Der Quedlinburger
Stadtrat hat beschlossen, dass ein zu planendes Industriegebiet nach
Kritik durch übergeordnete Verwaltungsinstanzen erneut geplant
werden soll. Also die Pläne so zu überarbeiten, dass es passt und
den Anforderungen verschiedener Verwaltungsinstanzen und dem
Welterbestatus entspricht. Die Abgeordneten stimmten denkbar knapp,
dabei ist es drei Abgeordneten egal, sie enthielten sich der Stimme,
ansonsten stimmten 15 mit ja und 14 mit nein, wie der
Internetseite der MZ und heute der Druckausgabe zu entnehmen ist.
Überschrieben
ist der Beitrag im Internet mit: „Planung Quarmbeck
Quedlinburg will Industriegebiet ohne Gefahr für Welterbetitel“,
und das ist doch was, nur warum will Quedlinburg überhaupt ein
Industriegebiet? In der Druckausgabe ist der Beitrag anders
überschrieben, es gibt einen Kommentar und mehr Informationen zur
Veranstaltung selbst. Dabei ist interessant welche Fraktion anscheint
die konstruktivsten Beiträge leistete, also sich mit dem Thema auch
auseinandergesetzt hat. Das dieses nicht die Fraktionen der
sogenannten großen Parteien sind und erst recht nicht die größte
Fraktion mit ihren
Psalmensängern,
sondern das
Bürgerforum, verwundert eigentlich nicht. Regional verortet, ohne politische
Karriereambitionen, müssen deren Mitglieder keine Rücksicht auf
übergeordnete Parteistrukturen und deren Dogmen nehmen, sie können
ihrem Wissenstand und ihrer Überzeugungen entsprechend frei
entscheiden.
Aber was soll es, ein
Industriegebiet muss her, koste es was es wolle, das neoliberale
Schaf will geritten werden und zu diesem Zweck erscheint es den befürwortenden Entscheidern sogar angebracht einfache und offensichtliche
Zusammenhänge wirtschaftlicher Entwicklung zu ignorieren.
Wunschdenken ersetzt fachliches Wissen, es wird geglaubt, was
eingetrichtert und es wird schon so sein, wie es die Apologeten der
reinen Marktlehre vermitteln. Arbeitsplätze sollen geschaffen
werden, das große Menetekel, in dem Industrie angesiedelt, so der
Tenor und da lohnt jeder Kompromiss, egal wie faul er daher kommt und
wie viele Arbeitsplätze er kostet! (Es wäre nicht die erste
Arbeitsplatzvernichtung, welche der Quedlinburger Stadtrat
beschlossen hat, die Schließung des
Kurzentrum in Bad Suderode war
wohl die umfassendste Aktion dieser Art bis jetzt.)
Nur gibt es nicht schon
genügend Industriegebiete, welche leer und erschlossen auf die
Karawane der mit Blindheit geschlagenen
Investoren
warten, um diese zum Verweilen einzuladen? Letztlich sind es aber
meistenteils nicht die Kamel der Investoren genannten Kameltreiber,
welche ihren Dung auf den Industrieflächen hinterlassen, sondern
gelegentlich die eine oder andere Kuh. Allerdings sind diese Kühe nicht
einmal heilig, sie hohlen sich nur etwas von der Natur zurück,
welche ihnen genommen wurde.
Dabei hat Quedlinburg
soviel Potenziale allein mit seinem kulturellen Erbe, vieles kann
daran anknüpfen, nicht nur der Tourismus, aber Industrie muss es
sein und das in einer Zeit wo Konzentration und Zentralisation des
Kapitals im beschleunigtem Maße voranschreiten. Aber was ist schon
Kapital, hat was mit Marx zu tun, denken einige, das kann nicht gut sein und so werden
Illusionen von wirtschaftlicher Entwicklung gepflegt, jedem Affen
wird Zucker gegeben, nur um diese Illusionen am Leben zu erhalten.
Nur wo geht Industrie
hin, aufs Land, in den ländlichen Raum? Wohl kaum, Industrie geht
dorthin wo Industrie schon ist, da hilft es auch wenig hier mit
billigen Industrieflächen und billigen Arbeitskräften zu werben, wobei
Arbeitskräfte ohnehin im erforderlichem Maße nicht vorhanden sind.
Auch werden in modernen Industrieanlagen bei weitem nicht mehr soviel
Arbeitskräfte benötigt, wie sich manch Politiker in seiner Fantasie
vorstellt. Aber selbst die benötigten Arbeitskräfte müssen erst
einmal da sein und das ist nicht ganz so einfach, auch wenn der
Illusion nachgegeben wird, dass ja genügend Arbeitslose vorhanden
sind! Und machen wir uns doch nichts vor, mit der Schaffung von
Arbeitsplätzen wird geworben, um Menschen Arbeit zu geben, wie es
immer so schön heißt, aber sind die Arbeitslosen gerade die
Arbeitskräfte, welche neu anzusiedelnde Industrie benötigt? Es
werden Fachkräfte gebraucht und bei allem Aktionismus im Umschulen,
bestimmte Grundfertigkeiten sollten schon vorhanden und die 10 + x te Umschulung macht keinen Spaß mehr. Und so wird ansiedelnde Industrie, sollte sie sich ansiedeln, auf das
Fachkräftepotenzial zurückgreifen, welches in der Region vorhanden
ist. Dieses Potenzial muss allerdings zum größten Teil abgeworben
werden, was wiederum für andere Unternehmen ernsthafte Konsequenzen
haben kann, da in der Industrie unter Umständen höhere Löhne
gezahlt werden, als zum Beispiel im Handwerk, in der Gastronomie,
Hotellerie, Landwirtschaft, etc. Nicht zu vergessen, es können
sicher auch Arbeitskräfte aus anderen Regionen angeworben werden,
allerdings ist das nicht so einfach, da in Sachsen Anhalt nicht
gerade die üppigsten Löhne gezahlt werden, ganz im Gegenteil, bei
entsprechenden Vergleichen schneidet dieses Bundesland in der Regel
schlecht ab und landet auf den letzten Plätzen. Und wenn sich doch
Fachkräfte finden, welche sich hierher in Bewegung setzen, so müssen
diese auch irgendwo wohnen, allerdings sollen die städtischen
Wohnungen in der Nähe des zu planenden Industriegebietes abgerissen
werden, was für eine Industrieansiedlung nicht unbedingt förderlich
ist. Eine Tatsache welche zeigt, dass der Optimismus bei den Oberen der Stadt im
Zusammenhang mit der Entwicklung des Industriegebietes nicht groß
sein kann, da zwar ein Industriegebiet geplant, die Infrastruktur der
Stadt allerdings nicht dementsprechend angepasst, sondern gegenteilig entwickelt wird.
Ein weiterer oft bemühter
Punkt für Investitionen der Stadt in die Erschließung von
Industriegebieten, sind die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen,
von denen oft in den schillerndsten Farben fabuliert wird, gar das
Rückgrat kommunaler Finanzierung sein sollen, mit welchen allerdings
erst in Jahren zu rechen ist, wenn überhaupt. Das weitere Kriterien
eine Rolle spielen, wie der Hauptsitz des Unternehmens zum Beispiel
soll erwähnt werden, genauso wie die Reiselust der Investoren,
welche gern eine abgegraste, gelegentlich auch verwüstete Fläche
zurücklassen, wenn die Karawane weiterzieht. Beispiele dafür gibt
es einige, dass Unternehmen, wenn Förderbindungen ausgelaufen, ihre
Zelte auch wieder abgebrochen haben und zu neuen Weidegründen
aufgebrochen sind.
Was soll das also, ein
Industriestandort ist Quedlinburg nicht, dafür verfügt die Stadt
über andere Potenziale, die Stadt gehört zum Welterbe, hat eine
lange kulturelle Tradition, es gibt engagierte Menschen, ein
umfangreiches künstlerisch kulturelles Angebot, es ist ein guter
Wohnstandort und bittet vielfältige Möglichkeiten für Menschen
sich hier auch beruflich niederzulassen. Es gibt Bereiche der
Wirtschaft, welche gerade auf Grund moderner Technologien hier
ansässig werden könnten, ohne das dafür große Industriegebiete
notwendig wären, was der Stadt bei knappen Kassen umfangreiche,
allerdings auch spekulative Investitionen in eine Infrastruktur
abverlangt, welche unter Umständen nicht gebraucht wird. ...
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