Denk- und Verhaltensweise sowie theoretische
Auffassung, mit der die Interessen, Rechte und Bestrebungen des
einzelnen – des Individuums – denen aller anderen und der Gesellschaft
entgegengesetzt werden. Der Individualismus charakterisiert das
Verhältnis von Individuum und Gesellschaft unter den Bedingungen des
kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln. Der
bürgerliche Individualismus besaß ursprünglich eine progressive
Bedeutung bei der Überwindung der feudalen ökonomischen, politischen und
geistigen Schranken, um Initiative, Unternehmergeist und Tatkraft
freizusetzen, Eigenschaften, die Triebkraft für die Entwicklung der
Produktivkräfte waren. Seiner sozialen Grundlage nach ist der
Individualismus ein Produkt des kapitalistischen Privateigentums, seinem
Klasseninhalt nach eine bürgerliche Denk- und Verhaltensweise, seiner
ideologischen Funktion nach eine Rechtfertigung der Ausbeutung, des
Profitstrebens und des Egoismus; er richtet sich besonders gegen den
organisierten Zusammenschluss und den Kampf der Werktätigen.
Der Individualismus ist ein
charakteristischer Zug der modernen bürgerlichen Ideologie,
Sozialpsychologie und der bürgerlichen Kunst. Durch die Auffassung wird
der Mensch (das Individuum) in der Regel aus seiner gesellschaftlichen
Bezogenheit herausgelöst und vornehmlich als biologisches oder rein
geistiges Wesen betrachtet. Das Individuum steht nach diesen
bürgerlichen Theorien in einem negativen Bezug zur Gesellschaft, die für
den Menschen als äußerliche, sekundäre Bedingung festgemacht wird
(Existenzialismus, Pragmatismus). Oder das menschliche Denken und
Verhalten wird gänzlich aus seiner gesellschaftlichen Bedingtheit
herausgelöst und auf Gott hingeordnet (Neuthomismus). Das
gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln entzieht dem
Individualismus die ökonomische Grundlage, weil es das bewusste,
planmäßige und gemeinschaftliche Zusammenwirken aller Mitglieder der
Gesellschaft unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer
marxistisch-leninistischen Partei erfordert. Die sozialistische
Erziehung ist deshalb darauf gerichtet, Individualismus und Egoismus zu
überwinden. Die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, die
Freisetzung der schöpferischen Kräfte des Menschen ist nur in
Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Interessen, in der
Gemeinschaft, im sozialistischen Kollektiv möglich.
Entnommen: „Kleines politische Wörterbuch“ sechste Auflage, Dietz Verlag Berlin 1986, Seite 393 – 394.
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