Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Sonntag, 30. Mai 2021

Gedanken zur Sprache – animiert durch eine Aussage.*

Auf Facebook wurde ein Bild geteilt, besser eine Aussage zur Sprache, mit dem Aufruf überschrieben, “Retten wir unsere deutsche Sprache!”. Dabei wurde sich auf Luther berufen und das durchaus zu recht, aber muss unsere Sprache gerettet werde? Ist sie dem Zerfall preisgegeben, oder entspricht sie unseren gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen? Ein interessantes Thema und so entwarf ich folgenden Kommentar. Als ich fertig und darüber nachdachte kürzend zu überarbeiten, war der Beitrag weg. Später entdeckte ich ihn an anderer Stelle wieder, ob ich allerdings den Kommentar dort hinterlasse weiß ich noch nicht.

Übrigens wurde Luther nicht auf die Wartburg gebracht um die Bibel zu übersetzen, er hat die Zeit dort dafür genutzt, sondern Friedrich der Weise ließ ihn dorthin entführen, um ihn vor den Häschern von Kaiser und Papst in Sicherheit zu bringen.

Dem Volke aufs Maul geschaut, soll von Luther sein, ist von Luther und so übersetzte er die Bibel in eine für die Menschen verständliche Sprache, ihre Muttersprache. Wenn es also bestreben ist, dass das Volk versteht, ist es Sinnvoll die Sprache des Volkes zu sprechen, das Volk als Schöpfer der Sprache, dabei folgt die Schriftsprache dem gesprochenem Wort.

Und seit Luther war die Entwicklung unserer Sprache immer an diesen Ausspruch und der Tatsache, dass das geschrieben Wort dem gesprochen folgt, orientiert, jede Reform der Sprache bedingte eine Anpassung an den allgemeinen Sprachgebrauch, außer die letzte bundesdeutsche, da wird ein anderer Weg gegangen. Rückschritt, statt Fortschritt in der Sprache, wenn es um das eigentliche Anliegen des Gebrauchs von allgemeiner Sprache geht. Luther wollte, dass die Menschen die Bibel verstehen, sie selbst lesen und nicht den Interpretationen der katholischen Kirche folgen müssen. Sprache als Mittel seinen reformatorischen Anspruch durchzusetzen.

Sprache als Mittel der Verständigung und wenn zum Beispiel die Herrschenden nicht wollten, dass das Volk sie versteht, wählten sie eine Sprache, welche dem Volk nicht zugänglich, zum Beispiel das Französische zur Zeit Friedrich II., welches in mancher Beziehung das Latein ablöste. Aber Sprache wurde auch verklausuliert, wie im Rechtssystem nicht unüblich und nur mit besonderer Bildung zugänglich. Neuerdings wird sich viel am Englischen angelehnt, nicht eins zu eins, sondern verwischt, vermischt, entfremdet, oft aus dem Zusammenhang gerissen, wird vieles in einen Topf geschmissen. Das in diesem Zusammenhang Schlagwortanalytik oft wissenschaftliches Denken zu ersetzen hat, ist ebenfalls ein Folge des praktizierten Sprachgebrauchs. Aber auch Begriffe werden entfremdet, verfremdet und angewendet, wo sie eigentlich nicht hingehören, als vermeintliche Modeworte etwas assoziieren, auch in dem es einfach nur als Autoritätsbeweis intelligent klingt. “Ich kennen ein Fremdwort und kann es nutzen, keiner versteht es, ich bin Intelligent, weil ich etwas weiß! Also ich weiß was, was Du nicht weißt und Wissen ist Macht!” Allerdings ist es keine Kunst einfaches kompliziert auszudrücken, sondern kompliziertes einfach und allgemein verständlich! Nur wer möchte das schon, im beständigen Konkurrenzkampf kapitalistischen Seins, vor allem wenn es darum geht, Menschen zu verunsichern, sie zu verwirren, zu beeinflussen, zu lenken?

