Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Dienstag, 30. Juni 2009

Atheismus

Atheismus (griech.): bewusste und begründete Ablehnung des Glaubens an einen Gott oder mehrere Götter, an ein göttliches Prinzip, an jegliche übernatürlichen Kräfte und Wesen bzw. an eine übernatürliche und jenseitige Welt; Erklärung der Welt aus sich selbst (wörtlich: Gottlosigkeit).
Der Atheismus ist mit der Entwicklung des rationalen Denkens, der Wissenschaft und des Klassenkampfes eng verbunden. Er war und ist (mit Ausnahmen, wie z. B. bei F. Nietzsche) ideologischer Ausdruck geschichtlich fortschrittlicher Bewegungen und Klassen. Der Ausdruck Atheismus wurde unterschiedlich verwandt. In der griechischen Philosophie der Antike bezeichnete er ursprünglich lediglich die Ablehnung der Götter als Staatsreligionen. Von den christlichen Kirchen wurde er oftmals in diskriminierender Absicht gegen Anschauungen von einzelnen Menschen oder ganzen Völkern verwandt, die den Glauben an den Gott des Christentums ablehnten (so wird z. B. der Buddhismus als „atheistische Religion“ bezeichnet) oder, wie für das Mittelalter typisch, für Anschauungen, die von den offiziellen Dogmen der Kirche abwichen (Häresien, Deismus). Dabei handelt es sich jedoch nicht um Atheismus im eigentlichen Sinne. Auch die im 19. und besonders im 20. Jahrhundert verbreitete spontane, d. h. nicht bewusste und rational begründete areligiöse Haltung kann nur als Grundlage für die mögliche Herausbildung eines atheistischen Standpunktes gelten.
Durch die Geschichte des menschlichen Denkens zieht sich ein ständiger Kampf zwischen Materialismus und Idealismus, mit dem Kampf zwischen Atheismus und religiösen Glauben verknüpft. Dieser Kampf nahm verschiedene Formen an; er äußerte sich in der Kritik der jeweils offiziellen Religion, in grundsätzlicher Kritik einzelner religiöser Dogmen (z. B. bei Galileo Galilei), in der Hervorhebung der Vernunft gegenüber der Religion (z. B. in der Aufklärung), in der Entwicklung deistischer und pantheistischer Auffassungen, im Positivismus (z. B. bei E. Mach) und im atheistischen Idealismus (z. B. bei F. Nietzsche, J.-P. Sartre, A. Camus) und schließlich in konsequent materialisch-atheistischen weltanschaulichen Positionen.
Die Geschichte des Atheismus zeigt mehrer Höhepunkte. Eine Vielzahl von religionskritischen und materialistisch-atheistischen Ansätzen findet sich in der Philosophie des klassischen Altertums, so z. B. in der ionischen Naturphilosophie, bei Xenophanes, Demokrit und besonders bei Epikur in Griechenland, bei Lucretius Carus in Rom. Einen Höhepunkt in der Geschichte des Atheismus bildete der bürgerliche Atheismus der französischen Materialisten des 18. Jh. (besonders D. Diderot, J. O. de La Mettrie, P. H. D. Holbach, C. A. Helvétius), der sich seinem Wesen nach gegen die feudale Kirchenherrschaft, gegen die Unterdrückung der Wissenschaft und des freien Denkens durch Religion und Kirche richtet. In Deutschland kulminierte der Atheismus im 19. Jh. in der Bibelkritik von D. F. Strauß, in der materialistischen (atheistischen) und religionskritischen Philosophie L. Feuerbachs (die einen großen Einfluss auf Marx hatte), im kleinbürgerlichen Materialismus von C. Vogt, L. Büchner (Vulgärmaterialismus) und besonders im naturwissenschaftlichen Materialismus von E. Haeckel, der zu einem im europäischen Maßstab wirkenden Vertreter des naturwissenschaftlichen Atheismus wurde. Die russischen revolutionären Demokraten des 19. Jh., wie A. I. Herzen, W. G. Belinski, N. G. Tschernyschewski, waren ebenfalls streitbare Atheisten.
Die entwickelte Form des Atheismus ist der wissenschaftliche Atheismus der marxistisch-leninistischen Philosophie (marxistisch-leninistischer Atheismus, proletarischer Atheismus). ER wurde von Marx und Engels begründet und von Lenin weiterentwickelt. Der marxistische Atheismus unterscheidet sich grundlegend vom bürgerlichen Atheismus, der sich das Ziel setzte, durch Verbreitung vernünftigen Denkens und der Erkenntnisse der Wissenschaft den Gottesglauben, den er für das Haupthindernis des Fortschritts hielt, zu überwinden.

