Geboren, nicht zum Untertan!
Jeder Mensch wird frei geboren!
Heißt es doch in der Menschenrechtserklärung der französischen Revolution vom 26. August 1789 im Artikel 1.: „Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es.“ Das hört sich erst einmal gut an und war für seine Zeit durchaus eine epochale Erkenntnis, welche ihre Spuren in der Geschichte bis heute hinterlassen hat. In diesem Zusammenhang ist aber nicht nur das bürgerliche Freiheitsverständnis interessant, sondern auch die Tatsache, dass eine solche Forderung aus bestimmten Notwendigkeiten heraus getroffen wurde. Diese Einschätzung setzt die Erkenntnis voraus, dass Menschen im Allgemeinen in einem System des Unrechts hineingeboren werden und in einem solchen weiter leben. Dabei ist die Natur der Freiheit immer konkret, nie allgemein und den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldet. So benötigt die bürgerliche, die kapitalistische Gesellschaft die frei handelbare Ware, speziell eben auch die Ware Arbeitskraft, diese wird aber erst frei handelbar, wenn der Träger derselben, der Mensch, selbst von anderen Abhängigkeiten frei ist. Für die damalige Zeit bedeutete dieses die Abschaffung der Leibeigenschaft, der Sklaverei, oder anderer leiblicher Abhängigkeiten. Nach dieser Befreiung der Menschen, traten neue Abhängigkeiten, den Warencharakter entsprechende, an die Stelle der Alten. Mit diesen Abhängigkeiten kamen im laufe der Zeit auch neu Mechanismen der Repression hinzu und zum allgemeinen Steuerungs- und Regulierungsmittel wurde das Geld. Dabei ist es immer schon bestreben gewesen, ein jedes Verhältnis innerhalb dieses System zu kapitalisieren.
Nun wurde ich in eine Zeit hineingeboren, welche solche Umstände als überholt ansah und in welcher diese zum großen Teil auch als überholt gelten konnten. Zwar gab es nach wie vor Lohnarbeit, aber sie hatte ihre Funktion als Mittel der Repression gegenüber den Menschen weitestgehend eingebüsst und dieses lag nicht nur daran, dass das Recht auf Arbeit in der Verfassung verankert war. In diese nachkapitalistische Zeit hineingeboren, wurde nicht nur ich durch ein anderes System, dem Sozialismus, geprägt. Auf Grund einer anders gearteten Ausrichtung der Gesellschaft, auf Grund der Negierung der Macht des Kapitals und der damit verbundenen Negierung der Unterordnung gesellschaftlichen Seins, gesellschaftlicher Interessen, unter die Kapitalinteressen, waren für die Menschen bestimmte Notwendigkeiten, wie die Warenkonkurrenz der Arbeitskraft nicht mehr im repressiven, Existenzbedrohenden Sinne gegeben. Somit fingen die Menschen an, den Kampf um einen Arbeitsplatz zu verlernen und sie waren auch nicht gezwungen, ihre Ware zu verfälschen, sondern konnten sich auf ihre Fähigkeiten berufen, ohne zu verkauftechnischen Maßnahmen greifen zu müssen. So verstehe ich es nicht mich zu verkaufen, besser geschrieben, nicht mich, sondern meine Arbeitskraft! Das liegt zum einen daran, dass ich es nicht gelernt habe, weil ich in einem System groß geworden bin, in dem es nicht notwendig war seine Arbeitskraft um jeden Preis zu verkaufen. In dem Sinne, dass sie prinzipiell und existenziell nicht in Konkurrenz zu anderer Arbeitskraft als Ware stand. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, das bei mir die Fähigkeit zur Verfälschung der Ware Arbeitskraft nicht im ausreichenden Maße ausgeprägt ist, oder gar an einer Verweigerung sich fremden Willen bedingungslos zeitweise unterzuordnen und somit das Menschsein, der Ware zu opfern. Schlicht weg, sich selbst zu verleugnen!
Das solches notwendig ist, musste ich schon kurz nach der Wende, (zurück in kapitalistischen Verhältnissen) erfahren, da spielten Fähigkeiten weiniger eine Rolle, vielmehr musste ich erkennen, dass es darauf ankam, sich selbst gut zu verkaufen, also eine bestimmte Kultur der Selbstdarstellung, in welcher positiv erachtete Elemente herausgestellt und nicht förderliche Eigenschaften verschwiegen werden, zu entwickeln. Dieses System ist von einer Oberflächlichkeit geprägt, welche nicht nur mir fremd war, und vergangenes Vorstellungsvermögen weit übertraf, sondern es ist oft üblich, mehr Wert auf die Hülle zu legen, als auf den Inhalt. Oberflächlich betrachte ist es so, den Menschen soll jeder “Tiefgang” genommen werden, so dass sie nicht einmal auf den Gedanken kommen, diese Oberflächlichkeit verlassend, über die Ursachen verschiedenster Probleme nachzudenken. Was zählt ist der Status, welcher in der Regel am Konsum festgemacht ist und dem jeder mit ganzer Kraft erhalten soll.
