Zitat:

Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein. - Bertold Brecht, „Leben des Galilei“

Zitat:

Bedrohlich ist das Volk für die Herrschenden, wenn es ohne Furcht ist.“ -Tacitus (römischer Historiker)

Zitat:

Die Furcht vor Übervölkerung tritt stets in Perioden auf, in denen der bestehende Sozialzustand im Zerfall begriffen ist. August Bebel

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Verklärung gegen Verklärung!

Verklärung gegen Verklärung!

Wie schrecklich, Menschen denken selbst, werten selbst, schätzen selbst ein und vermitteln ihre Erfahrungen der nachwachsenden Generation. Nur was ist daran schlimm? Eigentlich nichts, wenn die Erkenntnisse mit der offiziellen Meinung übereinstimmen würden. Ja, ein Wissen welches auf Erfahrungen beruht wird gegen Fakten, Fakten, Fakten gestellt, so in der MZ unter der Überschrift „Nina Hagen statt Honecker“ zu lesen. Woher diese Fakten kommen und welchen Ursprung sie haben, egal, Hauptsache Fakten!

So wurden wiedereinmal Schüler befragt und die Auswertung brachte letztendlich wieder nur altbekanntes ans Licht, dass „das Wissen vieler Schüler über die DDR … zum großen Teil aus emotionalen Erinnerungen der Eltern“ besteht. „Dafür fehlt es häufig an Fakten.“ An welchen Fakten es Mangelt, fraglich, woran es nicht Mangelt ist Erfahrungswissen und dieses ist ja bekanntlich nicht wissenschaftlich, es taugt maximal als Basis, auf welche es aufzubauen gilt, ist zu erfahren. Jene, welche die DDR erlebt haben verfügen also „nur“ über gefühlsmäßige Erfahrungen! Nicht nur darum ist der Text etwas verwirrend, in welchen wie so oft üblich alles mögliche in einen Kessel geschmissen wird, kräftig durch gerührt und ein jeder kann sich herausfischen, was er herausfischen soll. Der Text strotzt regelrecht von nichts sagenden Floskeln wie, „die Interessenbildung entspreche der Jugendkultur“, was sollte sie denn sonnst, wenn Jugendliche befragt werden? Aber auch diese Aussage über das Wissen spricht für sich: „dieses sei aber häufig kein Sachwissen und umfasse vor allem jugendgemäße Inhalte“ und mit dem jugendgemäßen Inhalten hat man es, „so erkannten 75 Prozent der Befragten die Sängerin Nina Hagen auf einem Foto und ordneten ihr den richtigen Beruf zu. Nur 30 Prozent konnten indes Erich Honeckers Foto Namen und Beruf zuordnen.“ Ja, was soll das? Nicht nur das letzterer nicht mehr unter den Lebenden weilt, welchen Bezug sollten junge Menschen, welche Jahre nach der Wende geboren wurden, dahingehend aufbauen? Anders bei erstgenannter, sie hatte zwar den Farbfilm vergessen und die DDR verlassen, (zu einer Zeit als ich noch zur Schule gegangen bin) ist andererseits lebendig und weiterhin künstlerisch in Film und Fernsehen aktiv.

Was soll es, nun sollen die Ergebnisse als Grundlage für zukünftige Lehrpläne dienen und es darf zumindest die Meinung der bildungspolitischen Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion nicht fehlen. Diese stellt lapidar fest: „”Wenn Elternhäuser teils ein verklärtes Bild von der DDR haben, ist es umso wichtiger, dass die Schulen ihrem Auftrag uneingeschränkt und ohne Vorbehalt nachkommen.”“ und dieses sicher im Sinne üblicher, offizieller Geschichtsverklärung! Aber ist das Bild so manchen Elternhauses wirklich verklärt und wenn dem so ist, warum? Diese Frage stellt sich keiner, warum auch, die Antwort würde sicher nicht dem Wunsch entsprechen, aber durchaus aufklärende Wirkung haben! Da bleibt man doch lieber an der Oberfläche, bedient sich diverser Allgemeinplätze und spekuliert über die Deutungshoheit.

