Eine interessante aber halbherzige
Ausstellung zur Genitalverstümmelung junger Menschen fand sich vom 10. – 20.11.2013 in der Nikolaikirche
in Quedlinburg. In der Ausstellung finden sich Aussagen zum Thema rituelle
Verstümmelung. Wie heute leider oft üblich wird das Problem aber einseitig
angesprochen. Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Thema Beschneidung,
beschränkt sich aber auf Formen der Anwendung dieses Rituals bei jungen Mädchen
und Frauen, vorwiegend im afrikanischen Raum. Genitalverstümmelung bei kleinen
Kindern männlichen Geschlechts, wie sie von bestimmten Religionsgemeinschaften
auch hierzulande praktiziert werden, findet nicht einmal Erwähnung.
Im Rahmen der Ausstellung wird
sich auch mit Argumenten der Beschneidungsbefürworter auseinandergesetzt. In
der Ausstellung gegen das Beschneiden von jungen Mädchen verwendet, werden sie
unter Umständen in unserem Kulturkreis von Religionsgemeinschaften gebraucht,
um das Beschneiden von Knaben zu rechtfertigen. Ein Unterschied in der
Praktizierung dieses Rituals besteht nicht in der Verstümmelung selbst, diese unterscheidet sind ehr gradual und geschlechtsspezifisch, als vielmehr im
Zeitpunkt der Ausführung. So werden Knaben in der Regel im Kleinkindalter
beschnitten, was dazu führt, das sie später keine direkten Erinnerungen mehr haben.
Die Beschneidung von Mädchen hingegen erfolgt biologisch bedingt in einem
Alter, wo das Erinnerungsvermögen ausgeprägt ist und so besonders die
psychischen Probleme mit in den Vordergrund treten. Sicher können die
physischen Probleme, auf Grund der Anatomie und der Art der Beschneidung bei
Frauen gravierender sein als bei Männern. Beispiele das Beschneidungen sogar
tödlich enden können, sind hingegen von beiden Geschlechtern bekannt.
Interessant das Thema auch im
Zuseammenhang mit der Diskussion um ein Kölner Gerichtsurteil zur rituellen
Beschneidung vor einiger Zeit. Damals wurde die Angelegenheit zur
Chefsache
erhoben und die Kanzlerin selbst schaltete sich ein.
Im Handzettel zur Ausstellung ist
unter dem Punkt
„Wie wird weibliche
Genitalverstümmelung begründet?“ zu lesen:
„Die Verstümmelungen werden oft als religiöse und gesellschaftliche
Pflicht angesehen. Allerdings verlangt keine heilige Schrift wie der Koran oder
die Bibel den Eingriff.“ Auf das weibliche Geschlecht bezogen möge dieses
stimmen, nur wenn Genitalverstümmelung allgemein betrachtet wird, schon nicht
mehr. So wird in der Bibel im ersten Buch Mose, Genesis, die Beschneidung als
Zeichen des Bundes mit Gott dargelegt. Wobei Abram, später Abraham, bei seiner
Selbstbeschneidung schon 99 Jahre alt war. Im Koran findet man allerdings keine
entsprechende Stelle, wie nicht nur auf der Seite von
Wikipedia zu erfahren ist.
Es ist zu lesen:
„gegenwärtig sind
schätzungsweise zwischen 25 % und 33 % der männlichen Weltbevölkerung
beschnitten. Die Beschneidung von gesunden Kindern am achten Lebenstag gilt im
Judentum als Gebot Gottes.
Der Koran erwähnt
sie nicht ausdrücklich. Dennoch ist sie in islamisch geprägten Ländern als Sunna weit verbreitet
und wird im Kindes- oder Jugendalter durchgeführt.“
Genitalverstümmelung ist also
wesentlich umfangreicher als in der Ausstellung dargestellt und ohne sie im
Gesamten zu betrachten, wird auch die Kritik an dieser auf halbem Wege stehen
bleiben. Kritisiert wird eine bestimmte Art und Weise der Genitalverstümmelung
bei Frauen, in einem Kulturkreis der uns dahingehend fremd ist, dass diese
Völker sich auf einem anderen Niveau gesellschaftlicher Entwicklung befinden
als wir. Das verleitet leider dazu und dieses kommt in der Ausstellung auch so
zum tragen, unsere kulturelle Entwicklung der Entwicklung in den betroffenen
Regionen gegenüber zu stellen. So werden hier übliche Maßstäbe angelegt, ohne
dortige Befindlichkeiten und Erkenntnisstände zu berücksichtigen. In einem
Beispiel wird berichtet, dass eine Frau erst den Umstand der
Genitalverstümmelung als unnormal begriffen hat, als sie hierzulande mit
anderen Frauen Kontakt hatte und feststellen musste, dass Genitalverstümmelungen
bei Frauen in unserem Kulturkreis alles anders als normal sind. Dieser Eindruck
wird allerdings nicht dadurch verstärkt, dass Genitalverstümmelung beim
männlichen Geschlecht weitestgehend tabuisiert wird. So ist es um das Kölner
Urteil zur rituellen Beschneidung von Kleinkindern ruhig geworden und die
Politik ist vor einem Ritual, welches seinen Ursprung in der Antike hatte und
in feudalen Systemen weiterlebte und lebt, in die Knie gegangen.
Letztlich sind solche, kulturell
bedingte und religiös begründete gesellschaftliche Erscheinungen historisch
entstanden, sind gesellschaftlichen Bedingungen geschuldet. Solche Rituale, zu
welchen Genitalverstümmelungen gehören, sind schwerlich zu bekämpfen in dem sie
angeprangert, sondern nur in dem die gesellschaftlichen Ursachen für
diese beseitigt werden. Auch hier trifft zu was
Marx
schon vor über 100 Jahren feststellte:
„Der
Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren
geistiges Aroma die Religion ist.“
Die Ausstellung war interessant,
weil sie mit einem Problem konfrontierte, welches uns eigentlich aus eigener
Erfahrung fremd ist und einer Zeit entspringt, einer kulturellen Entwicklung
entstammt, welche in seiner gesellschaftlichen Entwicklung überwunden schien. Ein
Problem welches weit entfernt scheint, aber doch sehr nahe ist, genau
betrachtet näher als oft gedacht wird, wenn das Problem der
Genitalverstümmelung als Ritual und in seinem ganzen Ausmaß gesehen wird. Zu
lesen ist im Handzettel, dass „weltweit …
150 Millionen Mädchen und Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung …
betroffen“ sind, laut Wikipedia sind „schätzungsweise
zwischen 25 % und 33 % der männlichen Weltbevölkerung
beschnitten“, und das dürften so um die 1 Milliarde sein.
Wie heute oft üblich wird sich
auch im Falle dieser Ausstellung mit Symptomen und Auswirkungen
auseinandergesetzt, die Ursachen bleiben im Dunkel oder werden nur vage
benannt, letztlich wird aber auch dieses Problem nur zu lösen sein, wenn den
Ursachen, der dahinter stehenden herrschenden Kultur, den sozialen
Verhältnissen, welche Genitalverstümmelung fördern, der Kampf nicht nur
angesagt wird!
Der Handzettel ist überschrieben:
„Gemeinsam gegen Genitalverstümmelung“,
die Unterüberschrift „nein zur Gewalt an
Mädchen und Frauen“, wirft berechtigterweise die Frage auf, wie es sich diesbezüglich mit
der Gewallt gegen Knaben und Männer in diesem und anderen Zusammenhängen
verhält?
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