Aber zurück zur Selbstdarstellung, welche erforderlich ist, um die eigene Arbeitskraft zu veräußern. Besonders auffällig waren die Unterschiede in den ersten Jahren nach der Wende, wenn es arbeitsmäßigen Kontakt mit Menschen aus den gebrauchten Bundesländern gab. Was diese zum Teil alles konnten, und was sie schafften, wie erfolgreich sie doch waren, ja, ich hätte neidisch werden können, wenn mir diese Eigenschaft gegeben wäre. Letztlich aber und bei einem genaueren Blick hinter die Fassade, war oft ein eher jämmerliches Skelett zu erkennen. So war es notwendig, sich mit den verschiedensten Formen von Täuschung auseinandersetzen, wobei dieses mit verschiednen Ergebnissen geschah, die einen nutzten die Erkenntnisse um den Menschen hinter der Fassade zu erkennen und die anderen um solche Techniken zu erlernen und im eigenen Interesse zu nutzen.
Nun möge es Menschen geben, welche solche Verhaltensweisen regelrecht kultivieren können und sich damit identifizieren, ja, selbst diese oft notwendigen Vortäuschungen glauben, unter Umständen sind sie in der Unterzahl. Die meisten scheinen sich schwer zu tun, mit dieser Form der Selbstverleumdung, denn um etwas anderes geht es nicht und so verstehen sie auch nicht solche Verhaltensweeisen in der oft notwendigen Weise zu kultivieren. Im Gegensatz zu längst vergangenen Zeiten, welche von gesellschaftlicher Vergangenheit überholt wurden, kann sich diese Unfähigkeit heute als ein durchaus existenzielles Problem auswirken und zwingt zu entsprechender Anpassung. Bis jetzt leider nur in eine Richtung! Dabei ist Anpassung selbst ein zweischneidiges Schwert und wer sich nicht selbst und freiwillig anpasst, wird angepasst, unter zur Hilfenahmen verschiedener Mittel der Repression, wie Hartz IV zum Beispiel.
Aber auch in diesem Zusammenhang sind es letztlich die gesellschaftlichen Verhältnisse, welche die verschiedensten Verhaltensweisen hervorbringen. Es ist dem Menschen nicht angeboren, sich zu unterwerfen, sondern es wird ihm anerzogen, dass beginnt nach der Geburt, wird fortgesetzt im Elternhaus, in der Schule, im Berufsleben, ja, bis an die Bare. Das dieses den Menschen als Freiheit verkauft wird, ist auch ein Grundzug bürgerlicher Ideologie, Unterordnung ist der Preis für die Teilnahme am gemeinsamen Gebet im Tempel des Konsum! Wer sich diesem entziehen möchte, oder gar entzieht, dem werden die Rechte am Tempelgebet arg beschnitten, aber ungewollt auch Wege außerhalb des Tempels gezeigt. So ist es eine vordergründige Aufgabe bürgerlicher Ideologie die Menschen im Tempel zu halten und ihnen zu mindest die Illusion zu vermitteln, dass sie bei entsprechender Anpassung wieder im Tempel des Mammons zum Gebet im größeren Umfang zugelassen werden. Der Tanz ums goldene Kalb wird zelebriert, vom Glanz geblendet, wird all zu oft zu spät erkannt, wie Sumpfig der Untergrund ist, auf welchen dieser Tanz aufgeführt wird und welche Opfer er fordert. Dabei können gerade die vom Tempelgebet ausgeschlossenen oft feststellen, dass der Grund, auf dem sie sich begeben müssen, nicht mehr so sumpfig ist und von diesem festeren Boden sich andere Wege erschließen lassen! Gelegentlich ist aber auch schon zu beobachten, dass Menschen, welche nicht mehr im Allerwertesten so mancher Hierarchie feststecken, mancher Lichtblick nicht erspart bleibt. Da nun viele Lichtblicke durchaus Ausstrahlung haben können, widerstrebt es mir eigentlich, mich in eine jede Höhle zu begeben und gebe so lieber meiner Klaustrophobie nach. Sicher auch eine Form von Platzangst, sich der geistigen Enge nicht ergeben zu wollen!
Letztlich ist es wohl weniger das Unvermögen, sondern der innere Widerstand sich nicht aufgeben zu wollen und dem Fetisch hinzugeben, welcher das System des Kapitals zu bestimmen scheint.
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