„Wenn die Häuser sprechen lernen“
ist es Menschen Werk, wie die Häuser selbst ein Produkt menschlicher Tat sind,
gelegentlich mit Spuren vieler Generationen, welche Häuser immer ihren
Bedürfnissen angepasst haben. Die
MZ
berichtet über ein solches Vorhaben in Quedlinburg, die ersten Texte sind
gesprochen zu finden, allein ich suchte im Internet, mein Handy taugt „nur“ zum
telefonieren.
Warum suchte ich im Internet,
weil darüber berichtet wurde? Nein, sondern weil ich hören wollte, was aus
einem Text geworden ist, welchen ich zur Aegidiikirche in Quedlinburg
geschrieben hatte. Ich wurde
fündig und musste
feststellen, dass der gesprochene Text nicht in jedem Punkt dem Original
entsprach. Am Ende endet der Text abrupt, war wahrscheinlich für den zur
Verfügung stehenden Speicherplatz etwas zu lang. Sicher hätte er auch besser
gelesen werden können. Schade auch, dass es nur ein allgemeines Bild von
Quedlinburg hinter dem Text gibt. Dem Zweck, sich mittels moderner Technik mit
Gebäuden in Quedlinburg zu beschäftigen, wäre mit einer Bilderfolge vom Objekt
sicher besser gedient. Eine qualifizierte Führung sollten solche Aktionen
allerdings nicht ersetzen. Übrigens wäre ich auch bereit gewesen, den Text noch
einmal zu überarbeiten und auf eine entsprechende Länge zu „stutzen“. Hier nun
der ursprüngliche Text:
„Sprechende Häuser
Hallo und danke, für das Interesse an meinem Sein.
Ich bin die Aegidiikirche, die nördlichste der Quedlinburger
Stadtkirchen und blicke auf eine lange Geschichte zurück.
Wie alt ich genau bin, … kann ich nicht sagen, ich erinnere mich nicht
und wie es der Menschen Art ist, glauben sie dem geschrieben Wort mehr, als dem
gesprochenen. Und so wurde ich im Jahre 1179 erstmalig in einer Urkunde
erwähnt. Nichts desto trotz gab es mich zu diesem Zeitpunkt schon und das
Gebiet, in welchem ich mich befinde, ist eines der ältesten Siedlungsgebiete
auf dem Gebiet der heutigen Altstadt. Hier lebten schon Menschen, als Heinrich
I. oft in Quedlinburg weilte und wahrscheinlich schon wesentlich früher.
Wie viele Kirchen meines Alters, habe auch ich klein angefangen. Genau
erinnern kann ich mich daran allerdings nicht mehr, es ist einfach zu lange her
und wer hat schon genaue Erinnerungen aus seiner frühen Kindheit, wenn diese
nicht jemand anders bewahrt hat? So war ich vielleicht einmal eine kleine
Kapelle, welche sich zu einem Dorfkirchlein mauserte, aber lange noch nicht
über die heutige Größe verfügte.
Heute bin ich eine spätgotische Hallenkirche mit frühgotischem Chor,
einem frühgotischem südlichem Querhaus, frühgotischem Westwerk, barocken
Rundbögen, sowie einem barocken Tonnengewölbe. Die Grundlage meiner
Dachkonstruktion ist übrigens einer der größten Ständerbauten Quedlinburgs, aus
der Zeit um 1467.
Eine dreischiffige Basilika war ich, als ich im dreizehnten Jahrhundert
ein sehr mächtiges Westwerk erhielt, welches heute weitestgehend noch erhalten
ist. Dieses Westwerk war für mich damals viel zu groß, ähnlich wie bei meiner
Schwester der Marktkirche.
Und doch unterscheidet uns einiges, nicht nur dass ich bis Ende des 13
Jahrhunderts noch vor den Toren der Stadt Quedlinburg stand.
Mein Westwerk bot den Menschen der hiesigen Siedlung auch Schutz vor
Übergriffen. Das kann heute noch gut erkannt werden, wenn mein Westwerk von
außen und innen in Augenschein genommen wird. Der Grundriss meiner Türme ist
übrigens größer als der der Türme der Marktkirche, aber auch die Turmwände sind
dicker. Die Obergeschosse des Westwerkes konnten einst gut gesichert werden. So
führt von der zweiten in die dritte Etage nur eine Wendeltreppe, welche sich
komplett in der südlichen Außenwand befindet. Wie in der ersten Turmetage,
finden sich auch in der zweiten Turmetage frühgotische Kreuzgewölbe.
