Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Dienstag, 5. Juni 2012

In Insel - alltäglicher Faschismus – keine Insel!

Nun füllen die Vorkommnisse in Insel, einen kleinen Ort in Sachsen-Anhalt, in der Altmark, nicht zum ersten Mal Zeitungsseiten. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, eskaliert die Situation gegenwärtig wieder und zeigt wie weit faschistisches Gedankengut heute wieder in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Das dieses von faschistischen Organisationen genutzt wird, um in diesem Fall Präsenz zu zeigen, wundert eigentlich nicht, haben doch „anständige“ Bürger gute Vorarbeit geleistet. Heute ist in der MZ zu erfahren, „Insel wird zur Festung“ nach dem gestern zu lesen war, „Bewohner von Insel greifen an“, auf weitere begleitende Kommentare und Texte sei hier nur verwiesen, ein Teil kann in der Internetausgabe der Zeitung ebenfalls nachgelesen werden.
An diesem Beispiel ist sehr gut zu erkennen, wie weit faschistisches Gedankengut in der Gesellschaft heute schon wieder verwurzelt ist und wie wenig Widerstand diesem entgegengesetzt wird. Da ist es über längere Zeit möglich Menschen zu terrorisieren, zu stigmatisieren und die Situation sich eskalieren zu lassen, bis hin zur versuchten Selbstjustiz. Der Sprachgebrauch der Presse tut ihr übriges, wenn nicht gar gehetzt wird, wie im Fall des weggezogenen Opfers, über dessen Wegzug die Bildzeitung nicht nur berichtete, sondern sogar dessen neuen Wohnort preisgab und die Stoßrichtung faschistischen Treibens gleich vorgab. Das Bild was sich ergibt ist erschreckend, nicht Integration in die Gesellschaft, sondern Ausschluss aus der Gesellschaft. Dazu wird eine regelrechte Hetzjagd veranstaltet, erst wird über eine längeren Zeitraum Psychoterror ausgeübt, welcher nun in physischen Terror übergeleitet wird, in dem das Anwesen überfallen werden soll, um die anwesenden Opfer zu vertreiben. Dieses kann zwar mittels entsprechender Polizeipräsenz verhindert werden, wobei die Tat für die Täter keine Konsequenzen zu haben scheint.
Im Sprachgebrauch der Medien wird das Bild zum Teil auf dem Kopf gestellt, da beständig die Rede von den in der Altmark-Gemeinde Insel lebenden „Sexualstraftätern“ ist. Als ob diese dorthin gezogen wären, um ihre Strafe abzusitzen und die Bürger sich nun gegen diesen „offenen Vollzug“ verwahren. Dabei haben die Männer ihre Strafen abgesessen und waren bestrebt einen Neuanfang zu wagen, sich in der Gesellschaft zu integrieren!
So zogen sie in das Dorf in der Altmark und die Umstände ließen es zu, dass sie Opfer faschistischen Treibens werden. Denn um etwas anderes handelt es sich nicht, egal ob das Vorgehen gegen die zwei Männer von ganz „normalen“ Bürgern oder von organisierten Faschisten ausgeht. Hier wird nicht nur versucht Menschen auszugrenzen, anstatt sie zu integrieren, hier wird einer allgemeinen Stigmatisierung durch die Medien entsprochen. Jede Verhältnismäßigkeit vergessend, wird menschliches Sein im politischen Interesse instrumentalisiert, auch wenn es „nur“ der Ablenkung von eigentlichen gesellschaftlichen Problemen dient.
Es sei in diesem Zusammenhang an den medialen Umgang mit verschiedenen Straftaten, insbesondere mit Sexualdelikten, welche im Allgemeinen in einem Maße ausgebeutet und instrumentalisiert werden, welches weit über ihre eigentliche Bedeutung im gesellschaftlichen Leben hinausgeht. So wurde in solchen Fällen ein Klima befördert, welches den Nährboden für faschistisches Gedankengut, Denunziation und Lynchjustiz bereitet. Zum Schluss bleibt dann nur die Lösung des Wegsperrens auf immer und ewig übrig. Und haben die deutschen Faschisten nicht nach ihrer Machtübernahme 1933 gerade auf dieses Mittel zurückgegriffen? Als erstes haben sie Andersdenkende (Kommunisten, Sozialdemokraten, etc.) und später auch Andersseiende (Homosexuelle, Behindert, Sinti, Roma, Juden etc.) weggesperrt! Die Andersdenkenden um ihre Macht zu sichern und die Andersseienden um ihrer rassistischen Ideologie praktischen Nachdruck zu verleihen und gesellschaftliche Widersprüche zu verschleiern. Und wie viele dieser Menschen haben ihr Gefängnis nie wieder lebend verlassen? Sollte unsere Gesellschaft nicht hinzugelernt haben, oder sind wir schon wieder soweit gesunken, dass vermeint wird, gesellschaftliche Probleme und das Problem der zwei Männer in Insel ist ein solches, nur mittels Wegsperren lösen zu können?
Ja, der alltägliche Faschismus, er erhält Tag für Tag Nahrung und nicht nur durch die Medien, auch durch des Menschen praktische Tat. Er ist nicht gekennzeichnet durch faschistische Aufmärsche, welchen durchaus erfolgreich Widerstand entgegengesetzt wird, sondern durch Verhaltensweisen im täglichen Leben, besonders anderen Menschen gegenüber. Allgemein faschistisches Gedankengut findet sich in vielen Köpfen, vielen ist dieses oft nicht einmal bewusst, es hat die Mitte der Gesellschaft lange schon erreicht. Gegenstand von öffentlichen Auseinandersetzungen hingegen ist es selten, auch wenn dieses Gedankengut sich durchaus in den Medien spiegelt, wie im Fall von Insel und Insel ist nicht nur in der Altmark!    

