In der Mailingliste der Freidenker gibt es ein freigeistiges Wort zum Sonntag, welches im Vorfeld schon mal in meinem E-Mailbriefkasten landet, wenn es vom Autor des folgenden Textes stammt. Nun hatte ich den einen und anderen Text schon mal zum Gegenstand einer Betrachtung gemacht, diesen hier möchte ich aber einfach nur wiedergeben.
Viel Freude beim lesen!
GEWISSEN DER NATION
Ähnlich große Romane werden vielleicht geschrieben werden, aber keiner, der an diesen heranreicht. Die Erzählung reißt uns fort mit ungestümer Gewalt. Etwa fünfhundert Personen sollen in dem Buch auftreten. Sie alle haben Hand und Fuß. Das ist eine Leistung. [1]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
zuerst einmal einen schönen guten Tag. Ahnen Sie, von wem hier die Rede ist. Aber ja doch, es ist der russischer Realist, Schriftsteller, Gesellschaftskritiker Lew Nikolejewitsch Tolstoi. Geboren wurde er am 9. September 1828 und er starb am 20. November 1910. Sein Roman »Krieg und Frieden« ist zwar ein einzigartiges Geschichtsepos. Aber wir wollen uns Tolstois Erzählung „Wieviel Erde braucht der Mensch“ zuwenden.
„Der Bauer Pachom kauft ein Stück Land und wird Gutsbesitzer. Er ist “stolz und glücklich”. Doch sein Sinn für Eigentum ist geweckt. Er zieht ostwärts, im Landesinneren ist gutes Land preiswert zu kaufen. Auch hier unzufrieden, hört er von einem durchreisenden Kaufmann, bei den Baschkiren, noch weiter im Osten, könne man billig gutes Steppenland kaufen. Pachom reist mit seinem Knecht fünfhundert Werst zu den Steppenbewohnern. Er wird in ihrem Zeltlager freundlich aufgenommen und darf so viel Land kaufen, als er von Sonnenaufgang bis - untergang zu Fuß umrunden kann.
Mit der Bemessung seines künftigen Besitzes überschätzt Pachom seine Kräfte. Er bricht, als er endlich ein sehr großes Stück Land umschritten hat, wobei er zuletzt, bei sinkender Sonne verzweifelt gerannt ist, vor Erschöpfung tot zusammen. „Der Knecht nahm die Hacke, grub Pachom ein Grab, genau so lang wie das Stück Erde, das er mit seinem Körper, von den Füßen bis zum Kopf, bedeckte – sechs Ellen –, und scharrte ihn ein.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Der Titel mit seiner bedeutungsschweren Frage ist zu einer stehenden Formel geworden, - zu einem geflügelten Wort, mit dem das Streben, mit dem die Gier nach materiellem Eigentum hinterfragt werden. Merken Sie, das damit unsere eigenen Probleme gemeint sind. Auch unsere endlos gierigen Pachoms zogen und ziehen gen Osten, einen ständig größeren Reibach zu machen. Und einmal werden auch sie ihre Baschkiren finden.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
hier die Meinung eines Bürgers aus der Region der Castor-Transporte und Gorlebens, der auf Gefahren hinweist:
„Meine Müllgebühren muss ich selbst bezahlen. Warum müssen wir Steuerzahler für die Müllgebühren der Atomindustrie aufkommen? Einige unserer gewählten Volksvertreter behaupten immer wieder: „Atomstrom ist billig!”
Ich behaupte: Das ist eine Milchmädchenrechnung. Seit 40 Jahren betreiben wir Atomkraftwerke. Die bekannten Uranvorräte reichen noch 60 Jahre. Somit erzeugen wir für 100 Jahre Strom aus Kernkraftwerken, aber strahlenden Atommüll für 100 000 Jahre. Das heißt: Von den Kosten her ist Atomstrom unbezahlbar!“ [3]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
sicher ahnen Sie wie diese Gier des Kapitalismus, seiner ungehemmten, ungezügelten Wirtschaft enden wird. Genau, ebenso wie der Bauer Pachom, den seine Gier zu Grunde gerichtet hat. Es ist deshalb kein Wunder, das es Proteste von Seiten der Menschen anwachsen. Richtig ist, eine rasch wachsende Zahl von Menschen verteidigt ihr Land, kämpft um die eigenen sozialen und kulturellen Lebensqualitäten und Lebensquantität. Denn: „Demokratie heißt „Herrschaft, die vom Volke ausgeht”. Lassen wir uns mal auf die bürgerliche Lesart ein. Alle vier Jahre gehen immer weniger Menschen an die Wahlurne. Ist das Volksherrschaft? Warum wählen immer weniger Menschen? Weil weder auf sie gehört wird, noch ihre Interessen vertreten werden.
Aber dies Land ist unser Land und nicht das Land einiger weniger, die sich gebärden, als gäbe es uns nicht. Die Gewählten sind die von den Wählern Beauftragten, den Willen der Mehrheit im Lande umzusetzen haben. Aber was geschieht? Es wird durchregiert im Interesse des Monopolkapitals, deren willfährige Vollstrecker in Berlin sitzen. Wen wundert es, dass die Menschen zu nachdrücklicheren Mitteln greifen, um sich Gehör zu verschaffen? Das gilt sowohl für die Castor-Transporte wie für Stuttgart 21, wobei das lediglich zwei Beispiele sind.
„Die Schwierigkeit ist jetzt, dass man nicht gleichzeitig Verursacher und Befrieder von Protestaktionen wie Stuttgart 21 und der Anti-Atombewegung sein kann. Das funktioniert selten. Es spricht für fast Mitleid erregende Hilflosigkeit, wenn Merkel am Sonnabend beschwörend erklärte, das so genannte Schottern, Aufwühlen der Bahndämme, sei eine Straftat! Ja, so steht es im Gesetz. Aber war es nicht ihre Regierung, die in der Atompolitik alle Gesetzlichkeit widerrufen und die Laufzeiten der Kraftwerke verlängert hat? Ist es nicht ihre Regierung, die eiskalt den Bundesrat auszuschalten versucht, obwohl es sich bei der Atompolitik nun wahrhaft um ein großes gesellschaftliches Konfliktfeld handelt? Da kann man zumindest fragen, weshalb sich bei diesem rabiaten Vorgehen nicht auch der Widerstand rabiatisieren darf.“ [4]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Wir sind wieder bei Lew Tolstoi, über Stuttgart21, über Gorleben, Asse und Schacht Konrad. Der Schlaf der Vernunft bringt Ungeheuer hervor. [5] Alle die Protestaktionen der Bürger verdeutlichen, die Vernunft ist munter. Und somit werden es die Ungeheuer, von den Pachoms heraufbeschworen, sehr schwer haben in Deutschland. Besonders dann, wenn die große Überzahl der Menschen, die keine Pachoms sind, sich dem Streben dieser maßlos gierigen Klientel entgegen stellen.
QUELLEN:
[1] William Somerset Maugham (1874 – 1965), US-amerikanischer Romancier
[2] Leser H. J., Braunschweiger Zeitung vom 18. Oktober 2010
[3] Leser H. K., in der Braunschweiger Zeitung vom 09. November 2010
[4] Brigitte Zimmermann: Ein heißer Herbst?, in Neues Deutschland vom 0911-2010 */
[5] Titel einer Radierung von Francisco Goya (1746 –1828), spanischer Maler und Grafiker
Ich wünsche uns allen ein nachdenkliches Wochenende, und auch viel Muse, die Werke des Schriftstellers in den genannten Sinne Tolstoi zu lesen.
Mit menschlichen Grüßen
Kurt Wolfgang Ringel
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