Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Samstag, 18. Februar 2017

Gestern schon im Internet, heute in der Zeitung!

Der Quedlinburger Stadtrat hat beschlossen, dass ein zu planendes Industriegebiet nach Kritik durch übergeordnete Verwaltungsinstanzen erneut geplant werden soll. Also die Pläne so zu überarbeiten, dass es passt und den Anforderungen verschiedener Verwaltungsinstanzen und dem Welterbestatus entspricht. Die Abgeordneten stimmten denkbar knapp, dabei ist es drei Abgeordneten egal, sie enthielten sich der Stimme, ansonsten stimmten 15 mit ja und 14 mit nein, wie der Internetseite der MZ und heute der Druckausgabe zu entnehmen ist.
Überschrieben ist der Beitrag im Internet mit: „Planung Quarmbeck Quedlinburg will Industriegebiet ohne Gefahr für Welterbetitel“, und das ist doch was, nur warum will Quedlinburg überhaupt ein Industriegebiet? In der Druckausgabe ist der Beitrag anders überschrieben, es gibt einen Kommentar und mehr Informationen zur Veranstaltung selbst. Dabei ist interessant welche Fraktion anscheint die konstruktivsten Beiträge leistete, also sich mit dem Thema auch auseinandergesetzt hat. Das dieses nicht die Fraktionen der sogenannten großen Parteien sind und erst recht nicht die größte Fraktion mit ihren Psalmensängern, sondern das Bürgerforum, verwundert eigentlich nicht. Regional verortet, ohne politische Karriereambitionen, müssen deren Mitglieder keine Rücksicht auf übergeordnete Parteistrukturen und deren Dogmen nehmen, sie können ihrem Wissenstand und ihrer Überzeugungen entsprechend frei entscheiden.
Aber was soll es, ein Industriegebiet muss her, koste es was es wolle, das neoliberale Schaf will geritten werden und zu diesem Zweck erscheint es den befürwortenden Entscheidern sogar angebracht einfache und offensichtliche Zusammenhänge wirtschaftlicher Entwicklung zu ignorieren. Wunschdenken ersetzt fachliches Wissen, es wird geglaubt, was eingetrichtert und es wird schon so sein, wie es die Apologeten der reinen Marktlehre vermitteln. Arbeitsplätze sollen geschaffen werden, das große Menetekel, in dem Industrie angesiedelt, so der Tenor und da lohnt jeder Kompromiss, egal wie faul er daher kommt und wie viele Arbeitsplätze er kostet! (Es wäre nicht die erste Arbeitsplatzvernichtung, welche der Quedlinburger Stadtrat beschlossen hat, die Schließung des Kurzentrum in Bad Suderode war wohl die umfassendste Aktion dieser Art bis jetzt.)
Nur gibt es nicht schon genügend Industriegebiete, welche leer und erschlossen auf die Karawane der mit Blindheit geschlagenen Investoren warten, um diese zum Verweilen einzuladen? Letztlich sind es aber meistenteils nicht die Kamel der Investoren genannten Kameltreiber, welche ihren Dung auf den Industrieflächen hinterlassen, sondern gelegentlich die eine oder andere Kuh. Allerdings sind diese Kühe nicht einmal heilig, sie hohlen sich nur etwas von der Natur zurück, welche ihnen genommen wurde.
Dabei hat Quedlinburg soviel Potenziale allein mit seinem kulturellen Erbe, vieles kann daran anknüpfen, nicht nur der Tourismus, aber Industrie muss es sein und das in einer Zeit wo Konzentration und Zentralisation des Kapitals im beschleunigtem Maße voranschreiten. Aber was ist schon Kapital, hat was mit Marx zu tun, denken einige, das kann nicht gut sein und so werden Illusionen von wirtschaftlicher Entwicklung gepflegt, jedem Affen wird Zucker gegeben, nur um diese Illusionen am Leben zu erhalten.
