Heute wird oft der demographische Wandel, der demographische Faktor und
ähnlich demographisches bemüht um eine Begründung für bestimmte
gesellschaftliche Entwicklungen zu haben. So soll zum Beispiel der Fachkräftemangel
dem demographischen Wandel geschuldet sein, auch das die Bevölkerung schwindet
und überaltert, liegt daran … oder auch nicht? Und wird nicht mit solchen
Behauptungen versucht die eigentlichen Ursachen beklagter Entwicklungen zu
verschleiern, da allgemein und wenig konkret? Wird nicht mit dieser all zu
gefälligen Lösung die Frage nach dem warum, wieso und weshalb in eine völlig
falsche Richtung gelenkt, um sie dann mit Schlagworten wie dem demographischen
Wandeln zu beantworten? Die Ursachen für Bevölkerungsentwicklung bleiben dabei
oft im Dunkel oder werden irgendwo verortet, nur nicht dort wo sie hingehören, bei
den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen selbst.
Aber was ist eigentlich Demographie und was ist ihr Gegenstand?
Demographie:
Wissenschaft von der Bevölkerungsentwicklung. Sie untersucht die
demographischen Verhältnisse und Prozesse der menschlichen Gesellschaft im
Zusammenhang mit den ökonomischen und sozialen Verhältnissen der verschiedenen
Gesellschaftsformationen: die Reproduktion, das Wachstum, die Dichte, die
territoriale Verteilung, die Struktur, die Bewegung und alle weiteren
wesentlichen Veränderungen in der Bevölkerung. Unter Bevölkerungsentwicklung
versteht die Demographie die quantitativen und qualitativen Veränderungen in
der Bevölkerung, die ihrerseits durch gesellschaftliche Veränderungen auf der
Grundlage der Entwicklung der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse
bedingt sind. Dazu gehören: zahlenmäßiges Wachstum der Bevölkerung,
Veränderungen der Altersstruktur, der Klassenstruktur, des Verhältnisses von
Stadt- und Landbevölkerung, der Berufsstruktur, des Qualifikationsniveaus usw.
Die Bevölkerungsentwicklung ist ein sozialer Prozess, der durch die jeweilige
ökonomische Gesellschaftsformation bestimmt ist, aber auch eine biologische
Grundlage in der natürlichen Fruchtbarkeit, der Geburtenhäufigkeit und der
Sterblichkeit der Menschen besitzt. Demographische Prozesse sind eine komplexe
sozialhistorische Erscheinung, in der natürliche und gesellschaftliche Faktoren
in Wechselwirkung miteinander stehen. In letzter Instanz bestimmend für die
demographischen Verhältnisse und Prozesse einer Gesellschaft sind die
Produktionsweise, die hieraus hervorgehende ökonomische Lage und die
ökonomischen Interessen der Menschen.
Daher ist jede ökonomische Gesellschaftsformation durch
spezifische demographische Verhältnisse und Prozesse charakterisiert, obwohl
sich die biologischen Grundlagen dieser Prozesse im Prinzip nicht ändern. Aus
diesem Grund kann es kein allgemeines, biologisch bestimmtes Bevölkerungsgesetz
für alle ökonomischen Gesellschaftsformationen geben. Vielmehr gilt, dass „jede
besondere historische Produktionsweise ihre besonderen, historisch gültigen
Populationsgesetze hat. Ein abstraktes Populationsgesetz existiert nur für
Pflanze und Tier, soweit der Mensch nicht geschichtlich eingreift“. (Marx, MEW,
Bd. 23, Seite 660) Der historische Materialismus klärt den spezifischen
Stellenwert der demographischen Verhältnisse und Prozesse im Geschichtsprozess,
indem er die Wechselwirkung der demographischen Faktoren mit der ökonomischen
und der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung untersucht. Dabei weist er
besonders auf den historischen und spezifischen Charakter des
Bevölkerungsgesetzes jeder Gesellschaftsformation hin und wendet sich gegen eine
ahistorische Biologisierung der demographischen Prozesse. Das Ziel der
demographischen Forschung besteht darin, die gesetzmäßigen Zusammenhänge der
Bevölkerungsbewegung und -entwicklung in der Gesellschaft detailliert zu
erkennen und das spezifische Bevölkerungsgesetz der Gesellschaftsformation
präzise zu formulieren.
Angelehnt
an: Kleines Politisches Wörterbuch, sechste Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1986,
Seiten 164/65.
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