Der marxistische Atheismus hat die gesellschaftlichen Wurzeln der Religion entdeckt und nachgewiesen, dass die Religion abstirbt, wenn ihre ökonomischen und sozialen Wurzeln beseitigt werden. Gegründet auf diese Erkenntnis der Wissenschaft weist der marxistische Atheismus nach: Die Materie ist ewig und damit keine Schöpfung Gottes. Die Erde ist einer von unzähligen Himmelskörpern und nicht der Mittelpunkt der Welt. Das Leben auf der Erde ist auf natürlichem Wege aus nicht lebender Materie entstanden. Der Mensch hat sich aus dem Tierreich entwickelt und stellt demzufolge weder ein Ebenbild Gottes dar, noch stammt er von Adam und Eva ab. Es gibt eine durchgängige objektive Gesetzmäßigkeit in Natur und Gesellschaft, daher sind Wunder ausgeschlossen. Die Geschichte ist von gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten bestimmt und wird nicht von Gott gelenkt. Nicht Gottes unerforschlicher Ratschluss entscheidet über das Schicksal, über Glück und Unglück der Menschen; die Befreiung der Menschheit kann nur durch den auf wissenschaftlichen Kenntnissen beruhenden revolutionären Kampf um den Sozialismus und Kommunismus erreicht werden. Marxistischer Atheismus schließt jeden Glauben an übernatürliche, transzendente Kräfte und Mächte aus. Der dialektische und historische Materialismus ist folglich seinem Wesen nach atheistisch. Der marxistische Atheismus ist deshalb auch keine besondere Weltanschauung, sondern Wesenszug der marxistisch-leninistischen Philosophie.
Der marxistische Atheismus stützt sich auf die Erkenntnisse der Wissenschaft. Jede Wissenschaft ist aber ihrem Wesen nach in dem Sinne materialistisch und damit auch atheistisch, dass in ihr weder übernatürliche Faktoren noch der Gottesglaube eine Rolle spielen. Naturwissenschafter, die aus Tradition oder infolge ihrer Erziehung an Gott glauben, sind, soweit sie wissenschaftlich arbeiten und denken, Atheisten. Die Einzelwissenschaften, sofern ihre Ergebnisse, folgerichtig zu Ende gebracht und verallgemeinert werden, schließen den religiösen Glauben aus.
Der marxistische Atheismus ist durch die Entwicklung der Produktivkräfte, durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik, den sprunghaft anwachsenden Grad der Beherrschung der Natur und im Sozialismus auch der gesellschaftlichen Verhältnisse bedingt. Der Atheismus unter sozialistischen Verhältnissen ist notwendig mit den Wissenschaften und mit dem Marxismus-Leninismus verbunden. Die Schaffung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft erfordert objektiv die Verbreitung der wissenschaftlichen Weltanschauung, deren Bestandteil der Atheismus, die weltanschaulich-atheistische Bildung und Erziehung ist. Die Überzeugungsarbeit ist und bleibt Grundprinzip der atheistischen Propaganda. Das politische Bündnis zwischen Marxisten und religiös Gläubigen und die gegenseitige Achtung ihrer Standpunkte ist auf dieser Grundlage nicht nur möglich, sondern notwendig.
Entnommen: „Wörterbuch Philosophie und Naturwissenschaften“ Dietz Verlag Berlin 1983, Seite 82 – 84.  

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