Wer spricht z. B. heute noch von Mitgefühl, wenn es doch Empathie gibt, hört sich doch viel besser und moderner an, Empathie, wie stolz das klingt, vor allem gegenüber vermeintlich Empathieloser! Nur was ist eigentlich Empathie, wenn nicht eine Methode der Psychologie zur Analyse des geistigen Zustandes eines Menschen? Oder die gern und oft verwendete Demographie, eigentlich die Wissenschaft von der Bevölkerungsentwicklung, wird als Synonym für ihren Gegenstand genommen. Warum wird nicht allgemeinverständlich von der Bevölkerungsentwicklung gesprochen? Weil es sich vermeintlich besser anhört, viele Menschen nur die assoziierte Bedeutung als beschränkte Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung kennen, weil es gut als schwer verständliches und den allgemeinen Zusammenhang verdeckendes Wort ist, da mit demokratischen Wandel allgemein assoziiert wird, das die Bevölkerung älter wird? Dabei untersucht die Demographie die demographischen Verhältnisse und Prozesse der menschlichen Gesellschaft im Zusammenhang mit den ökonomischen und sozialen Verhältnissen, ist also wesentlich breiter zu fassen und vor allen auf die Ursachen von Bevölkerungsentwicklung ausgerichtet.

So gesehen, Sprache wird aus den verschiedensten Gründen “verhunzt”, allerdings nie ohne Grund und es ist sinnvoll diesen zu hinterfragen, ist es fremden kulturellen Einflüssen geschuldet, ist es politisch motiviert, wirtschaftlicher und/oder sozialer Entwicklung geschuldet? Und worin bestehen die Ursachen bestimmter Veränderungen, kommen diese aus dem Volk, sind historisch entstanden, oder werden sie dem Volke vorgegeben, wie die Genderisierung zum Beispiel. Also nicht dem Volke aufs Maul geschaut, sondern dem Volke ins Maul gelegte! In gewisser Weise macht uns die Sprache zu Menschen, sie ist Mittel zum Zweck und Produkt sich entwickelnder Arbeitsteilung, sie ist ein entscheidendes Mittel uns auszutauschen, uns zu verständigen, uns zu entwickel.

Sprache ist aus den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere der Produktionstätigkeit, hervorgegangenes und ein sich ständig entwickelndes System verbaler Zeichen, das der Formierung der Gedanken im Prozeß der Erkenntnis der objektiven Realität durch die Menschen dient und den Austausch ihrer Gedanken und emotionalen Erlebnisse sowie die Fixierung und Aufbewahrung des erworbenen Wissen ermöglicht.“

Aber alle Einflüsse aus den verschiedensten Kulturkreisen, über die verschiedenen Jahrhunderte hinweg, haben unsere Sprache zwar mitgeprägt, sie allerdings nie negiert, immer nur bereichert und so haben wir heute eine der reichsten Sprachen überhaupt.

Sprache folgt der gesellschaftlichen Entwicklung und es sollte sich nicht der Frage verschlossen werden, wem nutzt sie, wem hat sie zu nutzen und warum werden heute z. B. viele Wörter aus der englischen Sprache verwendet und sich von verwaltender Seite aus mehr und mehr allgemein unverständlich ausgedrückt? Letztlich ist Sprache Mittel zum Zweck, sie kann Verständnis genauso-gut fördern, wie Unverständnis zeugen. Sie kann Wissen vermitteln und Unwissenheit fördern, populärwissenschaftliche, also allgemeinverständlich, kommt sie daher wenn es darum geht verstanden zu werden, verklausuliert wird sie verwendet, wenn es darum geht etwas zu Verschleiern, es dem allgemeinen Verständnis zu entziehen, etwas gegen das allgemeine Interesse von Menschen durchzusetzen. Und um zu herrschen gibt es Herrschaftswissen, welches eine herrschaftliche Sprache benötigt, zu Luthers Zeiten war dieses Latein, heute wird sich eher eines sprachlichen Wirrwarr bedient, welches tauglich allgemeines Unverständnis zu zeugen und Menschen zu beschäftigen, denn die Verwendung von Worten ist ihrem Sinn entsprechend zu hinterfragen, wenn sie neu in bekannte Zusammenhänge eingefügt.

So gesehen geht es nicht um die Rettung unserer Sprache, sondern um die Nutzung der Sprache und darum zu erkennen, das Sprache ein gesellschaftliches Produkt ist, welches den jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnissen entspringt, aber auch entspricht.

*siehe Bild

Ursprung: klick.

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