Nur wo geht Industrie hin, aufs Land, in den ländlichen Raum? Wohl kaum, Industrie geht dorthin wo Industrie schon ist, da hilft es auch wenig hier mit billigen Industrieflächen und billigen Arbeitskräften zu werben, wobei Arbeitskräfte ohnehin im erforderlichem Maße nicht vorhanden sind. Auch werden in modernen Industrieanlagen bei weitem nicht mehr soviel Arbeitskräfte benötigt, wie sich manch Politiker in seiner Fantasie vorstellt. Aber selbst die benötigten Arbeitskräfte müssen erst einmal da sein und das ist nicht ganz so einfach, auch wenn der Illusion nachgegeben wird, dass ja genügend Arbeitslose vorhanden sind! Und machen wir uns doch nichts vor, mit der Schaffung von Arbeitsplätzen wird geworben, um Menschen Arbeit zu geben, wie es immer so schön heißt, aber sind die Arbeitslosen gerade die Arbeitskräfte, welche neu anzusiedelnde Industrie benötigt? Es werden Fachkräfte gebraucht und bei allem Aktionismus im Umschulen, bestimmte Grundfertigkeiten sollten schon vorhanden und die 10 + x te Umschulung macht keinen Spaß mehr. Und so wird ansiedelnde Industrie, sollte sie sich ansiedeln, auf das Fachkräftepotenzial zurückgreifen, welches in der Region vorhanden ist. Dieses Potenzial muss allerdings zum größten Teil abgeworben werden, was wiederum für andere Unternehmen ernsthafte Konsequenzen haben kann, da in der Industrie unter Umständen höhere Löhne gezahlt werden, als zum Beispiel im Handwerk, in der Gastronomie, Hotellerie, Landwirtschaft, etc. Nicht zu vergessen, es können sicher auch Arbeitskräfte aus anderen Regionen angeworben werden, allerdings ist das nicht so einfach, da in Sachsen Anhalt nicht gerade die üppigsten Löhne gezahlt werden, ganz im Gegenteil, bei entsprechenden Vergleichen schneidet dieses Bundesland in der Regel schlecht ab und landet auf den letzten Plätzen. Und wenn sich doch Fachkräfte finden, welche sich hierher in Bewegung setzen, so müssen diese auch irgendwo wohnen, allerdings sollen die städtischen Wohnungen in der Nähe des zu planenden Industriegebietes abgerissen werden, was für eine Industrieansiedlung nicht unbedingt förderlich ist. Eine Tatsache welche zeigt, dass der Optimismus bei den Oberen der Stadt im Zusammenhang mit der Entwicklung des Industriegebietes nicht groß sein kann, da zwar ein Industriegebiet geplant, die Infrastruktur der Stadt allerdings nicht dementsprechend angepasst, sondern gegenteilig entwickelt wird.
Ein weiterer oft bemühter Punkt für Investitionen der Stadt in die Erschließung von Industriegebieten, sind die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen, von denen oft in den schillerndsten Farben fabuliert wird, gar das Rückgrat kommunaler Finanzierung sein sollen, mit welchen allerdings erst in Jahren zu rechen ist, wenn überhaupt. Das weitere Kriterien eine Rolle spielen, wie der Hauptsitz des Unternehmens zum Beispiel soll erwähnt werden, genauso wie die Reiselust der Investoren, welche gern eine abgegraste, gelegentlich auch verwüstete Fläche zurücklassen, wenn die Karawane weiterzieht. Beispiele dafür gibt es einige, dass Unternehmen, wenn Förderbindungen ausgelaufen, ihre Zelte auch wieder abgebrochen haben und zu neuen Weidegründen aufgebrochen sind.
Was soll das also, ein Industriestandort ist Quedlinburg nicht, dafür verfügt die Stadt über andere Potenziale, die Stadt gehört zum Welterbe, hat eine lange kulturelle Tradition, es gibt engagierte Menschen, ein umfangreiches künstlerisch kulturelles Angebot, es ist ein guter Wohnstandort und bittet vielfältige Möglichkeiten für Menschen sich hier auch beruflich niederzulassen. Es gibt Bereiche der Wirtschaft, welche gerade auf Grund moderner Technologien hier ansässig werden könnten, ohne das dafür große Industriegebiete notwendig wären, was der Stadt bei knappen Kassen umfangreiche, allerdings auch spekulative Investitionen in eine Infrastruktur abverlangt, welche unter Umständen nicht gebraucht wird. ...

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