Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Sonntag, 14. November 2010

GEWISSEN DER NATION

In der Mailingliste der Freidenker gibt es ein freigeistiges Wort zum Sonntag, welches im Vorfeld schon mal in meinem E-Mailbriefkasten landet, wenn es vom Autor des folgenden Textes stammt. Nun hatte ich den einen und anderen Text schon mal zum Gegenstand einer Betrachtung gemacht, diesen hier möchte ich aber einfach nur wiedergeben.
Viel Freude beim lesen!

GEWISSEN DER NATION

Ähnlich große Romane werden vielleicht geschrieben werden, aber keiner, der an diesen heranreicht. Die Erzählung reißt uns fort mit ungestümer Gewalt. Etwa fünfhundert Personen sollen in dem Buch auftreten. Sie alle haben Hand und Fuß. Das ist eine Leistung. [1]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
zuerst einmal einen schönen guten Tag. Ahnen Sie, von wem hier die Rede ist.  Aber ja doch, es ist der  russischer Realist, Schriftsteller, Gesellschaftskritiker   Lew Nikolejewitsch  Tolstoi.  Geboren wurde er am 9. September 1828 und  er starb am 20. November 1910.  Sein Roman  »Krieg und Frieden« ist zwar ein einzigartiges  Geschichtsepos.  Aber  wir  wollen uns  Tolstois Erzählung „Wieviel Erde  braucht der Mensch“ zuwenden.
    „Der Bauer Pachom kauft ein Stück Land und wird Gutsbesitzer. Er ist “stolz und glücklich”. Doch sein Sinn für Eigentum ist geweckt. Er zieht ostwärts, im Landesinneren ist gutes Land preiswert zu kaufen. Auch hier unzufrieden, hört er von einem durchreisenden Kaufmann, bei den Baschkiren, noch weiter im Osten, könne man billig gutes Steppenland kaufen. Pachom reist mit seinem Knecht fünfhundert Werst zu den Steppenbewohnern. Er wird in ihrem Zeltlager freundlich aufgenommen und darf so viel Land kaufen, als er von Sonnenaufgang bis - untergang zu Fuß umrunden kann.
Mit der Bemessung seines künftigen Besitzes überschätzt Pachom  seine Kräfte. Er bricht, als er endlich ein sehr großes Stück Land umschritten hat, wobei er zuletzt, bei sinkender Sonne verzweifelt gerannt ist, vor Erschöpfung tot zusammen. „Der Knecht nahm die Hacke, grub Pachom ein Grab, genau so lang wie das Stück Erde, das er mit seinem Körper, von den Füßen bis zum Kopf, bedeckte – sechs Ellen –, und scharrte ihn ein.“
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Der Titel mit seiner bedeutungsschweren Frage ist zu einer stehenden Formel geworden, - zu einem geflügelten Wort, mit dem das Streben, mit dem die Gier nach materiellem Eigentum hinterfragt werden. Merken Sie,  das  damit unsere eigenen Probleme  gemeint sind.  Auch  unsere  endlos gierigen Pachoms zogen  und ziehen  gen Osten, einen  ständig größeren Reibach zu machen. Und einmal  werden auch sie ihre Baschkiren  finden.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
hier die Meinung eines Bürgers aus der Region  der Castor-Transporte und  Gorlebens, der auf  Gefahren hinweist:
„Meine Müllgebühren muss ich selbst bezahlen. Warum müssen wir Steuerzahler für die Müllgebühren der Atomindustrie aufkommen? Einige unserer gewählten Volksvertreter behaupten immer wieder: „Atomstrom ist billig!”
Ich behaupte: Das ist eine Milchmädchenrechnung. Seit 40 Jahren betreiben wir Atomkraftwerke. Die bekannten Uranvorräte reichen noch 60 Jahre. Somit erzeugen wir für 100 Jahre Strom aus Kernkraftwerken, aber strahlenden Atommüll für 100 000 Jahre. Das heißt: Von den Kosten her ist Atomstrom unbezahlbar!“ [3]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
