zusammenfassende Bezeichnung für die Inhalte des gesellschaftlichen Bewusstseins, welche die Existenzbedingungen, die geschichtliche Entwicklung, die aktuelle Situation und die hieraus erwachsenden wesentlichen Aufgaben einer Nation vom Standpunkt einer bestimmten Klasse widerspiegeln. Das Nationalbewusstsein ist keine besondere Form des gesellschaftlichen Bewusstseins, sondern existiert im weltanschaulichen, politischen, moralischen und ästhetischen Bewusstsein und vermittels dieser Bewusstseinsformen. Da an die Existenz von Nationen gebunden, hat sich ein entwickeltes Nationalbewusstsein erst mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und der hierauf beruhenden kapitalistischen Nation herausgebildet, obwohl einzelne seiner Elemente bereits eine längere Geschichte besitzen.
Das Nationalbewusstsein ist nicht klassenindifferent, es hat Klassencharakter, da es immer durch die Beziehungen einer bestimmten Klasse zur Nation und durch die Interessen dieser Klasse geprägt wird. Das Nationalbewusstsein äußert sich im allgemeinen im Bewusstsein, einer Nation zuzugehören, mit ihr verbunden zu sein, in der Bereitschaft und dem Willen, die Rechte und Interessen dieser Nation zu verteidigen und zu ihrer Entwicklung beizutragen, im Stolz auf die Leistungen und Errungenschaften der Nation, wobei die verschiedenen Klassen unterschiedliche Auffassungen über die Rechte, die Interessen, Leistungen und Errungenschaften der Nation besitzen. Diese können nur vom Standpunkt der Arbeiterklasse objektiv und wissenschaftlich bewertet werden. Das bürgerliche Nationalbewusstsein, das zunächst progressive Züge besaß, hat mit der Entwicklung der Bourgeoisie zu einer reaktionären Klasse eine Wandlung zum reaktionären Nationalismus erfahren, dessen extreme Form der Chauvinismus ist. Im bürgerlichen Nationalbewusstsein werden die Geschichte, die Interessen, Rechte und Leistungen der Nation in einer solchen Weise widergespiegelt, dass dieses Nationalbewusstsein leicht zu einem Instrument des Nationalismus gemacht werden kann. Die Arbeiterklasse hat im Kampf gegen den bürgerlichen Nationalismus ein eigenes, proletarisches Nationalbewusstsein hervorgebracht, welches durch die Interessen der Werktätigen und ihre Beziehungen zur Nation geprägt ist und zugleich an die progressiven Züge des frühen bürgerlichen Nationalbewusstsein anknüpft. Es beruht auf dem Wissen, dass die Arbeiterklasse die geschichtliche Aufgabe hat, die Führung der Nation zu übernehmen, mit dem Aufbau des Sozialismus ihre sozialen Existenzgrundlagen umzugestalten und sie als sozialistische Nation in enger Zusammenarbeit mit den anderen Nationen zur höheren Blüte zu führen.
Nach dem Sieg der sozialistischen Revolution entwickelt sich das proletarische Nationalbewusstsein mit der Herausbildung der sozialistischen Nation zum sozialistischen Nationalbewusstsein. Das sozialistische Nationalbewusstsein bildet eine untrennbare Einheit mit dem sozialistischen Internationalismus (proletarischer Internationalismus). Es verbindet das Bewusstsein der Zugehörigkeit und Verbundenheit zur eigenen Nation mit dem Bewusstsein der Zugehörigkeit und Verbundenheit zur Gemeinschaft der sozialistischen Nation und orientiert das Denken, Fühlen und nicht nur die Interessen der eigenen Nation, sondern ebenso die der Gemeinschaft der sozialistischen Nation und der gesamten internationalen Arbeiterbewegung zu wahren und zu verteidigen und einen maximalen Beitrag zum Fortschritt dieser Gemeinschaft leisten.
In der DDR entwickelt(e) sich auf der Grundlage der sozialistischen Nation „ein sozialistisches Nationalbewusstsein, in dem der sozialistische Patriotismus und proletarische Internationalismus organisiert verbinden“. (Programm der SED, s. 78) Neben den Inhalten, die für das sozialistische Nationalbewusstsein allgemein charakteristisch sind, besitzt es auch Züge, die durch die geschichtliche Entwicklung der deutschen Nation bedingt sich, insbesondere durch die schädliche Herrschaft des Imperialismus über die Nation und ihre Folgen. So schloß das sozialistische Nationalbewusstsein in der DDR alles Progressive aus der Geschichte der deutschen Nation ein. Es enthilt weiterhin das geschichtlich erhärtete Wissen, dass der Imperialismus der Todfeind der Nation ist, dass die sozialistische Nation in der DDR sich daher konsequent von der imperialistischen BRD abgrenzen musste und dass ihre Entwicklungsperspektiven in der engen Zusammenarbeit mit den sozialistischen Nationen in der sozialistischen Staatengemeinschaft, vor allem mit der Sowjetunion, lagen. Bürgerliche Ideologen und Politiker versuchten mit den verschiedensten Mitteln, die Entwicklung des sozialistischen Nationalbewusstsein in der DDR aufzuhalten und ein „gesamtdeutsches Nationalbewusstsein“ zu verbreiten, um auf diese Weise ideologische Voraussetzungen für ihr Ziel der Beseitigung der sozialistischen DDR und ihrer Eingliederung in die kapitalistische BRD zu schaffen. Die ideologische und erzieherische Arbeit zur weiteren Entwicklung und Festigung des sozialistischen Nationalbewusstsein in der DDR schloß daher den konsequenten Kampf gegen alle Formen des „gesamtdeutschen Nationalismus“ ein.
Angelehnt an: Kleines politisches Wörterbuch, sechste Auflage, Dietz Verlag Berlin 1986, Seite 637 – 639.
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