So auch der Kultusminister, welcher feststellt das „Schulen zwar nicht allein die Deutungshoheit über die DDR“ haben, „Gleichwohl sei in den Schulen ein ehrlicher Umgang mit Geschichte wichtig, besonders wenn Lehrer auch Zeitzeugen seien. “Ich habe aber Zweifel, ob das immer gelingt.”“ Und dieser Zweifel ist durchaus berechtigt und gerade weil Lehrer eben auch Zeitzeugen sind! Solange dieses so ist, ist ein ehrlicher Umgang mit der DDR-Geschichte eben doch noch wahrscheinlich, auch wenn er eigentlich nicht gewollt ist.

Am Ende des Textes kommt man doch noch zu des Pudels Kern, in dem festgestellt wird: „Auf Mängel beim DDR-Wissen von Schülern hatte 2008 bereits eine Studie der Freien Universität Berlin hingewiesen. Dadurch betrachteten viele das DDR-System eher positiv.“ Und letzteres ist alles andere als gut und gewollt! Die DDR positiv betrachten, wo kommen wir denn da hin? Da könnte man doch glatt auf den Gedanken kommen, dass es eine humanistische Alternative zum gegenwärtigen System geben könnte!

Im Kommentar zu diesem Beitrag heißt es dann auch richtiger weise: „Die DDR-Geschichte beginnt nicht mit der Geburt von Mutter, Vater oder sonst einem Zeitzeugen, sie muss im Kontext der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts eingeordnet werden.“ Letzteres wird aber geflissentlich von der offiziellen Geschichtsschreibung vergessen, oder eben ihrem Interesse entsprechend interpretiert. Hier wird unterstellt, das Mutter, Vater, Oma, Opa, Onkel, Tante usw. die DDR nicht im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte sehen, immerhin durften Sie diese verschieden erleben, und manch Ereignis erscheint eben nach 20 Jahren deutsche Einheit in einem anderem Licht, als vor 20 Jahren. Es sind ganz einfach neue Erfahrungen hinzugekommen und vieles wurde den Menschen genommen, was sie in den letzten 20 Jahren zu schätzen lernten, nachdem es keine Selbstverständlichkeiten mehr waren und so manche sozialistischen Errungenschaft verlustig ging. Menschen verklären ihre Geschichte nicht um des Verklärens willen, also nicht ohne Grund und wäre mit der DDR wirklich der schlechtere deutsche Staat untergegangen, kaum einer würde sich heute noch seiner positiv Erinnern. Wer die letzten zwanzig Jahre im Osten des Landes, also auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, aktiv erlebt hat, der konnte und kann es immer noch, einen Bewusstseinswandel bei vielen ehemaligen DDR-Bürgern beobachten. Die DDR wird in erster Linie nicht aus dem Leben in der DDR heraus bewertet, sondern aus dem Leben in der Gegenwart! Und wenn die DDR verklärt wird, dann nicht aus vergangener Negativerfahrung heraus, sondern aus gegenwärtiger. Es ist die Inhumanität des System des Kapitals, welches die Vergangenheit in einem besseren Licht erscheinen lässt, als offiziell gewollt. Menschen werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt, ihre Interessen werden fremden Interesse untergeordnet und immer mehr Menschen am Existenzminimum gehalten, ohne Aussicht auf eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Nein, wenn es ein Problem mit Verklärung gibt, an welchen die DDR schuld trägt, dann mit der Verklärung bundesdeutschen Seins vor der Wende, in dem den meisten Menschen die Möglichkeit verwehrt wurde eigene Erfahrungen zu sammeln, seit zwanzig Jahren konnte sie dieses nun zur genüge.