sicher ahnen Sie wie diese Gier  des Kapitalismus, seiner ungehemmten, ungezügelten Wirtschaft enden wird. Genau, ebenso wie der Bauer Pachom, den seine Gier zu Grunde gerichtet hat. Es ist deshalb kein Wunder, das es Proteste von Seiten  der  Menschen anwachsen. Richtig ist, eine  rasch wachsende Zahl von Menschen verteidigt ihr Land, kämpft  um die eigenen sozialen und kulturellen  Lebensqualitäten und  Lebensquantität. Denn: „Demokratie heißt „Herrschaft, die vom Volke ausgeht”. Lassen wir uns mal auf die bürgerliche Lesart ein. Alle vier Jahre gehen immer weniger Menschen an die Wahlurne. Ist das Volksherrschaft? Warum wählen immer weniger Menschen? Weil weder auf sie gehört wird, noch ihre Interessen vertreten werden.
    Aber dies Land ist unser Land und nicht das Land einiger weniger, die sich gebärden, als gäbe es uns nicht. Die Gewählten sind die von den Wählern Beauftragten, den Willen der Mehrheit im Lande umzusetzen haben. Aber was geschieht? Es wird durchregiert im Interesse des Monopolkapitals, deren willfährige Vollstrecker in Berlin sitzen. Wen wundert es, dass die Menschen zu nachdrücklicheren Mitteln greifen, um sich Gehör zu verschaffen? Das gilt sowohl für die Castor-Transporte wie für Stuttgart 21, wobei das lediglich zwei Beispiele  sind.
    „Die Schwierigkeit ist jetzt, dass man nicht gleichzeitig Verursacher und Befrieder von Protestaktionen wie Stuttgart 21 und der Anti-Atombewegung sein kann. Das funktioniert selten. Es spricht für fast Mitleid erregende Hilflosigkeit, wenn Merkel am Sonnabend beschwörend erklärte, das so genannte Schottern, Aufwühlen der Bahndämme, sei eine Straftat! Ja, so steht es im Gesetz. Aber war es nicht ihre Regierung, die in der Atompolitik alle Gesetzlichkeit widerrufen und die Laufzeiten der Kraftwerke verlängert hat? Ist es nicht ihre Regierung, die eiskalt den Bundesrat auszuschalten versucht, obwohl es sich bei der Atompolitik nun wahrhaft um ein großes gesellschaftliches Konfliktfeld handelt? Da kann man zumindest fragen, weshalb sich bei diesem rabiaten Vorgehen nicht auch der Widerstand rabiatisieren darf.“ [4]
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Wir sind wieder bei Lew Tolstoi, über Stuttgart21, über Gorleben, Asse und Schacht Konrad. Der Schlaf der Vernunft bringt  Ungeheuer  hervor. [5] Alle die Protestaktionen der Bürger verdeutlichen, die Vernunft ist munter. Und  somit werden es die Ungeheuer, von den Pachoms heraufbeschworen, sehr  schwer haben  in Deutschland.  Besonders  dann,  wenn die  große Überzahl der Menschen, die keine Pachoms sind, sich dem Streben dieser maßlos gierigen Klientel entgegen stellen.
QUELLEN:
[1]  William Somerset Maugham (1874 – 1965), US-amerikanischer Romancier
[2]  Leser H. J., Braunschweiger Zeitung vom 18. Oktober 2010
[3]  Leser  H. K., in der Braunschweiger Zeitung vom 09. November 2010
[4] Brigitte Zimmermann: Ein heißer Herbst?,  in  Neues Deutschland vom 0911-2010 */
[5]  Titel einer Radierung von  Francisco Goya (1746 –1828), spanischer Maler und  Grafiker
Ich wünsche uns allen ein nachdenkliches  Wochenende, und auch viel Muse, die Werke des  Schriftstellers in den genannten Sinne Tolstoi zu lesen.
Mit  menschlichen  Grüßen
Kurt Wolfgang Ringel

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