Ja, ich bin eine interessante Kirche, in welcher viele Generationen
über Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen haben. Wobei nicht nur meine
bauliche Hülle von so manchem Wandel im praktischen und geistigen Leben der
Menschen in den verschiedensten Zeiten zeugt, sondern auch die Einrichtung.
So findet sich seit 1700 in mir der älteste Flügelaltar der Stadt
Quedlinburg, er wurde um 1430/40 für die Marktkirche geschaffen und kam hierher
als diese einen neuen barocken Hochaltar erhielt. Das Viertel, in dem ich zu
finden bin und welches nicht unbedingt auf den üblichen Touristenwegen liegt,
war früher ein armes Viertel. Dieses führte dazu, dass die Menschen sorgsam mit
meiner Einrichtung umgingen, diese pflegten und erhielten. So finden sich neben
einer reichgeschnitzten, von einer Moses-Figur getragenen, Barockkanzel aus der
Zeit um 1600, ein Kirchengestühl, welches von den verschiedensten Besuchern
bestaunt, im Jahre 1632 schon stand und 1712 durch Priechen ergänzt wurde.
Zu Beginn des 18 Jahrhunderts wurde mein Mittelschiff vom Altarraum
durch eine Chorschranke mit Lesepult abgetrennt und Ende des 19 Jahrhunderts
wurde ich restauriert und renoviert. Bis 1978 war ich Gemeindekirche und seit
einigen Jahren kümmert sich ein Förderkreis um mein Wohlbefinden und erfüllt
meine alten Räume mit neuem Leben. Anfänglich wurde aufgeräumt, alte Gerüste
entfernt, sowie für Besucher von März bis Oktober am Samstagnachmittag geöffnet,
2012 wurde die Glockenanlage überholt und 2013 die Arbeiten an der Orgel beendet.
Ja, ich habe einiges erlebt und kann viele Geschichten erzählen, so
auch von der großen Glocke in meinem Südturm. Der Nordturm wurde nach einem
Brand nicht wieder aufgebaut und so kann ich heute nur noch mit einem Turm
aufwarten, welcher in den oberen Etagen allerdings auch nicht mehr im Original
erhalten ist. Auch er wurde einst Opfer der Flammen. Wie weit der Turm
abgenommen wurde, um ihn in der jetzigen Form wieder zu errichten, ist gut von
außen zuerkennen. Dazu braucht nur auf die Größe der verwendeten Sandsteine
geachtet werden.
Übrigens findet sich im unteren Turmzimmer, von welchem heute die große
Glocke zu läuten ist, eine Steinzange aus der Zeit der Gotik, mit welcher die
großen Sandsteinquader nach oben gezogen wurden.
Die große Glocke im Turm wurde zum Ende des zweiten Weltkrieges zum
einschmelzen entfernt, wozu es glücklicherweise nicht gekommen ist, woraufhin
sie in meinen Turm zurückkehren konnte. Es ist die tontiefste Glocke der Stadt,
der Bronzeguss stammt aus dem Jahre 1766 und kann jeden Samstag um 18:00Uhr
durch Interessierte, unter Anleitung, geläutet werden.
Jetzt habe ich aber genug erzählt.
Wenn die Tür offen steht und Ihr Interesse habt, mich näher kennen
zulernen, kommt ruhig herein, es gibt noch mehr als das Erwähnte zu entdecken.
Wenn nicht, im Schaukasten neben der Tür gibt es auch dazu Informationen. Meine
Unterstützer sind gern bereit Euch zu führen und Fragen zu beantworten.
Also, wenn die Tür verschlossen ist, schaut mich von außen an, es gibt
viele Spuren zu entdecken und nicht nur zugemauerte frühgotische Fenster. Geht
ruhig auf meinen ehemaligen Friedhof an der Nordseite, es sind die
unterschiedlichsten Grabmahle aus verschieden Jahrhunderten zu finden, darunter
eine fast 2 Meter hohe Eisengussurne aus dem Jahre 1824.
Aber nun Schluss, eine so alte Kirche wie ich kann auch etwas Ruhe
vertragen, dabei ist es angenehm zu spüren, wie mein Förderkreis meine alten
Mauern mit neuem Leben erfüllt und dadurch zu meinem Erhalt beiträgt.“
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