei die Verantwortung auf „breite“
Schultern verteilt wird und besonders Strukturen diese Aufgabe
schultern sollen, welche in den letzten Jahrzehnten immer weiter in die
allgemeine Verschuldung getrieben wurden, verwundert dabei wenig. Und so
heißt es auch im Text: „Und in allen nun nach und nach verfassten
Papieren zum Thema taucht der verräterische Satz auf, wonach der Bund
diese Sache unterstützt, auch Forschung finanzieren will. Nur die Kurse,
das Eigentliche, das Tor in die Welt der Mehrheit, die seien Sache der
Länder und Kommunen. Städte, die in ihrer Finanznot gerade nachdenken,
ob man Bibliotheken schließt und kleine Theater - die sollen in
krisenhaften Schuldenbremszeiten plötzlich freiwillig stemmen, was
Jahrzehnte ignoriert wurde?“
Und weiter: „Wenn
es gut geht, dann wird diese Sache, die unsere Schande ist, demnächst
im Plenum des Bundestages debattiert. Vielleicht tut sich ja doch etwas,
werden nicht nur noch mehr wohlklingende Absichtserklärungen
produziert. Spätestens im nächsten Jahr wird es ohnehin vorbei sein mit
der seligen Wegschauruhe im Land. Dann ist in Sachen Alphabetisierung
eine internationale Studie angekündigt, ähnlich der Pisa-Studie. Das
wäre der letzte und vermutlich lauteste Weckruf. Und es könnte peinlich
werden, wenn Deutschland dort bescheinigt wird, es gehöre bald zur
Dritten Welt im Kampf gegen die Unwissenheit.“ Im Kampf für Unwissenheit ist dieses Land hingegen führend und die Medien haben keinen unerheblichen Anteil daran. Das
Problem ist nur, dass nichts peinlich genug sein kann, wenn es um
Gewinne und Gewinnmaximierung geht. Wem soll es rühren und gab es nicht
schon genug Peinlichkeiten in der Vergangenheit, gerade auch im Bezug
auf die erwähnte Pisa-Studie? Viel wurde debattiert, die Gemüter
erregten sich, nur grundsätzlich geändert hat sich nichts, dabei kommen
die Ergebnisse der Pisa-Studie, wie auch der Analphabetismus aus ein und
demselben Topf.
Gedacht sei
übrigens auch daran, dass mit Bildung heute sehr viel Geld verdient wird
und so mancher Hatz VI. Empfänger nach der dritten oder vierten
Maßnahme immer noch keine entsprechende, also zum bestreiten des
Lebensunterhaltes ausreichend entlohnte, Arbeit gefunden hat. Letztlich
ist Qualifizierung nicht alles und wenn die Ware Arbeitskraft sich auf
dem Markt nicht verkaufen lässt, spielt sie kaum noch eine Rolle. Zudem
sind Menschen mit schlechter Bildung auch viel leichter zu beherrschen,
allein schon weil ihnen viele Fähigkeiten fehlen und sie auf Grund ihrer
Bildung wesentlich anfälliger für Manipulationen sind.
Analphabetismus
ist ein Problem in unserer Gesellschaft, ein Problem mit wachsendem
Potenzial, die Ursachen dieses Problems liegen aber nicht im
Bildungssystem begründet, sondern im kapitalistischen System selbst. Ein
System, welches auf Verwertung zum Zwecke der Maximierung des Profits
ausgerichtet ist, ordnet diesem Zweck alles unter. Waren, welche nicht
verwertet werden können, fallen der Vernichtung anheim, auch die Ware
Arbeitskraft. Massenweise Produktivkräfte werden in Destruktivkräfte
verwandelt und das mit allen möglichen Folgen. Massenweise werden dabei
Produktivkräfte vernichtet und das nicht nur in Kriegen. Viele Menschen
in diesem Lande tragen dem Rechnung, sie verweigern sich in gewisser
Hinsicht diesem System, in dem sie für sich eine ausweglose Lage
konstatieren und dieser entsprechend handeln, meistens in dem sie sich
ihr schicksalhaft fügen. Nur wenn den Menschen Bildung verweigert wird,
muss sich nicht gewundert werden, wenn nicht einmal die Möglichkeiten
genutzt werden, welche vorhanden sind! Damit wird sich nicht nur in ein
Schicksal gefügt, sonder auch die eigene Kraft geschwächt, die eigenen
Fähigkeiten verkümmert. Das ist der große Unterschied von neuer Armut,
zur alten Armut. Der alten Armut versuchten die Betroffene zu
entfliehen, dazu nutzen sie alle sich bietenden Möglichkeiten,
insbesondere Bildung, die neue Armut, welche dem kapitalistischen System
unserer Zeit entspringt und entspricht, hingegen hat einen Grad der
physischen Sättigung erreicht, welche sie als Masse trägt und gefügig
werden lässt. Hier ist die Gesellschaft gefragt, die kapitalistische hat
kein Interesse daran etwas zu ändern und eine andere ist momentan nicht
in Sicht!
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