Was nicht so alles zu finden ist und so fand
ich einen Text von Heinrich Mann auf Facebook, welcher durchaus
interessant und von mir wie folgt kommentiert wurde:
Wer war eigentlich Heinrich Mann? Spielt er heute
noch eine Rolle? Nein, vergessen soll er sein, wie viele andere,
welche Wahrheit aussprachen, welche für Wahrheit einstanden, welche
nach Wahrheit suchten!
Es sind die Apologeten der Mächtigen, welche
heute den Ton angeben und wieder singen die verschiedensten Lieder,
um die Mächtigen zu preisen, um sie zu erhöhen, ohne allerdings die
Mächtigen, die Strippenzieher, die Zuhälter willfähriger
Handlanger,
zu erwähnen.
Der Beitrag selbst ist mit politische Vernunft
überschrieben, aber was ist schon Vernunft und so ist es vernünftig
den gegenständlichen Text hier zu spiegeln:
Politische Vernunft
„Die Demokratie ist voll Edelmut und Würde,
solange die Wähler für den freien Wettbewerb der Kräfte stimmen.
Immer einmal kommt der Augenblick, wo die Menschheit schwankt. Bald
vielleicht wird sie nicht mehr den freien Wettbewerb – die Freiheit
unter dem Besitz – vorziehen, sondern sich dem Sozialismus
zuneigen. Noch ist nichts geschehen, aber schon der Verdacht genügt.
Die Mächtigen – das ist eine geringe Minderheit, denen der freie
Wettbewerb gut bekommen ist – ergreifen starke Maßnahmen gegen die
Beinah-Gesamtheit, der er schlecht bekommt.
Sie stellen einen homme de main (Handlanger) an,
er kann gar nicht Bandit genug sein, es handelt sich um scharfe
Mittel, es geht um das Ganze. Der Bandit wird an die Macht erhoben,
was nicht so leicht ist gegen eine mehr oder weniger eingesessene
Demokratie. Die wenigen Reichen des einen Landes schaffen es nicht,
aber ihre auswärtigen Freunde fühlen sich beteiligt an dem
Experiment, sie tragen bei. Eine Unmenge Geld wird in den Banditen
investiert.
Endlich ist er oben und beginnt zu wüten. Lügen
durfte er schon vorher, die Demokratie erlaubte es ihm. Wenn der
Lügner wüten kann, ist es Faschismus.
Seine Gewalttaten bringen ihn dermaßen in Sicht,
daß er seine Hintermänner, die wirklich Mächtigen, überschattet.
Ihnen ist es recht, sie wollen nicht gesehen werden. Haben sie doch
dem Banditen hinaufgeholfen, damit er statt ihrer alle Greuel
verantwortet, zuletzt den Krieg. Der Faschismus erhält sich nur
durch Krieg, aber er endet unfehlbar in Niederlagen. An diesem
Zeitpunkt, da der deutsche Faschismus soweit ist, klingt es
gewöhnlich.
In Wirklichkeit ist es nicht begriffen, nicht zu
Herzen genommen. Das Problem der Gewalt bleibt aufrecht. Hitler
stürzt nicht, weil er stärkere Mächte angegriffen, sich an ihrem
Eigentum vergriffen hat. Er stürzt im Gegenteil, weil er das
deutsche Privateigentum, die stärkste Macht im Lande, gegen
demokratisches Recht mit Gewalt verteidigt hat – übrigens bevor es
bedroht war. Sein Schicksal ist die Gewalt, gleichviel, ob sie
verbrochen wird an fremden Nationen, die er überfällt und
entrechtet, oder an der deutschen: SIE überfiel und entrechtete er
zuerst. Eins bedingt das andere, wird das unvermeidlich tun überall
und immer. Wer Gewalt ißt, stirbt an ihr.
Das ist eine Erkenntnis, sie verlangt den vollen
Ernst der Geschlechter, die sie jetzt erfahren müssen. Aber der
Ernst fehlt. Die törichte Sensation ist ausschließlich Hitler, als
wäre er kein gemieteter Knecht, sondern aus eigener Kraft der
Veranstalter. Zu Hunderten von Millionen erscheint sein Name
gesprochen und gedruckt. Maschinen schreien ihn über die Welt.
Schlachten, „die größten in der Geschichte“ heißen sie,
bespritzen die Lande, die Erdteile mit seinem roten Namenszug – wie
der Besitzer eines Gartens Blumen sät, von weitem liest man sie als
den Namen seines Lieblings.
Der einstige Liebling einer Welt war nie etwas
anderes als ein Wicht und eine Niete. Darum heult er, nun alles
verspielt ist. Tränenkrisen, wie seine neuesten Besucher sie zu
sehen bekommen – ach! wer doch seine Auftraggeber und Vorgesetzten
bei Weinkrämpfen ertappte! Das kommt nicht vor. Die halten schon
ihren nächsten Banditen in Bereitschaft. Der darf aber wirklich kein
Pech haben! Sie wissen noch immer nicht, daß kein Hitler ihr Unglück
war: die von ihnen selbst verbrochene Gewalt war es.
Die Gewinner des freien Wettbewerbs – der
Freiheit unter dem Besitz – sind dumm, das ist es. So unfähig zu
lernen war nie vorher eine andere Gruppe von Mächtigen, ist auch
heute keine.“
Heinrich Mann, Ein Zeitalter wird besichtigt
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