Und was Geschichte ist, weiß der Kommentator, wenn er feststellt: „Geschichte ist nicht das Bild einzelner weniger Erzählungen, sondern baut auf ein Gerüst historischer Fakten.“ Ja, Fakten, Fakten, Fakten, aber wie wird Geschichte gemacht, durch Fakten, Fakten, Fakten? Nein, „die Menschen machen ihre Geschichte, wie diese auch immer ausfalle, indem jeder seine eignen, bewusst gewollten Zwecke verfolgt, und die Resultate dieser vielen in verschiedene Richtungen agierenden Willen und ihrer mannigfachen Einwirkung auf die Außenwelt ist eben die Geschichte. Es kommt also darauf an, was die vielen einzelnen wollen. Der Wille wird bestimmt durch Leidenschaft oder Überlegung. Aber die Hebel, die wieder die Leidenschaft oder die Überlegung unmittelbar bestimmen, sind sehr verschiedener Art.“* Und diese Hebel wirken und zeigen Wirkung, hauptsächlich bestimmt werden sie von den jeweiligen Umständen, in welchen die Menschen leben. Aber gern wird dem Menschen seine eigenständig handelnde Natur, auf Grund seines bewussten Seins, genommen und wie hier gefühlsmäßige Verklärung unterstellt, aber wie wusste Friedrich Engels schon zu schreiben: „… in der Geschichte der Gesellschaft sind die Handelnden lauter mit Bewusstsein begabte, mit Überlegung oder Leidenschaft handelnde, auf bestimmte Zwecke hinarbeitende Menschen; nichts geschieht ohne bewusste Absicht, ohne gewolltes Ziel.“* Ja, die Geschichte, welche die Menschen selbst machen und so haben auch solche Untersuchungen einen Zweck, nun „die Zwecke der Handlungen sind gewollt, aber die Resultate, die wirklich aus den Handlungen folgen, sind nicht gewollt, oder soweit sie dem gewollten Zweck zunächst doch zu entsprechen scheinen, haben sie schließlich ganz andere als die gewollten Folgen. Die geschichtlichen Ereignisse erscheinen so im ganzen und großen ebenfalls als von der Zufälligkeit beherrscht. Wo aber auf der Oberfläche der Zufall sein Spiel treibt, da wird er stets durch innere verborgene Gesetze beherrscht, und es kommt nur darauf an, diese Gesetze zu entdecken.“* Um zum dritten mal Friedrich Engels zu bemühen.

Es ist so, dass beklagte Verklärung nur eine Seite der Medaille ist und sicher nicht ohne Ursachen zu haben. Andererseits liegt auch dieses im Auge des Betrachters, welcher diese Wertung ausspricht! Genau genommen wird eine jede Wertung, welche dem offiziellem Geschichtsbild widerspricht und die DDR in einem positiven Licht erscheinen lässt, als Verklärung verschrieen. Im Gegenzug wird eine jede negative Sicht auf die DDR versucht in den Status einer all selig machenden Wahrheit zu erheben. Die Menschen sind aber durchaus in der Lage selbst zu werten und so setzen sie oft ihre eigenen Erfahrungen diverser Geschichtspropaganda entgegen.

Eigentlich kommt es auf eine kritische Aufarbeitung der Geschichte der DDR an, aber dieses ist nicht gewollt. Lieber wird Verklärung bemängelt, ohne zu merken das die Gründe, die Ursachen für diese Verklärung in der Gegenwart zu finden sind. Die Verklärung der DDR-Geschichte ist wirklich ein Problem, egal von welcher Seite diese betrieben wird. Wobei die offizielle Geschichtsschreibung sich in diesem Zusammenhang besonders hervortut, welches auch daran zu sehen ist, dass die persönlichen Erfahrungen der Menschen dadurch negiert werden sollen, in dem diese abgewertet werden und ihr Substanz abgesprochen wird. Vieles was man heute über die DDR von offizieller Seite hört und sieht, ist darauf gerichtet die DDR aus ihrem historischen Umfeld und Hintergrund herauszulösen, sie mit Schlagworten ab zu urteilen und den Menschen nicht gemachte Erfahrungen zu implizieren, oder gemachte Erfahrungen zu Überhöhen. Diese Strategie verfängt aber immer weniger, welches auch ein Zeichen dafür ist, dass die Menschen die Ursachen ihrer Probleme nicht in den Verhältnissen in der DDR sehen, sondern im gegenwärtigen System. Mehr noch, im Unterbewusstsein schwingt auch die Einsicht mit, dass im gesellschaftlichen System, welches in der DDR praktiziert wurde, eine Alternative zum System des Kapitalismus besteht. Das es nicht der Sozialismus sein wird, wie er in der DDR praktiziert wurde, ist sicher, wie er aber zu gestalten ist, hängt sehr von einer kritischen Geschichtsaufarbeitung ab. Diese wird es von offizieller Seite mit Sicherheit nicht geben!

*Aus „Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ von Friedrich Engels.

MEW Band 21 Seite 297 - 298, Dietz Verlag Berlin 1984 oder auch hier und hier geht es direkt zum Kapitel!



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