Die Ode an den Investor hatte ich in der Mailingliste
der Freidenker veröffentlicht, sie hat durchaus Reaktion erfahren, eine
jedenfalls. Diese Reaktion verweist auf die „Blauäugigkeit“ der DDR
Bürger zur Wendezeit, welche weitestgehend zugesehen haben, wie eine
ganze Volkswirtschaft privatisiert und abgewickelt wurde. Von der
ehemaligen ökonomischen Stärke der DDR, immerhin war sie die
zehntgrößte Industrienation, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Nur
Privatisierung auf diesen historischen Vorgang zu beschränken, auch
wenn sie sehr intensiv betrieben wurde und mit ihrer Hilfe Milliarden
umverteilt, würde etwas zu kurz greifen, da solche Vorgänge für das
System des Kapitals typisch sind. In einem weiteren Kommentar wurde
darauf reagiert, wobei die Ereignisse 1989/90 in den Vordergrund
gerückt wurden, nicht Privatisierung stand im Mittelpunkt, sondern die
politischen Ereignisse, der Ablauf dieser, in qualitativ
unterschiedliche Phasen geteilt. Das es sich dabei um ein streitbares
Thema handelt, war einem weiterem Beitrag zu entnehmen, wobei die
Überschrift zwischenzeitlich dem Thema angepasst wurde. Diese Beiträge
zum Anlass nehmend, schrieb ich folgendes und veröffentlichte dieses in
der Mailingliste:
Hallo …, …, … und alle anderen Nutzer dieser Liste,
ich
finde es durchaus inspirierend, bin jedoch etwas überrascht in welche
Richtung diese Diskussion geht. Ursprünglich ist es in der “Ode”
um die mir zum Teil unverständliche und oft ungeprüfte Heiligsprechung
von Investoren gegangen, welche ein hohes Ansehen genießen, wenn sie
nicht gerade als klassifizierte Heuschrecken daherkommen. Das in diesem
Zusammenhang eigentlich alle Investoren Heuschrecken sind, wird gern
vergessen und der Illusion vom guten und bösen Kapitalismus gefolgt.
Dabei habe ich nicht einmal an die Rolle von Investoren beim
Ausschlachten der Volkswirtschaft der DDR gedacht, sondern an ihre
allgemeine Rolle, welche diese in der BRD eigentlich vor dem Untergang
der DDR schon gespielt haben. So war es immer schon üblich kommunales
Eigentum zu privatisieren, Zuschüsse dafür zu kassieren, es unter
Umständen auszuschlachten und die Reste den Kommunen wieder zu
übereignen, mit der Aufgabe dieses Eigentum wieder privatisierungsfähig
zu machen. Das ist also kein Problem aus der Zeit des Untergangs der
DDR, sondern ein permanent präsentes nicht nur im Kapitalismus der BRD.
Die Blauäugigkeit in solchen Fällen ist allgemein und weit verbreitet,
was nun 1989/90 über die Bürger der DDR gekommen ist, war für die
meisten neu, es entsprach nicht ihrer praktischen Erfahrungswelt, auch
ein Grund warum die Gefahr verkannt wurde. Die Bürger der alten BRD
hingegen hatten längst damit gelernt zu leben, sie kannten es
eigentlich nicht anders. Erst in jüngerer Vergangenheit häuft sich
Widerstand gegen die verschiedensten Privatisierungsbestrebungen, so
ist es zum Beispiel vor Jahren gelungen die Privatisierung der Stadtwerke in Quedlinburg
zu verhindern. In diesem Fall stellte sich die Situation etwas anders
da, die Stadtwerke schrieben und schreiben schwarze Zahlen und wurden
zum Zwecke der Privatisierung schlecht geredet. Die Argumente der
Privatisierungsbefürworter konnten relativ einfach widerlegt werden.
Anders im aktuellen Fall des
Kurzentrums, dieses wird defizitär geführt, die Stadt
Quedlinburg ist finanziell überfordert und so ist es nicht ganz so einfach gegen eine Privatisierung zu argumentieren.
Aber zurück zu 89/90:
So
hatten die Menschen in der DDR durchaus mehr Wissen über das System des
Kapitals und seine Funktionsweise als die meisten Menschen in der BRD,
allein hat dies aber nichts genutzt. Die Schuld den allgemeinen
Verhältnissen und Entwicklungen zwischen „Ost und West“ zu geben,
greift nicht nur deshalb zu kurz. Eine wissenschaftliche Lehre wurde
zur Religion, verlangte zu glauben, da den meisten Menschen die
praktische Überprüfbarkeit dem Kapitalismus betreffenden Wissens
verwehrt war. In diesem Zusammenhang sei auf die zweite Feuerbachthese von Marx: „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische
Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die
Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der
Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das
sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage,“ verwiesen.
Letztlich konnte es in der DDR auch eine erfolgreiche Konterrevolution
geben, weil es keine politische Kraft gegeben hat, welche in der Lage
gewesen wäre die Führung im Interesse der Arbeiterklasse zu übernehmen.
Dabei sollte auch bedacht werden, dass ein großer Teil der Probleme
hausgemacht waren, sie also selbst verschuldet.
Als Beispiel sei hier erwähnt, dass zum Stoff eines von mir besuchten Lehrganges, zur Rolle der Gewerkschaften, folgender Text von Lenin zitiert wurde: „Das
Verhältnis zwischen Führer, Partei, Klasse und Masse und damit zugleich
das Verhältnis der Diktatur des Proletariats und seiner Partei zu den
Gewerkschaften hat bei uns jetzt konkret folgende Form angenommen: Die
Diktatur wird durch das in den Sowjets organisierte Proletariat
verwirklicht, dessen Führer die Kommunistische Partei der Bolschewiki
ist, die nach den Angaben des letzten Parteitages (April 1920) 611.000
Mitglieder zählt. Die Zahl der Mitglieder schwankt sowohl vor als auch
nach der Oktoberevolution sehr stark und war früher, sogar in den
Jahren 1918 und 1919, viel geringer. Wir fürchten eine
übermäßige Ausdehnung der Partei, denn in eine Regierungspartei
versuchen sich unvermeidlich Karrieristen und Gauner einzuschleichen, ….
Das letztemal haben wir die Partei weit geöffnet, als (im Winter 1919)
Judenitsch wenige Werst vor Petrograd und Denikin in Orjol (etwa 350
Werst von Moskau) stand, d. h. als der Sowjetrepublik höchste, tödliche
Gefahr drohte und als Abenteurer, Karrieristen, Gauner und überhaupt
unsichere Elemente keineswegs auf eine gute Karriere (eher auf Galgen
und Folter) rechnen konnten, wenn sie sich den Kommunisten anschlossen.“ Zur Diskussion fragte ich, wie dieses den heute
sei, immerhin habe die SED über 2 Millionen Mitglieder und die DDR
gerade einmal 17 Millionen Einwohner, ist sie damit nicht eine
Massenorganisation?
Heute sei alles ganz anderes, konnte ich erfahren, erleben konnte ich, dass
heute
(damals 89/90) es doch nicht anders gewesen ist. Den Antwort gebenden
traf ich übriges Anfang 1990 in einer Pförtnerloge wieder, als ich an
dieser vorbeiging. Wir unterhielten uns eine Weile, in diesem
Zusammenhang konnte ich erfahren, dass er so Wiedergutmachung leistet,
auf die Frage für was,… erhielt ich keine Antwort, er blickte beschämt
zu Boden. Nicht das einzige Beispiel von politischen Mitarbeitern der
Partei, welche nach 1990 vermeinten Wiedergutmachung leisten zu müssen,
sich Asche aufs Haupt streuten, was sie bei den Menschen eigentlich nur
unglaubwürdig erscheinen ließ, einzig den neuen Dienstherren biederten
sie sich an.
Vieles
führte zum Untergang der DDR, es auf äußere Bedingungen zu beschränken,
wird der Sache nicht gerecht, auch wollten viele Menschen in der DDR
einen besseren Sozialismus, einen weiterentwickelten, allein sie waren
Führungslos, die Gegner hingegen gut organisiert und aufgestellt. So
war die Demonstration in Leipzig
gut vorbereitet und alles andere als spontan, nichts wurde dem Zufall
überlassen und genügend Demonstranten organisiert, wie ich vor einiger
Zeit einem Gespräch entnehmen konnte, an dem einer der Hauptakteure
teilgenommen hatte. Der Grund der Aussage war übrigens die
Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Wende“, gegen welchen er sich
verwerte und die Bezeichnung „Friedliche Revolution“ bevorzugte. Sicher
keine repräsentativen Beispiele für den Zustand einer Partei, aber es
sind Beispiele wie sie aus dem Leben kommen. Wissen
wurde oft zu Glauben und der Glaube ging verloren mit dem Vertrauen für
welches er gestanden, da Glaube sich als Wissen nicht behaupten konnte,
wurde er durch anderen Glauben ersetzt.
Gerade
die Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte bedarf noch einiger
Anstrengungen und wir können sie nicht den herrschenden Kreisen
überlassen, welche ohnehin bestrebt sind die DDR Geschichte auf
Staatssicherheit, Mauerbau, Ausreisewillige, politische Gefangene
und ähnliches, was sich in ihrem Interesse instrumentalisieren lässt,
beschränkt. Für uns ist eine ehrliche und offene Aufarbeitung nötig,
allein schon um die Ursachen der gemachten Fehler zu erkennen und aus
diesen zu lernen.
Aber
z. B. auch die Bedeutung der Runden Tische als demokratisches
Gestaltungselement gilt es herauszuarbeiten, nicht ohne Grund wurden
diese so schnell wir möglich abgeschafft und das bundesdeutsche System
der parlamentarischen Vertreterdemokratie übergestülpt.
Sonntägliche Grüße
Man
muß den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das
Bewußtsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem
man sie publiziert. Karl Marx
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