Nachsatz:
Nun haben die zwei „Insel-Bewohner“ ihre Strafe verbüßt, sie hatten Sexualstraftaten begangen, wobei gerade letzteres dem Mob motiviert demokratische Lynchjustiz zu praktizieren! Um etwas anderes handelt es sich nicht, wenn ein permanenter Psychoterror ausgeübt wird und werden kann. Das dieser nun die nächste Stufe erreicht, ist dem Beitrag in der MZ zu entnehmen, denn nun ist es zu Ausschreitungen vor dem Wohnhaus gekommen. Ohne massiven Polizeieinsatz wäre wohl die Erstürmung des Hauses kaum zu verhindern gewesen. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass es nicht nur der Mob ist, welcher von sich aus losmarschiert, sondern dass dieser immer auch eines Anstoßes bedarf. So wurden Mistgabeln verteilt und durch die Medien zumindest die Fackel gereicht. Da ist zum einem der Sprachgebrauch, welcher verwendet, aber auch die Hysterie, welche regelmäßig im Falle von Sexualstraftaten verbreitet wird. In diesem Zusammenhang Menschen die Fähigkeit zur Veränderung abzusprechen, gehört fast schon zum guten Ton und wird regelmäßig an nichtrepräsentativen Einzelbeispielen nachgewiesen. Auf Grund praktizierter Berichterstattung, geht auch jegliche Proportionalität verloren und es entsteht der Eindruck, dass die meisten Menschen zumindest potenziell von Sexualstraftaten betroffen sind. Das dieses voraussetzt, das Mensch auch im selben Ausmaße Sexualstraftäter sein muss, fällt im Allgemeinen unter dem Tisch, oder gipfelt in Aussagen, das die meisten solcher Straftaten unentdeckt bleiben, da sie im Familien- und Bekanntenkreis stattfinden. Was wiederum die Aktöhre in Insel veranlassen müsste, sich selbst zu fragen, in wiefern sie selbst zu solchen Straftaten neigen? Nein, die Medien sind nicht unschuldig an dem Verhalten dieser Menschen, aber in erster Linie ist dieses Verhalten den gesellschaftlichen Verhältnissen selbst geschuldet, welche es im Interesse der bestehenden Machtverhältnisse erfordern, von den eigentlichen Problemen der Menschen abzulenken. (Gerade die weitestgehend gleichgeschalteten Konzernmedien haben für eine entsprechend Ablenkung zu sorgen.)
Aber selbst wen Straftaten genommen werden, so ist es durchaus berechtigt zu Fragen, wie viele Menschen werden z. B. im Jahr Opfer von Sexualdelikten und wie viele Opfer von Unfällen im Straßenverkehr, oder anderen Gewaltverbrechen? Bewusst wird bei Verkehrsunfällen von „Unfällen“ gesprochen, aber ist nicht ein jeder Autofahrer, eine jede Autofahrerin ein/e potenzielle/r Mörder/in? Und wie viele Menschen werden jährlich im Straßenverkehr verletzt und getötet? ((Von den Opfern deutscher Militäreinsätze (welche ein entsprechendes gesellschaftliches Klima benötigen) weltweit, und im Allgemeinen nicht als Straftat gesehen werden, hier einmal abgesehen)). Nein, das ist nicht gut und von den gesellschaftlichen Ursachen der verschiedensten Straftaten ist in der Regel nichts zu hören. Aber sind es nicht gerade diese, welche Menschen zum Täter werden lassen, welche zumindest die verbrecherische (gegen andere Menschen gerichtet) Tat begünstigen! Ist es nicht bezeichnend für unser heutiges gesellschaftliches System, das genommen wird und nicht gegeben? Diese Vorgehensweise hat viele Namen, so wird sie Wettbewerb, Geschäft, Gebühr, Pflicht und Recht, legitimes Interesse, Interessenvertretung etc. genannt, sie hat nichts mit Menschlichkeit, Menschheitsinteresse, Sozialität und Solidarität zu tun. Sie ist ausgerichtet auf die Entfremdung des Menschen, sie spaltet und vereint nicht, sie pflegt und fördert den Unterschied und verdeckt und zerstört die Gemeinsamkeiten, sie schafft Täter, welche zu Opfern werden und erklärt Täter zu Opfern, damit sie ihren Opfern unbelastet gegenübertreten können.
Der Name Insel ist bezeichnend, er hat das Zeug Synonym zu werden, stehend für Intoleranz, Ignoranz, Menschenverachtung, Ausgrenzung, aber auch für die Unfähigkeit eine solidarisch, humanistische Lösung zu bewirken! Aber egal wie eine „Insellösung“ aussehen wird, am eigentlichen Problem wird es unter den gegenwärtigen Verhältnissen wenig ändern! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen