Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Sonntag, 25. November 2012

… ich finde es durchaus inspirierend, …

Die Ode an den Investor hatte ich in der Mailingliste der Freidenker veröffentlicht, sie hat durchaus Reaktion erfahren, eine jedenfalls. Diese Reaktion verweist auf die „Blauäugigkeit“ der DDR Bürger zur Wendezeit, welche weitestgehend zugesehen haben, wie eine ganze Volkswirtschaft privatisiert und abgewickelt wurde. Von der ehemaligen ökonomischen Stärke der DDR, immerhin war sie die zehntgrößte Industrienation, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Nur Privatisierung auf diesen historischen Vorgang zu beschränken, auch wenn sie sehr intensiv betrieben wurde und mit ihrer Hilfe Milliarden umverteilt, würde etwas zu kurz greifen, da solche Vorgänge für das System des Kapitals typisch sind. In einem weiteren Kommentar wurde darauf reagiert, wobei die Ereignisse 1989/90 in den Vordergrund gerückt wurden, nicht Privatisierung stand im Mittelpunkt, sondern die politischen Ereignisse, der Ablauf dieser, in qualitativ unterschiedliche Phasen geteilt. Das es sich dabei um ein streitbares Thema handelt, war einem weiterem Beitrag zu entnehmen, wobei die Überschrift zwischenzeitlich dem Thema angepasst wurde. Diese Beiträge zum Anlass nehmend, schrieb ich folgendes und veröffentlichte dieses in der Mailingliste:

Hallo …, …,und alle anderen Nutzer dieser Liste,
ich finde es durchaus inspirierend, bin jedoch etwas überrascht in welche Richtung diese Diskussion geht. Ursprünglich ist es in der “Ode” um die mir zum Teil unverständliche und oft ungeprüfte Heiligsprechung von Investoren gegangen, welche ein hohes Ansehen genießen, wenn sie nicht gerade als klassifizierte Heuschrecken daherkommen. Das in diesem Zusammenhang eigentlich alle Investoren Heuschrecken sind, wird gern vergessen und der Illusion vom guten und bösen Kapitalismus gefolgt. Dabei habe ich nicht einmal an die Rolle von Investoren beim Ausschlachten der Volkswirtschaft der DDR gedacht, sondern an ihre allgemeine Rolle, welche diese in der BRD eigentlich vor dem Untergang der DDR schon gespielt haben. So war es immer schon üblich kommunales Eigentum zu privatisieren, Zuschüsse dafür zu kassieren, es unter Umständen auszuschlachten und die Reste den Kommunen wieder zu übereignen, mit der Aufgabe dieses Eigentum wieder privatisierungsfähig zu machen. Das ist also kein Problem aus der Zeit des Untergangs der DDR, sondern ein permanent präsentes nicht nur im Kapitalismus der BRD. Die Blauäugigkeit in solchen Fällen ist allgemein und weit verbreitet, was nun 1989/90 über die Bürger der DDR gekommen ist, war für die meisten neu, es entsprach nicht ihrer praktischen Erfahrungswelt, auch ein Grund warum die Gefahr verkannt wurde. Die Bürger der alten BRD hingegen hatten längst damit gelernt zu leben, sie kannten es eigentlich nicht anders. Erst in jüngerer Vergangenheit häuft sich Widerstand gegen die verschiedensten Privatisierungsbestrebungen, so ist es zum Beispiel vor Jahren gelungen die Privatisierung der Stadtwerke in Quedlinburg zu verhindern. In diesem Fall stellte sich die Situation etwas anders da, die Stadtwerke schrieben und schreiben schwarze Zahlen und wurden zum Zwecke der Privatisierung schlecht geredet. Die Argumente der Privatisierungsbefürworter konnten relativ einfach widerlegt werden. Anders im aktuellen Fall des Kurzentrums, dieses wird defizitär geführt, die Stadt Quedlinburg ist finanziell überfordert und so ist es nicht ganz so einfach gegen eine Privatisierung zu argumentieren.
Aber zurück zu 89/90:
So hatten die Menschen in der DDR durchaus mehr Wissen über das System des Kapitals und seine Funktionsweise als die meisten Menschen in der BRD, allein hat dies aber nichts genutzt. Die Schuld den allgemeinen Verhältnissen und Entwicklungen zwischen „Ost und West“ zu geben, greift nicht nur deshalb zu kurz. Eine wissenschaftliche Lehre wurde zur Religion, verlangte zu glauben, da den meisten Menschen die praktische Überprüfbarkeit dem Kapitalismus betreffenden Wissens verwehrt war. In diesem Zusammenhang sei auf die zweite Feuerbachthese von Marx: Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage,“ verwiesen. Letztlich konnte es in der DDR auch eine erfolgreiche Konterrevolution geben, weil es keine politische Kraft gegeben hat, welche in der Lage gewesen wäre die Führung im Interesse der Arbeiterklasse zu übernehmen. Dabei sollte auch bedacht werden, dass ein großer Teil der Probleme hausgemacht waren, sie also selbst verschuldet.
Als Beispiel sei hier erwähnt, dass zum Stoff eines von mir besuchten Lehrganges, zur Rolle der Gewerkschaften, folgender Text von Lenin zitiert wurde: „Das Verhältnis zwischen Führer, Partei, Klasse und Masse und damit zugleich das Verhältnis der Diktatur des Proletariats und seiner Partei zu den Gewerkschaften hat bei uns jetzt konkret folgende Form angenommen: Die Diktatur wird durch das in den Sowjets organisierte Proletariat verwirklicht, dessen Führer die Kommunistische Partei der Bolschewiki ist, die nach den Angaben des letzten Parteitages (April 1920) 611.000 Mitglieder zählt. Die Zahl der Mitglieder schwankt sowohl vor als auch nach der Oktoberevolution sehr stark und war früher, sogar in den Jahren 1918 und 1919, viel geringer. Wir fürchten eine übermäßige Ausdehnung der Partei, denn in eine Regierungspartei versuchen sich unvermeidlich Karrieristen und Gauner einzuschleichen, …. Das letztemal haben wir die Partei weit geöffnet, als (im Winter 1919) Judenitsch wenige Werst vor Petrograd und Denikin in Orjol (etwa 350 Werst von Moskau) stand, d. h. als der Sowjetrepublik höchste, tödliche Gefahr drohte und als Abenteurer, Karrieristen, Gauner und überhaupt unsichere Elemente keineswegs auf eine gute Karriere (eher auf Galgen und Folter) rechnen konnten, wenn sie sich den Kommunisten anschlossen.“ Zur Diskussion fragte ich, wie dieses den heute sei, immerhin habe die SED über 2 Millionen Mitglieder und die DDR gerade einmal 17 Millionen Einwohner, ist sie damit nicht eine Massenorganisation? Heute sei alles ganz anderes, konnte ich erfahren, erleben konnte ich, dass heute (damals 89/90) es doch nicht anders gewesen ist. Den Antwort gebenden traf ich übriges Anfang 1990 in einer Pförtnerloge wieder, als ich an dieser vorbeiging. Wir unterhielten uns eine Weile, in diesem Zusammenhang konnte ich erfahren, dass er so Wiedergutmachung leistet, auf die Frage für was,… erhielt ich keine Antwort, er blickte beschämt zu Boden. Nicht das einzige Beispiel von politischen Mitarbeitern der Partei, welche nach 1990 vermeinten Wiedergutmachung leisten zu müssen, sich Asche aufs Haupt streuten, was sie bei den Menschen eigentlich nur unglaubwürdig erscheinen ließ, einzig den neuen Dienstherren biederten sie sich an.
Vieles führte zum Untergang der DDR, es auf äußere Bedingungen zu beschränken, wird der Sache nicht gerecht, auch wollten viele Menschen in der DDR einen besseren Sozialismus, einen weiterentwickelten, allein sie waren Führungslos, die Gegner hingegen gut organisiert und aufgestellt. So war die Demonstration in Leipzig gut vorbereitet und alles andere als spontan, nichts wurde dem Zufall überlassen und genügend Demonstranten organisiert, wie ich vor einiger Zeit einem Gespräch entnehmen konnte, an dem einer der Hauptakteure teilgenommen hatte. Der Grund der Aussage war übrigens die Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Wende“, gegen welchen er sich verwerte und die Bezeichnung „Friedliche Revolution“ bevorzugte. Sicher keine repräsentativen Beispiele für den Zustand einer Partei, aber es sind Beispiele wie sie aus dem Leben kommen. Wissen wurde oft zu Glauben und der Glaube ging verloren mit dem Vertrauen für welches er gestanden, da Glaube sich als Wissen nicht behaupten konnte, wurde er durch anderen Glauben ersetzt.
Gerade die Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte bedarf noch einiger Anstrengungen und wir können sie nicht den herrschenden Kreisen überlassen, welche ohnehin bestrebt sind die DDR Geschichte auf Staatssicherheit, Mauerbau, Ausreisewillige, politische Gefangene und ähnliches, was sich in ihrem Interesse instrumentalisieren lässt, beschränkt. Für uns ist eine ehrliche und offene Aufarbeitung nötig, allein schon um die Ursachen der gemachten Fehler zu erkennen und aus diesen zu lernen.
Aber z. B. auch die Bedeutung der Runden Tische als demokratisches Gestaltungselement gilt es herauszuarbeiten, nicht ohne Grund wurden diese so schnell wir möglich abgeschafft und das bundesdeutsche System der parlamentarischen Vertreterdemokratie übergestülpt.
Sonntägliche Grüße

Man muß den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewußtsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publiziert. Karl Marx

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